Begriff und rechtliche Einordnung des Arbeitsdirektors
Der Begriff Arbeitsdirektor bezeichnet in deutschen Unternehmen eine gesetzlich vorgesehene Vorstandsposition, die insbesondere im Mitbestimmungsrecht nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) 1976 für mitbestimmte Unternehmen von zentraler Bedeutung ist. Der Arbeitsdirektor repräsentiert die Interessen der Arbeitnehmerschaft auf Unternehmensebene und ist mit besonderen Aufgaben innerhalb des Vorstands betraut, insbesondere in großen Kapitalgesellschaften und Unternehmen mit paritätischer Mitbestimmung.
Rechtsgrundlagen
Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) 1976
Die wesentliche Rechtsgrundlage für die Einführung und die Funktion des Arbeitsdirektors bildet das Mitbestimmungsgesetz von 1976 (MitbestG). Nach § 33 Abs. 1 MitbestG muss in Unternehmen, die dem MitbestG unterliegen (mehr als 2.000 Arbeitnehmer), der Vorstand eines Unternehmens mindestens einen Arbeitsdirektor neben anderen Mitgliedern enthalten.
Unternehmensgesetzbuch (Aktiengesetz, GmbHG)
Die Regelungen zum Arbeitsdirektor finden weitere Präzisierungen im Aktiengesetz (AktG) und im Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), soweit die Bestellung der Geschäftsführung betroffen ist. Die spezifischen Pflichten und Rechte des Arbeitsdirektors sind jedoch überwiegend im Mitbestimmungsrecht geregelt.
Bestellung und Abberufung des Arbeitsdirektors
Bestellungsverfahren
Die Bestellung des Arbeitsdirektors erfolgt durch den Aufsichtsrat. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 MitbestG bedarf die Bestellung des Arbeitsdirektors einer Mehrheit sowohl der Arbeitnehmer- als auch der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat. Folglich können Arbeitnehmer- und Anteilseignervertreter die Auswahl des Arbeitsdirektors gegenseitig beeinflussen (sogenanntes „Zweikammersystem“).
Zustimmungserfordernisse
Anders als bei anderen Vorstandsmitgliedern ist die einfache Mehrheit im Aufsichtsrat für den Arbeitsdirektor nicht ausreichend. Kommt eine Entscheidung in zwei Wahlgängen nicht zustande, sieht das Gesetz ein Vermittlungsverfahren vor (§ 33 Abs. 2 MitbestG).
Abberufung
Die Abberufung des Arbeitsdirektors folgt denselben Regelungen wie dessen Bestellung; auch hier ist die Mehrheit in beiden „Bänken“ des Aufsichtsrats erforderlich. Dies dient dem Schutz der Position und soll eine unangemessene Einflussnahme verhindern.
Stellung und Aufgaben des Arbeitsdirektors
Funktion im Vorstand
Der Arbeitsdirektor ist gleichberechtigtes Mitglied des Vorstands und nimmt an den sämtlichen Beschlussfassungen teil. Besonderheit ist jedoch seine Zuständigkeit für das Personal- und Sozialwesen des Unternehmens.
Zuständigkeitsbereich
Zu den Verantwortungsbereichen zählen im Regelfall:
- Arbeitsrechtliche Angelegenheiten (Tarifpolitik, Betriebsvereinbarungen)
- Personalmanagement (Einstellung, Entwicklung, Entlassungen)
- Arbeits- und Gesundheitsschutz, Aus- und Weiterbildung
- Soziale Angelegenheiten, etwa Sozialpläne oder Maßnahmen zur Umsetzung des Betriebsverfassungsgesetzes
Die Ressortzuordnung kann nach Unternehmenssatzung oder Vorstandsbeschluss variiert werden, jedoch darf dem Arbeitsdirektor die Personalverantwortung nicht vollständig entzogen werden.
Rechtsstellung und Schutz des Arbeitsdirektors
Weisungsfreiheit und Gleichstellung
Der Arbeitsdirektor ist im Vorstand weisungsfrei und rechtlich den übrigen Vorstandsmitgliedern gleichgestellt. Damit ist gewährleistet, dass betriebliche Interessen der Arbeitnehmerschaft auf oberster Leitungsebene angemessen vertreten werden.
Besondere Schutzmechanismen
Das Mitbestimmungsgesetz sieht für die Bestellung und Abberufung des Arbeitsdirektors eigene Verfahren und Schutzmechanismen vor, um parteipolitische oder einseitige Interessenwahrnehmungen zu begrenzen. Der Schutz vor willkürlicher Entlassung gewährleistet Unabhängigkeit und Stabilität in der Unternehmensführung.
Ausschluss der Ämterhäufung
Eine Doppelstellung als Vertreter der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und als Arbeitsdirektor im Vorstand ist satzungsgemäß ausgeschlossen, um Interessenkollisionen zu vermeiden.
Abgrenzung zu anderen Vorstandsmitgliedern
Der Arbeitsdirektor ist im Gegensatz zu anderen Vorstandsmitgliedern gesetzlich vorgeschrieben und nicht lediglich durch Satzung oder Geschäftsverteilung geschaffen. Während die übrigen Vorstandsmitglieder durch eine Mehrheit der Stimmen im Aufsichtsrat bestellt werden können, benötigt der Arbeitsdirektor zur Bestellung die Zustimmung beider Parteien (Arbeitnehmer- und Anteilseignervertreter).
Mitbestimmung in Unternehmen ohne Arbeitsdirektor
Nur Unternehmen, die unter das Drittelbeteiligungsgesetz (mindestens 500 Arbeitnehmer, aber maximal 2.000 Arbeitnehmer) fallen, können auf die Schaffung eines Arbeitsdirektors verzichten. Unternehmen, die dem Montan-Mitbestimmungsgesetz unterliegen, haben hingegen weitergehende Anforderungen an die Vorstandszusammensetzung.
Bedeutung in der Unternehmenspraxis
Der Arbeitsdirektor ist ein zentrales Element der deutschen Mitbestimmung und sorgt für die Integration sozialer Belange in strategische Unternehmensentscheidungen. In arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, Tarifverhandlungen oder Restrukturierungen trägt die Funktion maßgeblich zu fairen und ausgewogenen Entscheidungsprozessen bei.
Literaturhinweise
- § 33 Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)
- Kittner, Michael (Hrsg.): Arbeitsrecht: Handbuch für die Praxis. 9. Auflage. Frankfurt am Main 2022.
- Henssler/Willemsen/Kalb: Arbeitsrecht Kommentar, 10. Auflage 2022.
Zusammenfassung
Der Arbeitsdirektor stellt eine gesetzlich definierte Position im Vorstand mitbestimmter Unternehmen in Deutschland dar. Seine Aufgaben, Bestellung und Abberufung sind detailliert im Mitbestimmungsgesetz geregelt. Durch seine besondere Rechtsstellung im Spannungsfeld von Unternehmensleitung und Interessenvertretung der Belegschaft sichert er die gleichberechtigte Berücksichtigung sozialer und wirtschaftlicher Belange in der Unternehmensführung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Bestellung des Arbeitsdirektors in deutschen Unternehmen?
Die Bestellung des Arbeitsdirektors basiert im Wesentlichen auf den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) von 1976 und, sofern einschlägig, auch auf den Vorschriften des Montan-Mitbestimmungsgesetzes (MontanMitbestG) von 1951. Gemäß § 33 MitbestG muss in Unternehmen mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern der Vorstand eines paritätisch mitbestimmten Unternehmens zwingend ein Mitglied für das Arbeits- und Sozialwesen enthalten – den sogenannten Arbeitsdirektor. Die Bestellung unterliegt den allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften gemäß §§ 84 ff. Aktiengesetz (AktG), das heißt, der Aufsichtsrat bestellt den Arbeitsdirektor analog zu den übrigen Vorstandsmitgliedern. Dabei sieht das Gesetz vor, dass der Arbeitsdirektor nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bestellt werden darf. Für Montanunternehmen gilt ergänzend das MontanMitbestG, das sowohl für Aktiengesellschaften, GmbHs als auch für KGaAs anwendbar ist und spezifische Anforderungen an die Person des Arbeitsdirektors stellt.
Welche besonderen Anforderungen werden an die Person des Arbeitsdirektors gestellt?
Rechtlich ist festgelegt, dass der Arbeitsdirektor ein ordentliches Vorstandsmitglied ist und damit grundsätzlich alle für Vorstandsmitglieder geltenden Anforderungen erfüllt werden müssen, insbesondere Zuverlässigkeit, Eignung und die Unabhängigkeit gemäß § 76 AktG. Für Unternehmen, die dem MontanMitbestimmungsgesetz unterliegen, fordert § 13 MontanMitbestG explizit, dass der Arbeitsdirektor „das besondere Vertrauen der Arbeitnehmer genießt“. Es handelt sich hier nach herrschender Meinung jedoch nicht um ein Vetorecht der Arbeitnehmer, sondern um eine Verstärkung des Konsensprinzips. Allerdings dürfen die Arbeitnehmervertreter die Bestellung eines Arbeitsdirektors verweigern, wenn berechtigte Zweifel bestehen, dass die Person das Vertrauen der Belegschaft trägt. Rechtsprechung und Literatur betonen, dass dies sachlich begründet werden muss und eine soziale oder gewerkschaftliche Nähe allein nicht entscheidend ist.
Wie gestaltet sich die Abberufung eines Arbeitsdirektors rechtlich?
Für die Abberufung eines Arbeitsdirektors gelten grundsätzlich dieselben aktienrechtlichen Bestimmungen wie für andere Vorstandsmitglieder (§ 84 Abs. 3 AktG). Die Abberufung kann aus wichtigem Grund erfolgen, zum Beispiel bei grober Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug seitens des Aufsichtsrats. Besonderheit: § 33 Abs. 3 MitbestG legt fest, dass die Abberufung nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat erfolgen darf, solange nicht ein wichtiger Grund vorliegt. Dies verleiht den Arbeitnehmervertretern ein faktisches Vetorecht bei der Abberufung ohne wichtigen Grund. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann jedoch auch gegen deren Stimmen abberufen werden.
Welche Aufgaben und Rechte hat der Arbeitsdirektor aus rechtlicher Sicht?
Der Arbeitsdirektor ist vollwertiges Mitglied des Vorstands und unterliegt somit den gleichen aktienrechtlichen Pflichten (§§ 76 ff. AktG). Er trägt die Verantwortung für die arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten des Unternehmens, insbesondere Personal- und Sozialpolitik, Betriebsverfassungsfragen sowie die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat oder der Gesamtschwerbehindertenvertretung. Rechtlich ist ihm die Geschäftsverteilung im Vorstand zugrunde zu legen, wobei der Aufgabenbereich des Arbeitsdirektors klar festzulegen ist. Die Aufgabenverteilung darf durch die Satzung oder Geschäftsordnung geregelt werden. Der Arbeitsdirektor kann nicht, ohne seinen Aufgabenbereich zu verletzen, von zentralen arbeitsrechtlichen Entscheidungen ausgeschlossen werden; andernfalls läge ein Verstoß gegen das Mitbestimmungsgesetz vor.
Inwieweit kann die Bestellung eines Arbeitsdirektors gerichtlich überprüft werden?
Die gerichtliche Überprüfung der Bestellung eines Arbeitsdirektors ist auf typische aktienrechtliche und mitbestimmungsrechtliche Kontrollmechanismen beschränkt. Gemäß § 246 AktG kann die Bestellung eines Vorstandsmitglieds angefochten werden, beispielsweise wegen formeller Fehler oder Verstoßes gegen das Mitbestimmungsgesetz. Eine gerichtliche Überprüfung ist auch möglich, wenn Arbeitnehmervertreter geltend machen, das Zustimmungserfordernis sei missachtet worden (fehlende Zustimmung/kein Vetorecht beachtet). Im Falle einer rechtswidrigen Bestellung kann ein Gericht die Unwirksamkeit feststellen. Zudem können Arbeitnehmervertreter einen Unterlassungsanspruch geltend machen, falls die Bestellung formwidrig erfolgte.
Was geschieht, wenn Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Bestellung des Arbeitsdirektors nicht zustimmen?
Verweigern die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat die Zustimmung, so kann die Bestellung des Arbeitsdirektors nach § 33 MitbestG nicht wirksam erfolgen. Das Gesetz schreibt explizit die konsensuale Bestellung vor; die Ablehnung blockiert die Besetzung der Position, solange keine Einigung gefunden wird. Dies stärkt die Position der Arbeitnehmerseite erheblich. Sollte der Aufsichtsrat sich nicht einigen, bleibt die Stelle vakant. Erst bei entsprechendem wichtigen Grund könnte eine Bestellung auch ohne Zustimmung der Arbeitnehmervertreter durchgesetzt werden; dies müsste dann allerdings klar und gerichtlich überprüfbar dargelegt werden. Ein einfaches Überstimmen der Arbeitnehmervertreter ist rechtlich unzulässig.
Welche Haftungsrisiken bestehen für den Arbeitsdirektor?
Der Arbeitsdirektor ist wie jedes andere Vorstandsmitglied nach § 93 AktG (Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder) zum Ersatz von Schäden verpflichtet, die aus einer Pflichtverletzung resultieren. Dies umfasst fahrlässiges Verhalten, insbesondere bei arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Entscheidungen, wie z.B. Fehler in der Personalarbeit, unterlassene Einhaltung von Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften, Diskriminierung am Arbeitsplatz oder Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Die gesamtschuldnerische Haftung des gesamten Vorstands besteht auch dann, wenn der Aufgabenbereich intern spezifisch beim Arbeitsdirektor liegt. Risiken können vertraglich nur begrenzt beschränkt werden; gesetzliche Pflichten sind zwingend einzuhalten.
Ist der Arbeitsdirektor rechtlich verpflichtet, Gewerkschaftsmitglied zu sein?
Eine generelle rechtliche Verpflichtung zur Gewerkschaftszugehörigkeit besteht nicht. Das Mitbestimmungsgesetz oder das MontanMitbestimmungsgesetz verlangen lediglich, dass der Arbeitsdirektor das besondere Vertrauen der Arbeitnehmerschaft besitzt. In der Praxis ist die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft jedoch verbreitet und wird als Indiz für die Akzeptanz durch die Arbeitnehmerseite gesehen. Rechtlich darf eine zwingende Gewerkschaftszughörigkeit wegen der grundgesetzlich geschützten Koalitionsfreiheit jedoch nicht zur Bedingung gemacht werden (§ 9 GG). Eine Benachteiligung wegen fehlender Mitgliedschaft wäre unzulässig. In der Vergangenheit hat die Rechtsprechung jedoch eine gewisse sozialpartnerschaftliche Nähe durchaus als unproblematisch angesehen, solange diese nicht zur zwingenden Berufsvoraussetzung erklärt wird.