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Arbeitnehmerähnliche Personen

Arbeitnehmerähnliche Personen – Begriff, Bedeutung und Einordnung

Arbeitnehmerähnliche Personen sind Personen, die ihre Leistungen eigenverantwortlich und in der Regel als Selbständige erbringen, jedoch wirtschaftlich in besonderem Maße von einem Auftraggeber abhängig sind und deshalb in Teilen des Arbeitslebens eines besonderen Schutzes bedürfen. Sie stehen nicht in einem klassischen Arbeitsverhältnis, unterliegen keinen persönlichen Weisungen wie Beschäftigte und sind nicht in die Arbeitsorganisation eines Unternehmens eingegliedert. Gleichwohl ist ihre wirtschaftliche Stellung derjenigen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angenähert, weil sie typischerweise einen wesentlichen Teil ihres Einkommens aus einem einzelnen Auftragsverhältnis beziehen.

Diese Einordnung hat im deutschen Recht praktische Konsequenzen: Arbeitnehmerähnliche Personen erhalten in bestimmten Bereichen Schutzrechte, die über die allgemeinen Regeln für reine Selbständige hinausgehen, ohne dass alle Regelungen des Arbeitsrechts Anwendung finden. Typische Beispiele finden sich in der Kultur- und Medienbranche, bei Lehr- und Schulungstätigkeiten, im Vertrieb oder bei langfristigen projektbasierten Tätigkeiten.

Abgrenzung zu verwandten Statusformen

Arbeitnehmer

Arbeitnehmer sind persönlich abhängig. Sie sind weisungsgebunden, in die betriebliche Organisation eingegliedert, nutzen in der Regel Betriebsmittel des Arbeitgebers und arbeiten nach dessen Zeit- und Ortvorgaben. Für sie gilt das volle arbeitsrechtliche Schutzsystem, etwa mit Regelungen zu Arbeitszeit, Entgeltfortzahlung, Kündigungsschutz, Mitbestimmung und weiteren Schutzstandards.

Selbständige und wirtschaftlich abhängige Selbständige

Selbständige tragen das unternehmerische Risiko, gestalten Tätigkeit, Zeit und Ort grundsätzlich frei und treten am Markt mit mehreren Auftraggebern auf. Wirtschaftlich abhängige Selbständige sind eine Untergruppe, die überwiegend für einen Auftraggeber tätig ist. Dieser sozialversicherungsrechtliche Begriff überschneidet sich in der Sache mit arbeitnehmerähnlichen Personen, betrifft jedoch primär die Frage, ob und inwieweit Versicherungspflichten bestehen. Der Status „arbeitnehmerähnlich“ beschreibt demgegenüber vor allem die arbeitsrechtliche Schutzbedürftigkeit.

Scheinselbstständigkeit

Bei Scheinselbstständigkeit liegt der Schein einer selbständigen Tätigkeit vor, tatsächlich besteht jedoch persönliche Abhängigkeit wie in einem Arbeitsverhältnis. Die Folge kann die Umqualifizierung zum Arbeitnehmerstatus mit allen arbeits- und sozialrechtlichen Konsequenzen sein. Arbeitnehmerähnliche Personen sind demgegenüber echte Selbständige, deren Unabhängigkeit in der Organisation erhalten bleibt; ihre besondere Stellung ergibt sich allein aus wirtschaftlicher Abhängigkeit und Schutzbedürfnis.

Rechtliche Merkmale und Beurteilungskriterien

Persönliche Unabhängigkeit

Arbeitnehmerähnliche Personen bestimmen grundsätzlich selbst, wie, wann und wo sie ihre Leistungen erbringen. Sie unterliegen keinen detaillierten Weisungen, sind organisatorisch nicht in den Betrieb eingegliedert und nutzen häufig eigene Arbeitsmittel. Vertragsbeziehungen sind als freie Dienst- oder Werkleistungen ausgestaltet.

Wirtschaftliche Abhängigkeit

Prägend ist, dass die Einkünfte im Wesentlichen von einem Auftraggeber stammen oder die Person in anderer Weise in besonderem Maße auf diese Geschäftsbeziehung angewiesen ist. Dies kann sich aus einer dauerhaften Bindung, aus regelmäßigen, überwiegenden Umsätzen mit einem Auftraggeber oder aus einer geringen Verhandlungsmacht ergeben. Die wirtschaftliche Abhängigkeit kann schwanken; entscheidend ist die Gesamtbetrachtung.

Soziale Schutzbedürftigkeit

Aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit können Risiken entstehen, die denen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ähneln, etwa in Bezug auf Ausfallzeiten, Vergütungsregelungen oder Beendigung der Zusammenarbeit. Daraus leitet sich die Notwendigkeit ab, bestimmte Schutzinstrumente auf diese Personengruppe zu erstrecken.

Typische Indizien

  • Langfristige, regelmäßige Tätigkeit überwiegend für einen Auftraggeber
  • Vergütung laufend nach Zeit oder Einsatz, nicht allein nach einem abgeschlossenen Werk
  • Geschäftliche und zeitliche Dispositionen, die faktisch an die Abläufe des Auftraggebers anknüpfen
  • Fehlende oder nur geringe eigene Marktpräsenz gegenüber weiteren Auftraggebern
  • Keine Eingliederung in den Betrieb und keine persönlichen Weisungen trotz enger Zusammenarbeit

Rechte und Pflichten arbeitnehmerähnlicher Personen

Vertragsgrundlage und Vergütung

Die Zusammenarbeit basiert in der Regel auf freien Dienst- oder Werkverträgen. Die Vergütung erfolgt als Honorar. Abrechnung, Fälligkeit und Nebenleistungen richten sich nach der vertraglichen Vereinbarung und den allgemeinen Regeln des Zivilrechts. Lohnsteuerabzug und typische Arbeitgeberabgaben finden nicht statt; die Honorarabrechnung erfolgt eigenständig.

Urlaub und Ruhezeiten

Arbeitnehmerähnliche Personen haben einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Die Dauer und die Berechnung orientieren sich an den allgemeinen Grundsätzen, passen sich aber den Besonderheiten freier Mitarbeit an, etwa bei unregelmäßigen Einsätzen oder projektbezogenen Leistungen. Regelungen zur Arbeitszeit von Beschäftigten gelten regelmäßig nicht unmittelbar; die Arbeitszeiteinteilung erfolgt eigenverantwortlich.

Kündigung und Beendigung

Ein allgemeiner Kündigungsschutz wie in Arbeitsverhältnissen besteht nicht. Beendigungsmodalitäten ergeben sich aus dem Vertrag und den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Vereinbarte Kündigungsfristen, Kündigung aus wichtigem Grund und Ausgleichsansprüche sind typische Themen. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht nicht.

Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz

Arbeitnehmerähnliche Personen unterfallen dem berufsbezogenen Diskriminierungsschutz. Benachteiligungen aus Gründen, die das Diskriminierungsrecht erfasst, sind unzulässig. Dies umfasst insbesondere den Zugang zu Aufträgen, Vertragsbedingungen und den Umgang im Rahmen der Zusammenarbeit.

Zugangsrechte zur Arbeitsgerichtsbarkeit

Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen arbeitnehmerähnlichen Personen und ihren Auftraggebern werden vor den Arbeitsgerichten verhandelt. Dies erleichtert die Durchsetzung typischer Ansprüche wie Honorar- oder Urlaubsansprüche.

Teilnahme an Tarifverträgen und kollektive Regelungen

Für arbeitnehmerähnliche Personen können eigene kollektive Regelungen entwickelt werden. Gewerkschaften können Tarifverträge abschließen, die etwa Vergütungsstrukturen, Mindestbedingungen oder Urlaubsregelungen festlegen. Eine betriebliche Mitbestimmung durch Betriebsräte besteht für diese Personengruppe in der Regel nicht.

Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Einordnung

Steuerlich werden arbeitnehmerähnliche Personen grundsätzlich wie Selbständige behandelt. Sozialversicherungsrechtlich besteht keine automatische Einstufung wie bei Beschäftigten. Für bestimmte Gruppen wirtschaftlich abhängiger Selbständiger kann eine Versicherungspflicht, insbesondere in der Alterssicherung, bestehen. Darüber hinaus gibt es Branchenregelungen mit besonderer Absicherung, zum Beispiel im künstlerischen und publizistischen Bereich. Unfallversicherungspflichten können je nach Tätigkeit und Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft bestehen.

Abwicklung in der Praxis

Vertragsgestaltung und Organisation

Verträge benennen üblicherweise Leistungsinhalt, Zeitrahmen, Honorar, Abrechnungsweise, Nutzungsrechte an Arbeitsergebnissen, Geheimhaltung und Haftung. Der eigenverantwortliche Zuschnitt der Tätigkeit wird typischerweise ausdrücklich festgehalten. Die Zusammenarbeit ist häufig auf Dauer angelegt, bleibt aber rechtlich als freie Mitarbeit strukturiert.

Abrechnung und Nachweise

Honorarabrechnungen erfolgen regelmäßig gegen Rechnungstellung. Nachweise können Einsatzpläne, Leistungsnachweise oder Stundenaufstellungen sein, soweit vertraglich vereinbart. Spesen und Auslagen werden je nach Vereinbarung ersetzt. Betriebsmittel werden oft selbst gestellt; abweichende Regelungen sind möglich.

Prüfungen und Statusfeststellungen

Die Einordnung kann in Zweifelsfällen durch zuständige Stellen überprüft werden. Ergibt sich eine persönliche Abhängigkeit, kann eine Umqualifizierung zum Arbeitsverhältnis erfolgen. Besteht lediglich wirtschaftliche Abhängigkeit, kann dies sozialversicherungsrechtliche Folgen, insbesondere hinsichtlich der Altersvorsorge, nach sich ziehen. Rückwirkende Zahlungen und Anpassungen sind in solchen Konstellationen möglich.

Beispiele für arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten

Kultur- und Medienbereich

Freie Journalistinnen und Journalisten, Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzer oder Kreative, die fortlaufend für ein Medium, einen Verlag oder eine Produktionsgesellschaft tätig sind und dort den Großteil ihrer Einnahmen erzielen.

Schulungs- und Lehrtätigkeiten

Honorarkräfte an Bildungseinrichtungen, die über längere Zeit regelmäßig Lehrveranstaltungen für einen Träger durchführen, dabei eigenverantwortlich lehren, aber wirtschaftlich auf den Auftrag angewiesen sind.

Handelsvertreter und Vertriebsdienstleistungen

Selbständige, die dauerhaft für einen Auftraggeber Produkte oder Dienstleistungen vertreiben, organisatorisch frei agieren, jedoch ihre Einkünfte maßgeblich aus dieser Quelle erzielen.

Digitale Plattformen und projektbasierte Arbeit

Freelancer in IT, Design oder Beratung, die über längere Zeit primär Projekte eines einzigen Unternehmens bearbeiten und dadurch in eine wirtschaftliche Abhängigkeit geraten, ohne in dessen Arbeitsorganisation eingebunden zu sein.

Häufig gestellte Fragen

Was unterscheidet arbeitnehmerähnliche Personen von Arbeitnehmern?

Arbeitnehmerähnliche Personen sind nicht persönlich weisungsgebunden und nicht in die betriebliche Organisation eingegliedert. Sie arbeiten eigenverantwortlich, sind aber wirtschaftlich besonders von einem Auftraggeber abhängig. Arbeitnehmer dagegen unterliegen Weisungen und genießen das volle arbeitsrechtliche Schutzsystem.

Welche Rechte stehen arbeitnehmerähnlichen Personen zu?

Sie erhalten ausgewählte Schutzrechte, insbesondere einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub sowie berufsbezogenen Diskriminierungsschutz. Außerdem können sie Ansprüche vor den Arbeitsgerichten geltend machen und unterfallen mitunter kollektiven Regelungen, die speziell für diese Gruppe vereinbart werden.

Haben arbeitnehmerähnliche Personen Anspruch auf Urlaub?

Ja. Arbeitnehmerähnliche Personen haben einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Umfang und Berechnung richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen, werden aber an die Eigenheiten freier Mitarbeit, etwa unregelmäßige Einsätze, angepasst.

Unterliegen arbeitnehmerähnliche Personen dem Kündigungsschutz?

Ein allgemeiner Kündigungsschutz wie bei Arbeitnehmern gilt nicht. Beendigungen richten sich nach dem Vertrag und den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln, einschließlich vereinbarter Fristen und der Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund.

Welche Gerichte sind zuständig bei Streitigkeiten?

Für Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis arbeitnehmerähnlicher Personen mit ihren Auftraggebern sind die Arbeitsgerichte zuständig. Dort können insbesondere Honorar-, Urlaubs- oder Diskriminierungsansprüche verhandelt werden.

Wie wirkt sich der Status auf die Sozialversicherung aus?

Arbeitnehmerähnliche Personen gelten grundsätzlich als selbständig. Es besteht nicht automatisch Versicherungspflicht wie bei Arbeitnehmern. Je nach Ausgestaltung der Tätigkeit kann eine Pflicht zur Altersvorsorge bestehen; in einzelnen Branchen greifen besondere Absicherungssysteme.

Können arbeitnehmerähnliche Personen in Tarifverträge einbezogen werden?

Ja. Für arbeitnehmerähnliche Personen können Tarifverträge geschlossen werden, die etwa Vergütungen, Mindestbedingungen oder Urlaubsregelungen festlegen. Diese wirken dann in dem jeweils geregelten Geltungsbereich.

Woran erkennt man wirtschaftliche Abhängigkeit?

Hinweise sind ein überwiegender Umsatz mit einem Auftraggeber, eine dauerhafte Bindung, laufende Vergütung statt reiner Werkvergütung und eine geringe eigene Marktpräsenz. Maßgeblich ist stets die Gesamtbetrachtung der konkreten Zusammenarbeit.