Begriff und rechtliche Bedeutung der Arbeitsbeschaffung
Definition der Arbeitsbeschaffung
Der Begriff Arbeitsbeschaffung bezeichnet im rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext alle staatlichen oder kommunalen Maßnahmen, die darauf abzielen, neue Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen oder vorhandene Arbeitsplätze zu sichern. Ziel der Arbeitsbeschaffung ist es, insbesondere strukturelle oder konjunkturelle Arbeitslosigkeit zu reduzieren und durch gezielte Projekte, Programme oder Investitionen die Beschäftigungsquote zu erhöhen. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) stellen insbesondere in Zeiten ökonomischer Krisen ein zentrales Element der Arbeitsmarktpolitik dar.
Historische Entwicklung und Rechtsgrundlagen
Ursprünge und Entwicklung in Deutschland
Die arbeitsrechtliche Verankerung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen reicht bis in die Phase der Weltwirtschaftskrise zurück, als der Staat durch öffentliche Beschäftigungsprogramme in den Arbeitsmarkt eingriff. In der Bundesrepublik Deutschland wurden ab den 1960er Jahren arbeitsmarktpolitische Instrumente zur Beschäftigungssicherung sukzessive gesetzlich verankert und im Sozialgesetzbuch geregelt.
Gesetzliche Grundlagen
Die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen für die Arbeitsbeschaffung finden sich im Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Hier werden Begriffsbestimmung, Voraussetzungen, Rechtsfolgen und Durchführung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen normiert.
Wichtige Vorschriften umfassen:
- §§ 16-18 SGB III (vormals Arbeitsförderungsgesetz – AFG)
- Verordnung über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABMV)
- § 91f SGB III (Hinweise zu arbeitsmarktpolitischen Instrumenten)
Ziele und Funktionen der Arbeitsbeschaffung
Arbeitsbeschaffung dient mehreren gesetzlichen und sozialökonomischen Zielsetzungen:
- Sicherung und Schaffung von Dauerarbeitsplätzen
- Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt
- Förderung der Beschäftigungsfähigkeit
- Bekämpfung struktureller Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt
Darüber hinaus sollen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit beitragen und helfen, regionale Disparitäten abzubauen.
Arten und rechtliche Ausgestaltung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) nach SGB III
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach SGB III zeichnen sich durch eine öffentlich geförderte Beschäftigung aus, die zusätzlich zum normalen Arbeitsmarktangebot geschaffen wird. Eine zentrale Voraussetzung ist die Zusätzlichkeit der geschaffenen Beschäftigung, das heißt, dass die Tätigkeit ohne öffentliche Förderung nicht erfolgen würde.
Typische Bereiche:
- Umweltschutz
- Soziale Dienste
- Infrastrukturprojekte
Rechtliche Eckpunkte:
- Befristete Dauer (i.d.R. maximal 12 Monate, Verlängerung möglich)
- Anspruch auf Förderung nur bei drohender oder bestehender Arbeitslosigkeit
- Lohnkostenzuschuss oder volle Kostenübernahme durch Arbeitsverwaltung
Sonderformen der Arbeitsbeschaffung
Neben klassischen ABM existieren folgende Sonderformen mit besonderen rechtlichen Regelungen:
- Bürgerarbeit (§ 16e SGB II)
- Sozialversicherungsrechtliche Integrationshilfen
- Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE, sog. „Ein-Euro-Jobs“ nach § 16d SGB II)
Diese Instrumente verfolgen ähnliche Ziele, unterliegen jedoch in Bezug auf Zugangsvoraussetzungen, Förderhöhe und Beteiligung der Träger besonderen rechtlichen Vorgaben.
Verfahren, Antragstellung und Bewilligung
Zuständigkeit und Verfahren
Für die Durchführung und Bewilligung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind die Agenturen für Arbeit beziehungsweise die Jobcenter zuständig (§ 368 SGB III). Die Maßnahmen müssen schriftlich beantragt und vor Beginn von der zuständigen Stelle genehmigt werden.
Förderfähige Träger:
- Gemeinden und Gemeindeverbände
- Gemeinnützige Organisationen
- Sozialversicherungsträger
Bewilligungsverfahren:
- Prüfung der Zusätzlichkeit und Arbeitsmarktneutralität
- Sicherstellung der Zweckbindung der Fördermittel
- Festlegung der Förderdauer und -höhe
Rechtsanspruch und Rechtsfolgen
Ein individueller Anspruch auf Teilnahme an einer bestimmten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme besteht in der Regel nicht. Vielmehr entscheidet die zuständige Behörde im Rahmen ihres Ermessens über die Auswahl und Bewilligung. Fördermittel müssen zweckgebunden eingesetzt werden; bei zweckwidrigem Einsatz kann eine Rückforderung erfolgen.
Rechtsfolgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Arbeitsrechtliche Einordnung
Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unterliegen grundsätzlich dem allgemeinen Arbeitsrecht. Es gelten insbesondere die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes, des Arbeitszeitgesetzes, des Entgeltfortzahlungsgesetzes und der Sozialversicherungspflicht (§ 7 SGB IV).
Auswirkungen auf Sozialversicherung und Arbeitslosigkeit
Während einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sind Teilnehmende in vollem Umfang sozialversicherungspflichtig. Zeiten der Teilnahme können bei der Berechnung von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld und der Rentenversicherung angerechnet werden (§ 26 SGB III).
Besondere rechtliche Fragestellungen
Zulässigkeit und Kontrolle der Zusätzlichkeit
Die Anforderung der Zusätzlichkeit ist ein zentraler Kontrollaspekt. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme darf reguläre Arbeitsplätze nicht verdrängen oder bereits bestehende Beschäftigung substituieren. Die Bundesagentur für Arbeit ist verpflichtet, die Einhaltung dieser Vorgabe regelmäßig zu überprüfen.
Diskriminierungsverbote und Gleichbehandlung
Auch bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gelten die Grundsätze des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, Alter, Herkunft etc. sind unzulässig.
Kontrolle, Förderung und Beendigung
Kontrollmechanismen und Sanktionen
Die laufende Kontrolle obliegt neben den Arbeitsagenturen auch den Landesrechnungshöfen und der Bundesagentur für Arbeit. Im Falle von Rechtsverstößen, insbesondere bei missbräuchlicher Verwendung von Fördermitteln, drohen Rückforderungen sowie Bußgelder.
Beendigung und Nachwirkungen
Mit Ablauf der Förderphase oder der Erreichung des Förderzwecks endet die Maßnahme. Endet die Maßnahme durch Kündigung, gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen. Ein Nachteilsausgleich ist nicht vorgesehen, jedoch kann die Teilnahme an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Ansprüche auf weitere Förderleistungen (z.B. Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung) begründen.
Bedeutung und Entwicklung im Kontext des Arbeitsmarktrechts
In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung klassischer Arbeitsbeschaffung durch die Einführung neuer Instrumente (z.B. öffentlich geförderte Beschäftigung) an Gewicht verloren. Dennoch bleibt die Arbeitsbeschaffung ein zentrales Steuerungsinstrument der Arbeitsmarktpolitik, insbesondere in strukturschwachen Regionen und bei der Integration besonders benachteiligter Personengruppen.
Zukünftige Entwicklungen sind maßgeblich von der nationalen und europäischen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig.
Siehe auch
- Arbeitsförderungsrecht
- Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit (SGB II/SGB III)
- Öffentliche Förderung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen
Literatur
- Sozialgesetzbuch III (SGB III) – Arbeitsförderung
- Schmidt, Arbeitsrecht, aktuelle Auflage
- Kossens/von der Heide/Maurer, SGB II, aktuelle Auflage
Weblinks
- Bundesagentur für Arbeit – Informationen zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
- Sozialgesetzbuch (SGB) online
Dieser Artikel bietet eine umfassende rechtliche Betrachtung des Begriffs Arbeitsbeschaffung und dient als Informationsgrundlage im Rahmen eines Rechtslexikons.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Bewilligung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erfüllt sein?
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) setzen zunächst voraus, dass die zuständige Agentur für Arbeit – entsprechend den Vorgaben des Sozialgesetzbuches III (SGB III) – einen erheblichen Mangel an regulären Beschäftigungsmöglichkeiten am jeweiligen Arbeitsmarkt feststellt. Die Maßnahme muss zusätzlich geeignet sein, die Beschäftigungsfähigkeit der Teilnehmer zu fördern und ihre Chancen auf einen dauerhaften Arbeitsplatz zu verbessern. Rechtlich ist zudem erforderlich, dass die Arbeitsplätze, die im Rahmen von ABM geschaffen werden, ausschließlich zweckgebunden, also nicht dauerhaft angelegt und nicht wettbewerbsverzerrend im Vergleich zur freien Wirtschaft sind (§ 260 SGB III). Des Weiteren ist zu prüfen, ob für die Maßnahme öffentliche Mittel bereitstehen und der Träger bestimmte Zuverlässigkeits- und Leistungsanforderungen erfüllt.
Wer ist rechtlich anspruchsberechtigt für eine Teilnahme an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme?
Anspruchsberechtigt sind arbeitslose Personen, die bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet sind und für die keine zeitnahe Vermittlung in den regulären Arbeitsmarkt möglich erscheint. Der Rechtsanspruch auf eine ABM ist jedoch eingeschränkt; es besteht lediglich ein Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung der Agentur für Arbeit. Vorrangig sind insbesondere Personengruppen berücksichtigt, die erschwerte Vermittlungsvoraussetzungen aufweisen, wie etwa Langzeitarbeitslose, ältere Arbeitssuchende oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen (§ 260 Abs. 2 SGB III).
Welche arbeitsrechtlichen Regelungen gelten während einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme?
Teilnehmer an einer ABM stehen im Regelfall in einem befristeten, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zum Träger der Maßnahme. Für sie gelten die Vorschriften des Arbeitsrechts, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub sowie Kündigungsschutz. Die Vergütung richtet sich mindestens nach dem tariflichen oder ortsüblichen Entgelt vergleichbarer Tätigkeiten gemäß § 261 SGB III. Der Träger hat zudem Anzeige- und Nachweispflichten gegenüber der Agentur für Arbeit, unter anderem bezüglich Arbeitszeit, Beschäftigungsumfang und Teilnahmezeiten der geförderten Personen.
Wie werden Konflikte bezüglich der Auswahl oder Zuweisung zu einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme rechtlich geregelt?
Im Falle von Streitigkeiten über die Zuweisung steht den Betroffenen grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg offen. Rechtsgrundlage ist das Sozialgesetzbuch X (SGB X), das Verwaltungsverfahren und den Rechtsschutz regelt. Ein Widerspruch gegen einen entsprechenden Bescheid kann bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingelegt werden; bleibt dieser erfolglos, ist die Klage vor dem Sozialgericht zulässig. Die Agentur ist verpflichtet, alle Ermessensentscheidungen, insbesondere die Auswahlentscheidung, ausführlich und nachvollziehbar zu begründen.
Gibt es rechtliche Regelungen zur Dauer und zum Umfang von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen?
Die Dauer von ABM ist im SGB III klar geregelt: Grundsätzlich beschränkt sich die Förderdauer auf maximal zwölf Monate (§ 265 SGB III). In begründeten Ausnahmefällen, etwa bei besonders förderungsbedürftigen Personenkreisen, sind Verlängerungen bis zu 24 Monate möglich. Der Umfang richtet sich nach der jeweiligen Maßnahme, soll jedoch im Allgemeinen einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung entsprechen, wobei Teilzeitmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen sind. Auch der zeitliche Ablauf, Pausenzeiten und eventuelle Unterbrechungen sind im Bewilligungsbescheid und dem zwischen Träger und Teilnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag festzuhalten.
Wie ist die Finanzierung und rechtliche Überwachung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geregelt?
Die Finanzierung erfolgt durch Haushaltsmittel der Bundesagentur für Arbeit sowie gegebenenfalls ergänzend durch Landes- oder EU-Förderungen. Die Agentur für Arbeit kontrolliert sowohl die ordnungsgemäße Durchführung als auch die bestimmungsgemäße Mittelverwendung. Dazu sind regelmäßige Prüfungen, Verwendungsnachweise und gegebenenfalls Rückforderungen missbräuchlich verwendeter Mittel vorgesehen. Die datenschutzrechtlichen Vorgaben gemäß SGB X und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) müssen dabei durch den Maßnahmeträger beachtet werden.
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vorzeitig beendet werden?
Eine vorzeitige Beendigung kann sowohl durch die Agentur für Arbeit als auch durch den Träger oder den Teilnehmer selbst aus unterschiedlichen Gründen erfolgen. Rechtlich in Betracht zieht die Beendigung insbesondere dann, wenn eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt gelingt, die Bedingungen der Maßnahme nicht mehr erfüllt werden oder eine Weiterförderung aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht mehr möglich ist. In jedem Fall ist eine schriftliche Begründung notwendig, und den Betroffenen steht wiederum das Recht zu, gegen die Entscheidung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens Widerspruch und ggf. Klage zu erheben.