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Arbeitsbereitschaft

 

Begriff und Definition der Arbeitsbereitschaft

Unter Arbeitsbereitschaft versteht man im deutschen Arbeitsrecht eine spezielle Form der Arbeitszeit, während derer Arbeitnehmende sich am Arbeitsplatz aufhalten und bereit sind, auf Abruf tätig zu werden, ohne fortlaufend eine konkrete Arbeitsleistung zu erbringen. Während der Arbeitsbereitschaft müssen Arbeitnehmende unmittelbar eingreifen können, wenn es von der betrieblichen Situation verlangt wird. Arbeitsbereitschaft zählt von Gesetzes wegen grundsätzlich zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit.

Abgrenzung zu anderen Arbeitszeitformen

Arbeitszeit und Ruhezeit

Arbeitsbereitschaft ist von der eigentlichen Arbeitszeit (tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung) und von der Ruhezeit (arbeitsfreie Zeit, die der Erholung dient) abzugrenzen. Im Gegensatz zur Ruhezeit ist während der Arbeitsbereitschaft eine ständige Aufmerksamkeit und Handlungsmöglichkeit erforderlich.

Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

Bereitschaftsdienst

Der Bereitschaftsdienst unterscheidet sich dadurch von der Arbeitsbereitschaft, dass Arbeitnehmende sich zwar an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (meist der Arbeitsstelle) aufzuhalten haben, aber überwiegend eigene Tätigkeiten ausüben können. Der Umfang der geforderten Aufmerksamkeit ist hierbei geringer.

Rufbereitschaft

Rufbereitschaft liegt vor, wenn Arbeitnehmende sich außerhalb des Betriebs aufhalten und lediglich für den Fall eines Abrufs erreichbar sein müssen. Nur der tatsächliche Einsatz gilt dann als Arbeitszeit. Die Arbeitsbereitschaft ist hiervon klar zu trennen, da sie eine physische Anwesenheit und die ständige Aufnahmebereitschaft bedingt.

Regelungen im Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) enthält für die Arbeitsbereitschaft spezifische Vorschriften:

  • § 2 Abs. 1 ArbZG: Arbeitsbereitschaft zählt explizit zur Arbeitszeit.
  • § 7 ArbZG: In Tarifverträgen kann der Umfang der zulässigen Arbeitsbereitschaft und deren Anrechnung auf die Arbeitszeit abweichend geregelt werden, um Branchenbesonderheiten (beispielsweise im Pflegebereich oder bei der Feuerwehr) Rechnung zu tragen.

Höchstarbeitszeit und Pausenregelungen

Auch während der Arbeitsbereitschaft greift die Begrenzung der maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit. Ebenso müssen Arbeitspausen und Ruhezeiten eingehalten werden, sofern Arbeitsbereitschaft vorliegt.

Vergütung der Arbeitsbereitschaft

Die Vergütung der Arbeitsbereitschaft richtet sich in erster Linie nach dem jeweiligen Arbeits- oder Tarifvertrag. Da Arbeitsbereitschaft rechtlich zur Arbeitszeit zählt, ist sie grundsätzlich in vollem Umfang zu vergüten. In einzelnen Branchen haben sich hinsichtlich der Vergütungshöhe von Arbeitsbereitschaft gegenüber der Aktivtätigkeiten abweichende tarifliche Regelungen etabliert.

Tarifrechtliche Besonderheiten

Viele Branchen (z. B. Medizin, Feuerwehr, Polizei, Verkehrswesen) haben in ihren jeweiligen Tarifverträgen differenzierte Vergütungssätze für Arbeitsbereitschaft vereinbart. Die entsprechende Bewertung hängt oftmals vom Grad der Beanspruchung und den objektiven Belastungen im Einzelfall ab.

Mitbestimmungsrechte und Betriebsverfassung

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unterliegt die Einführung und Ausgestaltung von Arbeitsbereitschaft im Betrieb dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG). Dazu gehören Fragen der zeitlichen Lage, Häufigkeit und Grundsätze der Vergütung.

Arbeitsbereitschaft im öffentlichen Dienst

Im öffentlichen Dienst finden sich spezielle Regelungen zu Arbeitsbereitschaft z. B. in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (TVöD, TV-L). Diese Verträge differenzieren klar zwischen Arbeitszeit, Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft und sehen eigene Vergütungsmodelle für Phasen erhöhter oder verringerter Beanspruchung vor.

Europarechtliche Einflüsse auf die Arbeitsbereitschaft

Die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung nimmt ebenfalls Bezug auf die Arbeitsbereitschaft. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gilt alle Zeit, in der sich Arbeitnehmende auf Weisung des Arbeitgebers an einem bestimmten Ort aufzuhalten und verfügbar zu sein haben, als Arbeitszeit. Dies hat zu einer Angleichung der deutschen Rechtslage an europäische Vorgaben geführt.

Arbeitsbereitschaft und Gesundheitsschutz

Während der Arbeitsbereitschaft gelten die allgemeinen Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Arbeitgeber haben für eine angemessene Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu sorgen, etwa in Bezug auf Aufenthaltsräume, Pausenregelungen und maximale Einsatzzeiten.

Praxisbeispiele und Anwendungsfelder

Zu den typischen Branchen mit regelmäßigen Phasen der Arbeitsbereitschaft zählen:

  • Gesundheitswesen (Krankenhäuser, Pflegedienste)
  • Feuerwehr und Rettungsdienste
  • Verkehrswesen (Lokführer, Fluglotsen)
  • Energieversorgung
  • Sicherheitsdienste

Je nach Tätigkeit und Vertretung im Tarifrecht kann sich die rechtliche Behandlung und Vergütung im Einzelfall unterscheiden.

Zusammenfassung

Arbeitsbereitschaft ist im deutschen Arbeitsrecht eine klar definierte Kategorie der Arbeitszeit und wird von anderen Formen wie Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft abgegrenzt. Sie ist in vollem Umfang vergütungspflichtig, kann aber branchenspezifischen tariflichen Regelungen unterliegen. Die gesetzlichen Regelungen dienen dem Schutz der Beschäftigten und sichern sowohl Vergütung als auch Mitbestimmungsmöglichkeiten ab. Europarechtliche Vorgaben und die ständige Rechtsprechung finden in der nationalen Anwendung Berücksichtigung.


Siehe auch:

Häufig gestellte Fragen

Muss die Zeit der Arbeitsbereitschaft vergütet werden?

Im rechtlichen Kontext stellt sich häufig die Frage, ob die Arbeitsbereitschaft als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu betrachten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sowie gemäß § 611a BGB und § 2 ArbZG (Arbeitszeitgesetz) gilt die Arbeitsbereitschaft grundsätzlich als Arbeitszeit. Daraus ergibt sich, dass auch diese Zeiten zu vergüten sind, sofern im Arbeits- oder Tarifvertrag keine anderweitigen, zulässigen Regelungen getroffen wurden. Ein Lohnverzicht hinsichtlich der Arbeitsbereitschaft wäre nur gültig, wenn dies ausdrücklich und individuell vereinbart wird – hierbei wäre jedoch stets die Grenze der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB sowie das Mindestlohngesetz (MiLoG) zu beachten. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können Sonderregelungen oder Pauschalen für die Vergütung von Arbeitsbereitschaft enthalten, die mit den gesetzlichen Vorgaben im Einklang stehen müssen. In Zweifelsfällen empfiehlt sich eine genaue Prüfung der jeweiligen Vertragsgrundlagen und Tarifbestimmungen.

Wie unterscheidet sich die arbeitsrechtliche Behandlung von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst?

Die Differenzierung zwischen Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst ist für die arbeitsrechtliche Behandlung von entscheidender Bedeutung. Während bei der Arbeitsbereitschaft die Beschäftigten sich innerhalb des Betriebs aufhalten und jederzeit mit dem Beginn der Arbeit rechnen müssen – also eine ständige infrastrukturelle und physische Anwesenheit am Arbeitsplatz besteht -, wird beim Bereitschaftsdienst vorausgesetzt, dass sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (nicht zwingend im Betrieb) aufhält und bei Bedarf zur Arbeitsaufnahme verpflichtet ist. Aus arbeitsrechtlicher Sicht werden beide Formen als Arbeitszeit gewertet, sodass sie den Schutzvorschriften des Arbeitszeitgesetzes unterliegen. Allerdings gibt es Unterschiede bei der Vergütung: Bereitschaftsdienst kann in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen mit einer geringeren Vergütung angesetzt werden, da die Beanspruchung während des Bereitschaftsdienstes in der Regel geringer ausfällt als bei regulärer Arbeitszeit oder Arbeitsbereitschaft.

Zählt Arbeitsbereitschaft im Sinne des Arbeitszeitgesetzes als Arbeitszeit?

Nach § 2 Abs. 1 ArbZG wird Arbeitszeit als „die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen“ definiert. Arbeitsbereitschaft zählt hierbei eindeutig als Arbeitszeit, da der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und sich zur sofortigen Arbeitsaufnahme bereithält. Daraus ergibt sich eine umfassende Anwendbarkeit der arbeitszeitrechtlichen Schutzbestimmungen, wie die Höchstarbeitszeit, tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie Sonderregelungen für Nacht- und Schichtarbeit. Arbeitgeber müssen daher die Zeiten der Arbeitsbereitschaft bei der Berechnung der maximal zulässigen Arbeitszeiten strikt berücksichtigen und können sich bei Verstößen ordnungswidrig verhalten, was mit Bußgeldern gemäß § 22 ArbZG geahndet werden kann.

Gibt es gesetzliche Vorgaben zur maximalen Dauer der Arbeitsbereitschaft?

Das Arbeitszeitgesetz enthält keine explizite Regelung zur maximalen Dauer der Arbeitsbereitschaft. Allerdings gilt die allgemeine Regelung zur Höchstarbeitszeit gemäß § 3 ArbZG, wonach die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten darf und nur in Ausnahmefällen – bei Ausgleich innerhalb eines bestimmten Zeitraums – auf zehn Stunden täglich ausgedehnt werden kann. Arbeitsbereitschaft ist bei dieser Berechnung wie reguläre Arbeitszeit zu berücksichtigen. Außerdem sind zwingende Ruhepausen (§ 4 ArbZG) und tägliche bzw. wöchentliche Ruhezeiten (§§ 5 und 11 ArbZG) einzuhalten. Besonders in Arbeitsbereichen mit hoher Arbeitsbereitschaft – z. B. im Gesundheitswesen oder in Bereitschaftsdiensten – sind häufig tarifliche oder betriebliche Sonderregelungen zu finden, die sich jedoch immer im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen müssen.

Kann Arbeitsbereitschaft durch Zuschläge oder Sonderregelungen besonders vergütet werden?

Arbeitsbereitschaft kann durch arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Regelungen mit Zuschlägen vergütet werden. Während das Gesetz keine verpflichtenden Zuschläge für Arbeitsbereitschaft vorsieht, enthalten viele Tarifverträge Sonderzuschläge oder Pauschalen, etwa zur Abgeltung der sogenannten „Erschwernisse“ durch die ständige Abrufbereitschaft. Solche Regelungen müssen sich allerdings im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen – insbesondere des Mindestlohngesetzes – bewegen. In der Praxis ist es daher nicht ungewöhnlich, dass Zuschläge von 15 % bis 45 % des Grundlohns für Arbeitsbereitschaft vereinbart werden, insbesondere in Branchen mit regelmäßiger Notwendigkeit solcher Arbeitsformen; die genaue Ausgestaltung ist jedoch stets vom jeweiligen Tarifwerk oder der individuellen Vereinbarung abhängig.

Kann der Arbeitgeber kurzfristig Arbeitsbereitschaft anordnen?

Die Möglichkeit, kurzfristig Arbeitsbereitschaft anzuordnen, hängt von den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen sowie von der betrieblichen Übung ab. Im Grundsatz bedarf die Anordnung von Arbeitsbereitschaft einer rechtlichen Grundlage im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages. Fehlt eine entsprechende Regelung, kann der Arbeitgeber Arbeitsbereitschaft nicht einseitig anordnen. Selbst bei einer Rechtsgrundlage muss dem Arbeitnehmer regelmäßig eine angemessene Vorlaufzeit für die Anordnung eingeräumt werden, um Planungssicherheit und ggf. familiäre Verpflichtungen zu wahren. Eine dauerhafte oder ständige kurzfristige Anordnung kann zudem gegen das billige Ermessen gemäß § 106 GewO (Gewerbeordnung) verstoßen. Kommt es zu Streitigkeiten, beurteilen Arbeitsgerichte die Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit im Einzelfall.