Arbeitnehmerähnliche Personen
Arbeitnehmerähnliche Personen stellen im deutschen Arbeitsrecht eine Gruppe von Erwerbstätigen dar, die arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer gelten, jedoch wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit und persönlichen Schutzbedürftigkeit in bestimmten Bereichen dem Arbeitnehmerstatus angenähert sind. Der Status als arbeitnehmerähnliche Person ist insbesondere im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts, im Sozialrecht sowie im Bereich des Kündigungsschutzes von Bedeutung und wurde zur Schließung der Schutzlücke zwischen selbstständiger Tätigkeit und Arbeitnehmerverhältnis entwickelt.
Begriffsbestimmung und Abgrenzung
Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person
Arbeitnehmerähnliche Personen sind solche, die aufgrund ihrer Tätigkeit für einen Auftraggeber wirtschaftlich abhängig und einem Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit ähnlich sind, ohne jedoch im klassischen Sinne weisungsgebunden und organisatorisch in einen Betrieb eingegliedert zu sein. Sie üben ihre Tätigkeit grundsätzlich selbstständig aus, unterliegen aber in Bezug auf Umfang, Art und Zeit der Leistungen einem gewissen Grad an Fremdbestimmtheit oder stehen zumindest wirtschaftlich in einem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis.
Abgrenzung zu anderen Erwerbstätigen
- Arbeitnehmer: Arbeitnehmer zeichnen sich durch persönliche Abhängigkeit, Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers und Weisungsgebundenheit aus.
- Selbstständige: Vollständig selbstständig Tätige sind organisatorisch unabhängig, tragen ein unternehmerisches Risiko und unterliegen keiner Weisungsbefugnis.
- Arbeitnehmerähnliche Personen: Diese nehmen eine Zwischenstellung ein. Im Vergleich zum Arbeitnehmer sind sie weniger stark in den Betrieb eingegliedert und genießen größere Handlungsfreiheit, sind aber – anders als vollkommen Selbstständige – wirtschaftlich auf einen oder wenige Auftraggeber angewiesen.
Rechtliche Grundlagen
Arbeitsrecht
Im Arbeitsrecht ist der Begriff der arbeitnehmerähnlichen Personen vor allem im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts und des Kündigungsschutzes relevant. Wichtige rechtliche Grundlagen ergeben sich vor allem aus dem § 5 Abs. 1 S. 2 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) sowie entsprechenden Vorschriften im Tarifvertragsgesetz (TVG).
Betriebsverfassungsgesetz:
Arbeitnehmerähnliche Personen werden im Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich in die betriebliche Mitbestimmung einbezogen, sofern sie überwiegend für einen Auftraggeber tätig sind.
Tarifvertragsrecht:
Auch im Tarifvertragsgesetz werden arbeitnehmerähnliche Personen dem Arbeitnehmerbegriff gleichgestellt, sofern dies durch Tarifvertrag geregelt ist und bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
Sozialrecht
Im Sozialversicherungsrecht gilt für arbeitnehmerähnliche Personen grundsätzlich keine automatische Versicherungspflicht wie für Arbeitnehmer. Allerdings gibt es Ausnahmen, beispielsweise für bestimmte Gruppen wie Künstler und Publizisten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
Künstlersozialversicherung:
Arbeitnehmerähnliche Künstler und Publizisten werden der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht unterstellt, um die soziale Absicherung dieser oft wirtschaftlich abhängigen Gruppe zu gewährleisten.
Kündigungsschutzrecht
Nach dem § 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) können arbeitnehmerähnliche Personen unter bestimmten Voraussetzungen durch tarifvertragliche Regelung in den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes aufgenommen werden.
Mutterschutz und Elternzeit
Gesetzliche Schutzrechte wie Mutterschutz und Elternzeit gelten grundsätzlich nicht für arbeitnehmerähnliche Personen, können aber in bestimmten Berufszweigen über Tarifverträge vereinbart werden.
Voraussetzungen für die Einstufung als arbeitnehmerähnliche Person
Wirtschaftliche Abhängigkeit
Kernmerkmal ist die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Auftraggeber. Nach der Rechtsprechung liegt diese Abhängigkeit insbesondere dann vor, wenn der Erwerbstätige regelmäßig mindestens 50 % seines Einkommens von einem bestimmten Auftraggeber bezieht.
Schutzbedürftigkeit
Die betreffende Person muss sozial schutzwürdig, insbesondere sozial weniger leistungsfähig sein als rein selbstständige Unternehmer. Schutzwürdigkeit kann sich aus fehlender unternehmerischer Ausstattung oder aus einer fehlenden wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit ergeben.
Grad der persönlichen Abhängigkeit
Es besteht keine vollständige persönliche Abhängigkeit im Hinblick auf Weisungen, jedoch sind gewisse Vorgaben in Bezug auf Zeit, Ort oder Art der Leistung üblich.
Keine Eingliederung in den Betrieb
Eine vollständige Eingliederung in die betriebliche Organisation wie bei Arbeitnehmern ist nicht gegeben. Die Tätigkeit erfolgt selbstständig unter Nutzung eigener Betriebsmittel.
Typische Beispiele arbeitnehmerähnlicher Personen
Zu den arbeitnehmerähnlichen Personen werden u. a. folgende Gruppen gezählt:
- Freie Mitarbeiter, insbesondere im Medienbereich (Journalisten, Programmierer)
- Berater, die dauerhaft für ein Unternehmen tätig sind, ohne in dieses eingegliedert zu sein
- Künstler und Publizisten, die ihre Einkünfte überwiegend von einem Auftraggeber beziehen
Rechte und Pflichten arbeitnehmerähnlicher Personen
Rechte
Arbeitnehmerähnliche Personen profitieren insbesondere in folgenden Bereichen von einem erhöhten Schutz:
- Mitbestimmung: Teilnahme an den Regelungen der betrieblichen Mitbestimmung durch den Betriebsrat
- Tarifrecht: Einbeziehung in tarifvertragliche Schutzmechanismen
- Sozialrecht: Teilnahme an speziellen sozialen Sicherungssystemen, z. B. Künstlersozialkasse
Pflichten
- Selbstständige Organisation ihrer Arbeitsmittel und der Arbeitszeiteinteilung
- Eigenverantwortung hinsichtlich der Steuerpflicht und Vorsorge (außer, wenn eine Sonderregelung wie im KSVG greift)
Rechtsprechung und aktuelle Entwicklungen
Die Einstufung als arbeitnehmerähnliche Person ist stark durch die Rechtsprechung geprägt. Insbesondere das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat Kriterien entwickelt, nach denen eine solche Abhängigkeit festgestellt wird. Die rechtliche Dynamik dieses Status führt zu regelmäßigen Anpassungen, z. B. durch Änderungen in der Gesetzgebung oder durch die Anpassung bestehender Tarife.
Mit Blick auf neue Arbeitsformen durch Digitalisierung und Plattformarbeit wird diskutiert, inwieweit auch Solo-Selbstständige mit ausschließlicher Bindung an Plattformen als arbeitnehmerähnliche Personen einbezogen werden sollen.
Abgrenzung zur Scheinselbstständigkeit
Die Abgrenzung zwischen arbeitnehmerähnlicher Person und Scheinselbstständigkeit ist mitunter schwierig, da beide Gruppen wirtschaftlich abhängig sind. Scheinselbstständigkeit liegt jedoch vor, wenn ein Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnis als Selbstständigkeit verschleiert wird, um den Arbeitnehmerschutz zu umgehen. Arbeitnehmerähnliche Personen üben ihre Tätigkeit hingegen tatsächlich selbstständig aus, sind aber dennoch schutzbedürftig.
Bedeutung in der Praxis
In der Praxis stellt die Einordnung als arbeitnehmerähnliche Person ein wichtiges Instrument dar, um bestimmte Formen der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu schützen, ohne die Flexibilität selbstständiger Tätigkeiten pauschal zu beschneiden. Die Rolle arbeitnehmerähnlicher Personen gewinnt insbesondere im Zuge der Digitalisierung und der Verbreitung freier Mitarbeit weiter an Bedeutung.
Literatur
- ErfK/Preis, § 5 BetrVG, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz
- Fiebig/Gallner, Arbeitsrecht, Lehrbuch
- Bundesarbeitsgericht, Entscheidungen zur arbeitnehmerähnlichen Person
Weblinks
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Informationen zu arbeitnehmerähnlichen Personen
- Künstlersozialkasse: Informationen für arbeitnehmerähnliche Künstler und Publizisten
Häufig gestellte Fragen
Welche Besonderheiten gelten bei der Kündigung von arbeitnehmerähnlichen Personen?
Arbeitnehmerähnliche Personen genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der sich jedoch vom klassischen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer unterscheidet. Während das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) grundsätzlich nicht auf arbeitnehmerähnliche Personen Anwendung findet, können sie eine Kündigung dennoch aus sozialethischen Gründen anfechten, sofern die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verletzt werden. Die Kündigung kann insbesondere dann unwirksam sein, wenn sie als willkürlich, diskriminierend oder aus Rachemotiven erfolgt. In einigen Tarifverträgen ist zusätzlich ein vertraglicher Kündigungsschutz geregelt, der auch für arbeitnehmerähnliche Personen gelten kann. Weiterhin sind für bestimmte Gruppen, wie Heimarbeiter, gesonderte Schutzvorschriften zu beachten, etwa die Pflicht zur vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers oder die Einhaltung von Mindestkündigungsfristen gemäß Heimarbeitsgesetz (HAG). Zudem müssen Schutzvorschriften aus dem Mutterschutzgesetz, dem Bundesurlaubsgesetz oder Schwerbehindertenrecht im Einzelfall beachtet werden, wenn diese explizit für arbeitnehmerähnliche Personen gelten.
Inwiefern haben arbeitnehmerähnliche Personen Anspruch auf Urlaub?
Arbeitnehmerähnliche Personen haben in der Regel Anspruch auf Erholungsurlaub, jedoch unterscheidet sich die Anspruchsgrundlage vom gewöhnlichen Arbeitsverhältnis. Maßgeblich ist § 2 Satz 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), der den Urlaubsanspruch auch auf arbeitnehmerähnliche Personen ausweitet, sofern diese wirtschaftlich abhängig sind und ihre Arbeitsleistung im Wesentlichen allein erbringen. Die Berechnung des Urlaubs richtet sich dabei grundsätzlich nach den vertraglichen oder tariflichen Regelungen. Gibt es hierzu keine ausdrücklichen Vereinbarungen, ist analog das Bundesurlaubsgesetz heranzuziehen, sodass pro Kalenderjahr ein Mindestanspruch auf 24 Werktage Urlaub bei einer Sechs-Tage-Woche besteht. Besonderheiten gibt es bei der Lage und Gewährung des Urlaubs, welche vom Einzelfall und der Art der Tätigkeit abhängen und häufig individuell zwischen den Parteien verhandelt werden.
Sind arbeitnehmerähnliche Personen gesetzlich rentenversicherungspflichtig?
Ja, arbeitnehmerähnliche Personen unterliegen in der Regel der Rentenversicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Es handelt sich hierbei insbesondere um Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit wirtschaftlich abhängig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Die Beitragspflicht betrifft dabei vor allem so genannte Selbständige mit nur einem Auftraggeber, die keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Diese Personen müssen sich bei der Deutschen Rentenversicherung melden und unterliegen der Beitragspflicht, sofern keine Ausnahmetatbestände (wie z.B. Freiberufler bestimmter Gruppen) bestehen. Die Höhe der Beiträge orientiert sich am erzielten Arbeitseinkommen, wobei die Beitragsbemessungsgrenze zu beachten ist.
Welche Mitbestimmungsrechte haben arbeitnehmerähnliche Personen im Betrieb?
Arbeitnehmerähnliche Personen können unter bestimmten Voraussetzungen in betriebliche Mitbestimmungsstrukturen einbezogen werden. Nach § 5 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gilt: Arbeitnehmerähnliche Personen sind keine Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG, können aber ausdrücklich dann vom Betriebsrat vertreten werden, wenn dies in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag vorgesehen ist. In einigen Branchen – insbesondere bei Rundfunk, Medien und künstlerischen Tätigkeiten – umfassen die einschlägigen Tarifverträge auch Mitbestimmungsrechte für arbeitnehmerähnliche Personen. Auch das Sprecherausschussgesetz (SprAuG) zur Vertretung von arbeitnehmerähnlichen Personen im Rundfunk erkennt gewisse Mitbestimmungsrechte an. In der Praxis ist die tatsächliche Einbindung jedoch oft auf beratende oder informatorische Rechte beschränkt.
Unterliegen arbeitnehmerähnliche Personen dem Arbeitszeitgesetz?
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) findet grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung auf arbeitnehmerähnliche Personen, da diese rechtlich nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes gelten. Dennoch bestehen in Teilbereichen branchenspezifische Schutzvorschriften, etwa durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, die vergleichbaren Gesundheitsschutz und Arbeitszeitregelungen für arbeitnehmerähnliche Personen vorsehen können. Im Rahmen von § 2 Abs. 2 Heimarbeitsgesetz (HAG) werden beispielsweise für Heimarbeiter und gleichgestellte arbeitnehmerähnliche Personen besondere Regelungen zur Arbeitszeit und zum Arbeitsschutz etabliert. Insoweit sind die konkreten Regelungen vom Einzelfall und der jeweiligen Tätigkeit abhängig.
Welche sozialrechtlichen Absicherungen bestehen für arbeitnehmerähnliche Personen im Krankheitsfall?
Arbeitnehmerähnliche Personen sind – sofern sie als Selbständige gelten – nicht automatisch in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, sondern müssen sich in der Regel freiwillig oder privat versichern. Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) besteht grundsätzlich nicht; sie können allerdings als Selbständige Anspruch auf Krankengeld durch eine Wahlerklärung gegenüber ihrer Krankenversicherung erwerben (sog. Wahltarif). In Einzelfällen, etwa wenn sie sich in einem arbeitnehmerähnlichen, aber sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befinden (z.B. bestimmte Journalisten), können weitergehende Ansprüche aus Tarifverträgen oder spezialgesetzlichen Regelungen bestehen. Für Heimarbeiter gilt § 9 HAG, wonach sie im Krankheitsfall Anspruch auf ein Krankengeld besitzen, das über eine Umlagefinanzierung sichergestellt wird.
Inwieweit gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für arbeitnehmerähnliche Personen?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bezieht arbeitnehmerähnliche Personen ausdrücklich in seinen Anwendungsbereich ein (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 AGG). Diskriminierungsschutz nach dem AGG gilt daher auch für Personen, die wegen wirtschaftlicher Abhängigkeit vergleichbar schutzwürdig sind wie Arbeitnehmer, also insbesondere arbeitnehmerähnliche Personen nach § 12a Tarifvertragsgesetz (TVG). Diese können sich bei Benachteiligungen wegen Geschlecht, Rasse, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität ebenso auf die Regelungen des AGG berufen und Unterlassungs-, Beseitigungs- sowie gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen. Gerichte haben die Schutzrechte in der Vergangenheit konsequent auch auf arbeitnehmerähnliche Personen ausgedehnt.