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Arbeitnehmerhilfe


Begriff und rechtliche Grundlagen der Arbeitnehmerhilfe

Definition der Arbeitnehmerhilfe

Die Arbeitnehmerhilfe stellt eine umfassende Unterstützung für Arbeitnehmer bei der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer arbeitsrechtlichen Ansprüche und Interessen dar. Sie umfasst sämtliche Maßnahmen, die Arbeitnehmer zur Geltendmachung ihrer Rechte gegenüber dem Arbeitgeber oder Dritten, insbesondere im Zusammenhang mit Arbeitsverträgen, Kündigungen, Abmahnungen, Lohnforderungen sowie im Rahmen kollektiver arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen in Anspruch nehmen können.

Historische Entwicklung der Arbeitnehmerhilfe

Die historischen Wurzeln der Arbeitnehmerhilfe sind eng mit der Entwicklung des Arbeitsrechts und der Arbeiterbewegung im 19. und 20. Jahrhundert verbunden. Frühe Formen der Arbeitnehmerhilfe wurden durch Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände organisiert, um die Rechte der Beschäftigten zu stärken. Im Laufe der Zeit wurden gesetzliche Grundlagen geschaffen, die eine institutionalisierte Unterstützung für Arbeitnehmer vorsehen.

Formen und Inhalte der Arbeitnehmerhilfe

Rechtliche Beratung und Vertretung

Zu den zentralen Elementen der Arbeitnehmerhilfe gehört die Beratung von Arbeitnehmern über arbeitsrechtliche Fragestellungen. Dies beinhaltet unter anderem:

  • Klärung von Fragen zum Arbeitsvertrag
  • Unterstützung bei der Ausgestaltung und Prüfung arbeitsvertraglicher Regelungen
  • Beratung zu Lohn- und Gehaltsforderungen
  • Unterstützung bei der Einhaltung und Durchsetzung von Schutzrechten, wie Mutterschutz, Elternzeit und Arbeitsschutz
  • Rechtliche Vertretung im außergerichtlichen sowie gerichtlichen Verfahren, insbesondere vor den Arbeitsgerichten

Unterstützung bei individuellen arbeitsrechtlichen Konflikten

Arbeitnehmerhilfe bezieht sich auch auf die Streitbeilegung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, beispielsweise bei:

  • Kündigungsschutzklagen
  • Abmahnungen und deren Beseitigung
  • Geltendmachung offener Vergütungsansprüche
  • Urlaubsansprüchen und deren Durchsetzung
  • Zeugnisstreitigkeiten
  • Streitigkeiten im Zusammenhang mit Befristung und Teilzeitarbeit

Beteiligung an kollektiven Verfahren

Im kollektiven Arbeitsrecht umfasst die Arbeitnehmerhilfe insbesondere die Unterstützung bei:

  • Tarifverhandlungen und Tarifvertragsauslegung
  • Auseinandersetzungen über Betriebsvereinbarungen
  • Wahl und Tätigkeit von Betriebsräten sowie der Mitwirkung an der Beschlussfassung
  • Beteiligung an Einigungsstellenverfahren

Gesetzliche Grundlagen der Arbeitnehmerhilfe in Deutschland

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Das Betriebsverfassungsgesetz sieht zahlreiche Beteiligungs- und Mitspracherechte für Arbeitnehmervertreter vor. Es legt die Grundlage für die institutionalisierte Arbeitnehmerhilfe durch Arbeitnehmervertretungen im Betrieb. Die Unterstützung von Arbeitnehmern durch die Betriebsräte, insbesondere bei Konflikten mit dem Arbeitgeber, ist gesetzlich geregelt (§ 80, § 85, § 86 BetrVG).

Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

Das Kündigungsschutzgesetz bietet rechtliche Grundlagen für den Schutz der Arbeitnehmer vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen und sieht gleichzeitig vor, dass Arbeitnehmer Hilfe in Anspruch nehmen können, um sich gegen Kündigungen zu wehren (z.B. durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage).

Weitere relevante Gesetze

Weitere zentrale Rechtsquellen für die Arbeitnehmerhilfe sind unter anderem:

  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Schutz vor Diskriminierung
  • Mutterschutzgesetz (MuSchG) und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG): Schutz bei Schwangerschaft und Elternschaft
  • Nachweisgesetz (NachwG): Anspruch auf arbeitsvertragliche Angaben
  • Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
  • Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG): Regelungen zu Arbeitszeit und Befristung
  • Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG): Regelungen über das gerichtliche Verfahren

Institutionen und Organisationen im Bereich der Arbeitnehmerhilfe

Gewerkschaften

Gewerkschaften gehören zu den bedeutendsten Organisationen, die Arbeitnehmerhilfe bereitstellen. Sie leisten nicht nur Beratung und Vertretung ihrer Mitglieder in arbeitsrechtlichen Fragen, sondern unterstützen auch bei Tarifverhandlungen und Grundsatzverfahren des Arbeitsrechts.

Betriebs- und Personalräte

Betriebsräte im privaten Sektor und Personalräte im öffentlichen Dienst spielen eine wichtige Rolle bei der Information, Beratung und Unterstützung von Arbeitnehmern bei arbeitsrechtlichen Anliegen im Betrieb.

Öffentliche Stellen und Beratungsdienste

Auch staatliche und öffentlich-rechtliche Einrichtungen, wie Arbeitsagenturen, Integrationsämter oder Antidiskriminierungsstellen, bieten Unterstützung und Hilfestellungen für Arbeitnehmer bei arbeitsrechtlichen Fragen.

Finanzierung der Arbeitnehmerhilfe

Die Finanzierung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:

  • Mitgliedsbeiträge: bei Inanspruchnahme von Unterstützung durch Arbeitnehmervertretungen oder Interessenverbände
  • Kostenübernahme durch Arbeitgeber: beispielsweise im Rahmen der mandatsbezogenen Tätigkeit von Betriebsräten
  • Öffentliche Mittel: insbesondere bei Beratungsangeboten der Bundesagentur für Arbeit oder kommunaler Stellen
  • Kostenübernahme im Rahmen der Prozesskostenhilfe: bei gerichtlichen Verfahren, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind

Bedeutung der Arbeitnehmerhilfe im betrieblichen Alltag

Die Arbeitnehmerhilfe ist ein zentrales Element zur Wahrung des sozialen Friedens und zur Sicherung fairer Arbeitsbedingungen. Sie trägt maßgeblich dazu bei, individuelle Rechte durchzusetzen, Diskriminierung zu verhindern und Chancengleichheit zu fördern. Darüber hinaus stellt sie ein bedeutendes Korrektiv im Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dar.

Arbeitnehmerhilfe im internationalen Vergleich

Im internationalen Kontext zeigt sich, dass die Ausgestaltung der Arbeitnehmerhilfe stark von arbeitsrechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten im jeweiligen Land abhängt. Während in Deutschland die Mitbestimmung und der individuelle Rechtsschutz besonders ausgeprägt sind, verfügen andere Staaten teilweise über weniger umfassende Systeme der kollektiven und individuellen Unterstützung.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Arbeitsrecht – Gesetze und Erläuterungen“
  • Bundesarbeitsgericht: Entscheidungen zum Arbeitsrecht
  • Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände: Informationen zur Arbeitnehmerhilfe
  • Betriebsverfassungsgesetz, Kündigungsschutzgesetz, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (Gesetzestexte)

Hinweis: Für die korrekte Anwendung, Inanspruchnahme und Durchsetzung von Arbeitnehmerhilfe ist stets einzelfallbezogen zu prüfen, welche Unterstützungsleistungen zur Verfügung stehen und welche rechtlichen Schritte im konkreten Fall angezeigt sind.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Möglichkeiten hat ein Arbeitnehmer bei einer ungerechtfertigten Kündigung?

Wird einem Arbeitnehmer gekündigt und hält er die Kündigung für ungerechtfertigt, stehen ihm mehrere rechtliche Mittel zur Verfügung. Zunächst hat der Arbeitnehmer gemäß § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) das Recht, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht zu erheben. In diesem Verfahren prüft das Gericht, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist und ob formelle sowie materielle Voraussetzungen (z.B. Betriebszugehörigkeit, ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats, Schriftform der Kündigung) eingehalten wurden. Weist das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung nach, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen. Alternativ kann es im Prozess auch zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder eines gerichtlichen Vergleichs kommen, häufig verbunden mit einer Abfindungszahlung. Der Arbeitnehmer kann sich zudem durch den Betriebsrat unterstützen lassen, der über seine Beteiligungsrechte (§ 102 BetrVG) ggf. Einfluss auf die Kündigung nehmen kann. Erfolgt die Kündigung während einer Schwangerschaft, Elternzeit oder aufgrund einer Schwerbehinderung, genießen Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz; eine Kündigung ist dann nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen und mit behördlicher Zustimmung zulässig.

Welche Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bestehen für Arbeitnehmer und wie erfolgt die Durchsetzung?

Nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber im Falle einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit – allerdings nur für maximal sechs Wochen je Krankheitsfall. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis mindestens vier Wochen ununterbrochen besteht und die Krankheit die alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit ist. Schließlich muss der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitteilen sowie spätestens am dritten Tag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Wird die Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber verweigert, kann der Arbeitnehmer den Arbeitslohn einklagen, was in der Regel beim zuständigen Arbeitsgericht im Wege einer Zahlungsklage erfolgt. Zusätzlich kann eine Meldung bei der zuständigen Krankenkasse ratsam sein, die nach Ablauf der sechs Wochen ggf. Krankengeld zahlt und den Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber überprüfen kann.

Wie können sich Arbeitnehmer gegen eine Versetzung oder Änderungskündigung rechtlich wehren?

Der Arbeitgeber ist häufig berechtigt, im Rahmen seines Weisungsrechts (§ 106 Gewerbeordnung) Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsinhalt zu bestimmen – jedoch nur, sofern diese nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung konkret geregelt sind. Wird der Arbeitnehmer jedoch von einer erheblichen Änderung der Arbeitsbedingungen betroffen, spricht man von einer sogenannten Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt annehmen und gleichzeitig innerhalb von drei Wochen eine Änderungsschutzklage erheben, damit das Arbeitsgericht die sozialen Rechtfertigungsgründe für die Änderung überprüft. Bei unzumutbaren oder willkürlichen Versetzungen oder Weisungen kann unmittelbar eine Feststellungsklage zur Unwirksamkeit der Maßnahme eingereicht werden. Zudem ist bei Betriebsratsbeteiligung die Mitbestimmung nach § 99 BetrVG zu beachten.

Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf Abfindung und wie wird diese berechnet?

Ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung besteht nur in Ausnahmefällen, etwa nach § 1a KSchG, wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben ausdrücklich eine Abfindung für den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage anbietet oder im Rahmen des Sozialplans (§ 112 BetrVG) bei Betriebsänderungen im Unternehmen. Die Höhe der Abfindung ist gesetzlich nicht genau geregelt, wird aber häufig nach der Formel „halbes bis ganzes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr“ bemessen. Abfindungen können auch im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs oder durch individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehandelt werden. In jedem Fall empfiehlt sich eine rechtliche Beratung, um den individuell optimalen Abfindungsbetrag auszuhandeln und eventuelle Steuerfallen zu beachten.

Welche Rechte stehen Arbeitnehmern bei Mobbing am Arbeitsplatz zu?

Arbeitnehmer sind durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie weitere zivilrechtliche Schutzvorschriften vor Diskriminierung und Mobbing am Arbeitsplatz geschützt. Arbeitgeber sind nach § 241 Abs. 2 BGB zur Fürsorge verpflichtet und müssen geeignete Maßnahmen ergreifen, um Mobbing zu unterbinden. Betroffene Arbeitnehmer sollten Vorfälle dokumentieren, den Arbeitgeber bzw. den Vorgesetzten oder den Betriebsrat informieren und auf Abhilfe drängen. Kommt der Arbeitgeber seiner Schutzpflicht nicht nach, haben Betroffene Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld (§ 15 AGG). Darüber hinaus können sie bei massiven Störungen des Arbeitsverhältnisses ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung geltend machen oder eine außerordentliche Kündigung erklären. Die Einzelheiten der rechtlichen Durchsetzung hängen jeweils vom Einzelfall ab und können weitere arbeitsrechtliche Schritte, z.B. Klagen auf Beseitigung oder Unterlassung, umfassen.

Was muss bei der Geltendmachung von Urlaubsansprüchen beachtet werden?

Der gesetzliche Mindesturlaub ist in §§ 1 ff. Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt und beträgt mindestens 24 Werktage pro Kalenderjahr auf Basis einer Sechs-Tage-Woche. Nicht genommener Urlaub verfällt grundsätzlich am Jahresende, kann jedoch ins Folgejahr übertragen werden, wenn dringende betriebliche oder persönliche Gründe (etwa Krankheit) vorliegen; spätestens zum 31. März des Folgejahres muss er dann genommen werden. Für die Geltendmachung von Urlaub genügt in der Regel ein Antrag an den Arbeitgeber. Wird der Urlaub unberechtigt verweigert oder nicht korrekt gewährt, kann der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch vor dem Arbeitsgericht gerichtlich durchsetzen. Besonderheiten gelten im Kündigungsfall: Endet das Arbeitsverhältnis, sind offene Urlaubsansprüche abzugelten (Urlaubsabgeltung), ebenfalls einklagbar. Zu beachten sind individuelle Ausschlussfristen etwa aus Tarif- oder Arbeitsverträgen, die oft eine kurze Geltendmachung verlangen.

Wie kann sich ein Arbeitnehmer gegen schlechte Arbeitszeugnisse rechtlich zur Wehr setzen?

Zunächst hat jeder Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 109 GewO Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Dieses muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Beschäftigung enthalten (einfaches Zeugnis), auf Verlangen auch zu Leistung und Verhalten (qualifiziertes Zeugnis). Ist das Zeugnis inhaltlich unrichtig, missverständlich oder enthält es versteckte negative Formulierungen, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass das Arbeitszeugnis berichtigt und wohlwollend formuliert wird. Ein entsprechender Anspruch kann im Klageweg beim Arbeitsgericht durchgesetzt werden. Die Rechtsprechung stellt hierbei hohe Anforderungen an eine wohlwollende und wahrheitsgemäße Beurteilung, wobei bei Streitigkeiten zunächst der Arbeitnehmer einen Korrekturanspruch (Berichtigungsklage) geltend machen muss; der Arbeitgeber muss die negativen Bewertungen, sofern sie in das Zeugnis aufgenommen sind, im Zweifel beweisen können. Fristen sind bei der Geltendmachung, insbesondere vertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen, zu beachten.