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Arbeitgeberanteil


Begriff und rechtliche Grundlagen des Arbeitgeberanteils

Der Arbeitgeberanteil bezeichnet im deutschen Sozialversicherungsrecht den gesetzlichen Anteil, den Arbeitgeber zur Finanzierung der Sozialversicherungsbeiträge ihrer Beschäftigten leisten. Der Begriff findet insbesondere im Zusammenhang mit der gesetzlichen Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung Anwendung. Der Arbeitgeberanteil ist gesetzlich vorgeschrieben und unterscheidet sich in seiner Höhe sowie seiner Bemessungsgrundlage je nach Art des Sozialversicherungszweigs.

Einordnung in das Sozialversicherungsrecht

Der Arbeitgeberanteil ist Teil der Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die auf das sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelt eines Arbeitnehmers erhoben werden. Im Rahmen des deutschen Sozialversicherungssystems bildet der Arbeitgeberanteil zusammen mit dem Arbeitnehmeranteil die gesetzliche Verpflichtung zur Absicherung sozialer Risiken. Die rechtlichen Grundlagen ergeben sich insbesondere aus dem Sozialgesetzbuch (SGB), insbesondere SGB IV, SGB V, SGB VI und SGB III.

Zusammensetzung des Arbeitgeberanteils

Krankenversicherung

In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) tragen Arbeitgeber und Beschäftigte grundsätzlich jeweils die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes (§ 249 SGB V). Hinzu kommt ein individuell festgelegter Zusatzbeitrag der Krankenkassen, der seit 2019 ebenfalls paritätisch aufgeteilt wird (§ 242a SGB V). Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Anteil zusammen mit dem Arbeitnehmeranteil vom Bruttoarbeitsentgelt einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse abzuführen.

Rentenversicherung

Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) werden die Beiträge in der Regel je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen (§ 168 SGB VI). Der Beitragssatz wird jährlich festgelegt, der Arbeitgeberanteil bemisst sich anhand des sozialversicherungspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze.

Arbeitslosenversicherung

Die Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung werden ebenso paritätisch auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilt (§ 346 SGB III). Der jeweils gültige Beitragssatz wird durch Rechtsverordnung festgelegt und orientiert sich am versicherungspflichtigen Arbeitsentgelt.

Pflegeversicherung

Auch in der sozialen Pflegeversicherung gilt grundsätzlich die Parität der Beitragszahlung (§ 58 SGB XI). Eine Ausnahme besteht in Sachsen, wo aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen die Beitragshöhe für Arbeitgeber und Arbeitnehmer abweicht.

Unfallversicherung

Die gesetzliche Unfallversicherung stellt eine Besonderheit dar: Hier trägt der Arbeitgeber die Vollfinanzierung (§ 150 SGB VII). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisten keinen Eigenanteil an den Beiträgen zur Unfallversicherung.

Weitere Sonderregelungen

In bestimmten Sondersituationen, wie im Rahmen von geringfügiger Beschäftigung (sogenannte Minijobs) oder im Fall von Beitragszuschüssen zu privaten Kranken- oder Pflegeversicherungen, kann sich der Arbeitgeberanteil in seiner Höhe und Ausgestaltung unterscheiden. Hierbei greifen unter anderem die Regelungen des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und spezieller Verordnungen.

Erhebung und Abführung des Arbeitgeberanteils

Beitragseinzug und Meldeverfahren

Arbeitgeber sind verpflichtet, sowohl ihren eigenen Anteil als auch den des Arbeitnehmers gemeinsam abzuführen. Die Summe der Gesamtsozialversicherungsbeiträge ist spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats zur Überweisung fällig (§ 23 SGB IV). Für die ordnungsgemäße Berechnung, Einbehaltung und Abführung der Beiträge haften Arbeitgeber.

Beitragsschuld und Haftung

Gemäß § 28e SGB IV entsteht die Beitragsschuld mit dem Entstehen des Anspruchs auf Arbeitsentgelt. Die Einbehaltung und Abführung der Beiträge gilt als eine der Hauptpflichten des Arbeitgebers und ist bei Nichtbeachtung bußgeldbewehrt. Fehlende oder unvollständige Zahlungen können zudem strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (§ 266a StGB – Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt).

Historische Entwicklung und Parität der Sozialversicherungsbeiträge

Ursprünge und Systematik

Die Aufteilung der Sozialversicherungsbeiträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat ihren Ursprung in den Sozialgesetzgebungen des späten 19. Jahrhunderts. Ziel war es, die Belastung auf mehrere Schultern zu verteilen und damit die soziale Absicherung im Erwerbsleben breitenwirksam sicherzustellen.

Paritätischer Grundsatz

Im Grundsatz der Parität spiegelt sich der sozialpolitische Gedanke wider, dass soziale Risikovorsorge eine gemeinsame Aufgabe von Arbeitgebern und Beschäftigten ist. Einzelne Ausnahmen, wie etwa Sonderregeln bei der Unfallversicherung oder abweichende Beträge in einzelnen Bundesländern, bleiben jedoch bestehen.

Bedeutung und Funktion des Arbeitgeberanteils

Der Arbeitgeberanteil hat eine zentrale Rolle in der Finanzierung des deutschen Sozialversicherungssystems. Durch die gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber wird eine verlässliche Mittelzufuhr für das gesamte Sozialversicherungssystem sichergestellt und das Risiko sozialer Ungleichgewichtung gemindert.

Unternehmen werden dadurch in ihrer sozialen Verantwortung gestärkt. Der Arbeitnehmer erhält durch die hälftige Beitragsaufteilung und die Übernahme der Unfallversicherungsbeiträge eine indirekte finanzielle Entlastung, während die Sozialversicherungsträger auf stabile Einnahmen bauen können.

Arbeitgeberanteil im internationalen Vergleich

Im internationalen Vergleich variiert die Struktur der Sozialversicherungsbeiträge und damit der Arbeitgeberanteile erheblich. Während das Paritätsprinzip in Deutschland relativ strikt verankert ist, existieren in anderen Staaten unterschiedliche Modelle – etwa eine stärkere Belastung des Arbeitgebers oder abweichende Beitragssätze und Beitragspflichten.

Ausblick und Reformtendenzen

Politische Debatten um die zukünftige Verteilung der Sozialversicherungsbeiträge, die Anpassung der Bemessungsgrundlagen sowie die Einführung von Elementen wie Bürgergeld oder Grundrente betreffen auch die Ausgestaltung des Arbeitgeberanteils. Veränderungen könnten in Zukunft die Verhältnisgestaltung der Beitragszahlung beeinflussen.

Literatur und weiterführende Gesetze

  • Sozialgesetzbuch (SGB) IV, V, VI, VII, XI, III
  • Beitragseinzugsverordnung (BeitrEAnzV)
  • § 266a Strafgesetzbuch (StGB)
  • Veröffentlichungen der Deutschen Rentenversicherung und Bundesagentur für Arbeit

Der Arbeitgeberanteil bildet eine tragende Säule des deutschen Sozialversicherungssystems und dient als Garant für die Funktionsfähigkeit sozialer Absicherung im Beschäftigtenverhältnis. Die genaue Kenntnis seiner rechtlichen Grundlagen, Erhebung und Bedeutung ist für alle Beteiligten im Arbeitsverhältnis von zentraler Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist der Arbeitgeberanteil zu den Sozialversicherungsbeiträgen fällig?

Der Arbeitgeberanteil zu den Sozialversicherungsbeiträgen ist in Deutschland rechtlich mit jeder Gehaltsabrechnung zeitgleich mit dem Arbeitnehmeranteil fällig. Nach § 23 Abs. 1 SGB IV (Sozialgesetzbuch Viertes Buch) sind die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für jeden Abrechnungszeitraum, meistens monatlich, bis spätestens zum drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats an die zuständige Einzugsstelle (in der Regel die Krankenkasse) abzuführen. Arbeitgeber sind damit verpflichtet, ihren eigenen Beitragsanteil sowie den des Arbeitnehmers rechtzeitig und vollständig zu entrichten. Versäumt der Arbeitgeber die termingerechte Zahlung, können Säumniszuschläge erhoben werden, und im schlimmsten Fall drohen straf- bzw. bußgeldrechtliche Konsequenzen. Die Pflicht zur Abführung des Arbeitgeberanteils besteht unabhängig davon, ob der Lohn bereits an den Arbeitnehmer ausgezahlt wurde oder nicht.

Welche rechtlichen Folgen drohen, wenn der Arbeitgeberanteil nicht abgeführt wird?

Eine unterlassene oder verspätete Abführung der Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen stellt nicht nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 111 SGB IV dar, sondern kann, je nach Schwere und Vorsatz, auch strafrechtliche Konsequenzen nach § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) nach sich ziehen. Neben erheblichen Säumniszuschlägen, die für jeden angefangenen Monat des Zahlungsverzugs von der Einzugsstelle verlangt werden (aktuell 1 % des ausstehenden Betrags pro Monat), kann bei vorsätzlicher Vorenthaltung sogar eine Freiheitsstrafe verhängt werden. In manchen Fällen wird zusätzlich eine Insolvenzverschleppung angenommen, wenn der Arbeitgeber wegen finanzieller Schwierigkeiten seine Beiträge nicht mehr bezahlen kann und die Zahlungsunfähigkeit nicht rechtzeitig anzeigt. Auch die Geschäftsführer einer GmbH oder andere vertretungsberechtigte Personen können persönlich haftbar gemacht werden.

Gibt es Ausnahmen in Bezug auf die Zahlung des Arbeitgeberanteils?

Im Allgemeinen gibt es keine generellen Ausnahmen von der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung seines Anteils an den Sozialversicherungsbeiträgen. Allerdings gibt es im Detail gesetzlich geregelte Sonderfälle: Beispielsweise sind geringfügig Beschäftigte (Minijobber) in der Kranken- und Pflegeversicherung für den Arbeitgeber pauschal beitragspflichtig, während der Arbeitnehmer oft beitragsfrei ist. Ebenfalls gibt es bestimmte Personengruppen, wie z. B. Praktikanten oder Werkstudenten, für die andere Beitragssätze oder Befreiungen greifen können. Zudem sind Selbstständige und Beamte sowie bestimmte ehrenamtlich Tätige nicht sozialversicherungspflichtig, sodass hier kein Arbeitgeberanteil abzuführen ist. Staatliche Förderprogramme, wie das Kurzarbeitergeld, betreffen den Arbeitgeberanteil ebenfalls, da dieser unter bestimmten Voraussetzungen während der Kurzarbeit von der Bundesagentur für Arbeit übernommen wird.

Inwiefern besteht eine Nachweispflicht für Arbeitgeber hinsichtlich gezahlter Arbeitgeberanteile?

Arbeitgeber sind gemäß § 28f SGB IV verpflichtet, Nachweise über die Abführung der Beiträge zur Sozialversicherung sowie die Abrechnungen und sonstigen dokumentarischen Unterlagen mindestens fünf Jahre aufzubewahren. Diese Nachweispflicht umfasst insbesondere Lohnabrechnungen, Überweisungsbelege und Erklärungen gegenüber den Einzugsstellen. Bei Betriebsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung oder andere Prüfbehörden müssen diese Unterlagen jederzeit vorgelegt werden können. Eine Verletzung der Aufbewahrungs- und Nachweispflicht kann zu empfindlichen Bußgeldern führen und erhöht bei Prüfungen das Risiko, Nachforderungen oder Schätzungen zu bekommen.

Was gilt bei Auslandsentsendung von Beschäftigten bezüglich des Arbeitgeberanteils?

Wird ein Arbeitnehmer ins Ausland entsandt, ist zunächst zu prüfen, welchem Sozialversicherungssystem er während der Entsendung unterliegt. Wird weiterhin deutsches Sozialversicherungsrecht angewendet (innerhalb der EU/EWR sowie mit Staaten mit Sozialversicherungsabkommen mittels Bescheinigung A1), bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, die deutschen Arbeitgeberanteile zu leisten und ordnungsgemäß abzuführen. Trifft dies nicht zu, gilt häufig das Sozialversicherungsrecht des jeweiligen Einsatzstaates. In solchen Fällen können sich Höhe, Art sowie Fälligkeitstermine und Verfahren der Beitragszahlung ändern, je nachdem, welche lokalen Gesetze zur Anwendung kommen. Im Regelfall ist eine genaue Prüfung jedes Einzelfalles notwendig, um Rechtsverstöße und Doppelversicherungen zu vermeiden.

Wer haftet bei fehlerhafter Berechnung oder Abführung des Arbeitgeberanteils?

Die Haftung bei fehlerhafter Berechnung oder unterlassener Abführung des Arbeitgeberanteils zu den Sozialversicherungsbeiträgen liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber als Beitragsschuldner. In juristischen Personen, wie GmbHs oder Aktiengesellschaften, haften auch die gesetzlichen Vertreter (z. B. Geschäftsführer) persönlich, falls sie vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben. Ergeben sich Fehler aus delegierten Tätigkeiten (z. B. durch die Lohnbuchhaltung), entfällt die Verantwortung nicht; der Arbeitgeber bleibt zur Prüfung verpflichtet. Auch Steuerberater und externe Dienstleister können unter bestimmten Voraussetzungen haftbar gemacht werden, dies jedoch meist zivilrechtlich gegenüber dem Arbeitgeber und nicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger. Tauchen bei Prüfungen Unstimmigkeiten auf, fordert die Einzugsstelle die fehlenden Beiträge nach und erhebt gegebenenfalls Säumniszuschläge oder verhängt Bußgelder.

Können Arbeitgeber den Arbeitgeberanteil vom Lohn der Arbeitnehmer einbehalten?

Rechtlich ist es dem Arbeitgeber strikt untersagt, seinen Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen auf den Arbeitnehmer abzuwälzen oder vom Arbeitsentgelt einzubehalten. Gemäß § 28g SGB IV darf allein der Arbeitnehmeranteil vom Arbeitsentgelt abgezogen werden. Eine direkte oder indirekte Überwälzung, etwa durch Abmachungen im Arbeitsvertrag, wäre nicht nur nichtig, sondern kann ebenfalls bußgeld- oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Bei Feststellung eines solchen Verstoßes sind die einbehaltenen Beträge rückwirkend dem Arbeitnehmer zu erstatten. Arbeitnehmer können sich zudem bei der Einzugsstelle oder beim Betriebsrat beschweren, wenn dieser Sachverhalt im Unternehmen auftritt.