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Anstellungstheorie


Begriff und Rechtsgrundlagen der Anstellungstheorie

Die Anstellungstheorie ist ein im deutschen Recht maßgebliches Konzept zur Trennung von privatrechtlichem und öffentlichem Dienstrecht. Sie bildet die Grundlage für die rechtliche Einordnung des Dienstverhältnisses von Beamten, öffentlicher Bediensteter und vergleichbarer Personengruppen. Das Konzept der Anstellungstheorie definiert und unterscheidet zwischen den tatsächlichen Tätigkeiten beim Dienstherrn (Dienstverhältnis) und den daraus resultierenden öffentlich-rechtlichen Bindungen (Anstellungsverhältnis). Die Anstellungstheorie ist insbesondere im öffentlichen Dienstrecht, bei der Besoldung und beim Disziplinarrecht von zentraler Bedeutung.


Historische Entwicklung der Anstellungstheorie

Ursprung und Abgrenzung von Vertrags- und Anstellungsverhältnissen

Die Anstellungstheorie entstand aus der Notwendigkeit heraus, die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Beamten klar von denen privater Arbeitsverhältnisse abzugrenzen. Maßgeblich wurde sie im 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelt, um die hoheitliche Gewalt des Staates als Dienstherrn zu unterstreichen. Während das privatrechtliche Arbeitsverhältnis auf einem zivilrechtlichen Vertrag (Arbeitsvertrag) basiert, handelt es sich beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis um ein sogenanntes Anstellungsverhältnis, das durch ein Verwaltungsakt begründet wird.

Bedeutung im öffentlichen Dienstrecht

Im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis, das auf dem Prinzip der Vertragsfreiheit und Treuwidrigkeit ruht, wird das öffentlich-rechtliche Anstellungsverhältnis zwingend durch gesetzliche Vorschriften normiert. Die Anstellungstheorie genießt im Beamtenrecht besondere Relevanz, da sie die Bindung des Beamten an den Staat ausdrücklich als unauflöslichen, öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuebund beschreibt.


Anwendungsbereich der Anstellungstheorie

Öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis und privatrechtliches Arbeitsverhältnis

Die Anstellungstheorie stellt ausdrücklich darauf ab, dass Beamte und Richter nicht auf Grundlage eines Arbeitsvertrags im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 611a ff. BGB) tätig werden. Stattdessen werden sie kraft eines Anstellungsakts – meist der Ernennung – in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis berufen, geregelt etwa im Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), im Bundesbeamtengesetz (BBG) und im Richtergesetz (DRiG).

Hoheitsgewalt und Weisungsbindung

Mit der Berufung in ein Anstellungsverhältnis werden Amt und Funktion vergeben, verbunden mit der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, zur Neutralität und zur besonderen Loyalität gegenüber dem Staat. Die Dienstaufsicht erfolgt nach Maßgabe beamtenrechtlicher Disziplinarordnungen, nicht nach zivilrechtlichen Grundsätzen.


Rechtsfolgen der Anstellungstheorie

Begründung und Beendigung des Dienstverhältnisses

Die Begründung des Dienstverhältnisses erfolgt durch einen Verwaltungsakt (z.B. Ernennungsurkunde), nicht durch Vertragsunterzeichnung. Gleiches gilt für die Beendigung: Ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis wird durch Entlassung, Versetzung in den Ruhestand, Verlust der Beamtenrechte oder Disziplinarmaßnahmen beendet, nicht durch Kündigung im arbeitsrechtlichen Sinne.

Unterschiede zum Arbeitsrecht

Anders als bei Arbeitnehmern gibt es für öffentlich-rechtlich Angestellte keine kollektivrechtlichen Strukturen wie Tarifverträge oder Streikrechte. Die Besoldung erfolgt nach speziellen gesetzlichen Vorschriften, etwa dem Bundesbesoldungsgesetz (BBesG). Auch das Mitbestimmungsrecht der Personalräte ist durch spezifische gesetzliche Grundlagen (Bundespersonalvertretungsgesetz, LPVG) geregelt.

Disziplinarrechtliche Besonderheiten

Die Anstellungstheorie hat insbesondere für disziplinarrechtliche Maßnahmen Relevanz. Disziplinarmaßnahmen, Sanktionen und dienstrechtliche Konsequenzen erfolgen strikt nach öffentlich-rechtlichen, gesetzlich normierten Regeln und unterliegen speziellen gerichtlichen Überprüfungsmechanismen, etwa durch Verwaltungsgerichte.


Bedeutung der Anstellungstheorie in der Rechtsprechung

Verwaltungsgerichtliche Kontrolle

Die Anstellungstheorie grenzt den Zugang zu Rechtsbehelfen ab: Beamte und vergleichbare Gruppen haben Zugang zu Verwaltungsgerichten, während Arbeitnehmer allgemein den Instanzenzug der Arbeitsgerichte durchlaufen. Die gerichtliche Kontrolle erstreckt sich auf alle Maßnahmen, die mit dem Anstellungsverhältnis im Zusammenhang stehen.

Prägende Urteile

Mehrere Grundsatzurteile des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts haben die Relevanz der Anstellungstheorie bekräftigt, insbesondere in Fragen des Statusrechts, der Loyalitäts- und Verschwiegenheitspflichten sowie im Rahmen der Beamtenversorgung.


Zusammenfassung und Bedeutung im modernen Recht

Die Anstellungstheorie ist ein zentrales dogmatisches Konzept des öffentlichen Dienstrechts in Deutschland. Sie zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • Klare Trennung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Dienstverhältnis
  • Begründung und Beendigung des Dienstverhältnisses ausschließlich durch Verwaltungsakte
  • Besondere Rechte und Pflichten des Dienstherrn sowie des Beschäftigten im öffentlichen Dienst
  • Eigenständige arbeitsrechtliche, besoldungsrechtliche und disziplinarrechtliche Regelungen

Die Anstellungstheorie bildet damit die Basis zur Sicherung hoheitlicher Staatsaufgaben durch unabhängig handelnde, an Recht und Gesetz gebundene Amtsträger und ist weiterhin ein grundlegendes Element im öffentlichen Dienstrecht Deutschlands.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses gemäß der Anstellungstheorie erfüllt sein?

Für das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses nach der Anstellungstheorie ist zunächst der Abschluss eines wirksamen Arbeitsvertrags erforderlich. Der Arbeitsvertrag entsteht durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) der Parteien, wobei grundsätzlich Vertragsfreiheit herrscht. Die Vertragspartner müssen geschäftsfähig sein (§§ 104 ff. BGB). Der Vertragsschluss kann formfrei erfolgen, soweit keine gesetzliche Schriftform, etwa nach § 14 TzBfG bei befristeten Arbeitsverträgen, notwendig ist. Für minderjährige Arbeitnehmer ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gemäß §§ 107, 113 BGB erforderlich. Wesentlicher Vertragsinhalt sind die Arbeitsleistung und das hierfür zu zahlende Entgelt. Gemäß Nachweisgesetz müssen die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niedergelegt werden. Zudem ist zu beachten, dass der Arbeitsvertrag nicht gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) oder gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen darf. Werden zwingende arbeitsrechtliche Gesetzesvorschriften, beispielsweise zu Mindestlohn, Mutterschutz oder Arbeitszeit, nicht eingehalten, kann dies zur Nichtigkeit oder Anpassung des Vertrags führen.

Welche Rechtsfolgen resultieren aus einem fehlerhaften oder unwirksam abgeschlossenen Arbeitsvertrag?

Ein fehlerhaft oder unwirksam zustande gekommener Arbeitsvertrag kann laut Anstellungstheorie verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen. Ist der Arbeitsvertrag wegen Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften nichtig, greift unter Umständen § 612 BGB, wonach das Arbeitsentgelt als „billige Vergütung“ für die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung verlangt werden kann. Besteht Einigkeit über die tatsächliche Beschäftigung, kann ein faktisches Arbeitsverhältnis angenommen werden, wenn beide Parteien über eine gewisse Dauer hinweg die arbeitsvertraglichen Pflichten tatsächlich erfüllen. In diesem Fall gelten im Wesentlichen die gesetzlichen Schutzvorschriften des Arbeitsrechts, zum Beispiel Kündigungsschutz und Arbeitsschutzregelungen. Sind nur einzelne Klauseln unwirksam, bleibt der Rest des Vertrags grundsätzlich wirksam (§ 306 BGB), sofern der Vertrag auch ohne die unwirksame Klausel weiterhin sinnvoll und durchführbar ist.

Wie unterscheidet sich die Anstellungstheorie rechtlich von der Vertragstheorie im Arbeitsrecht?

Die Anstellungstheorie betrachtet das Arbeitsverhältnis primär als eine einseitige Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung gegen Entgelt auf der Grundlage eines privatrechtlichen Anstellungsverhältnisses (Dienstverhältnis). Im Gegensatz dazu stellt die Vertragstheorie das zweiseitige Schuldverhältnis des Arbeitsvertrags stärker hervor, bei dem sich beide Parteien – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – gleichermaßen zu Leistung und Gegenleistung verpflichten. Aus juristischer Sicht hat sich die Vertragstheorie inzwischen als herrschende Meinung durchgesetzt, insbesondere da das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Arbeitsvertrag als gegenseitigen Austauschvertrag einordnet. Dennoch bleiben die traditionellen Unterscheidungsmerkmale, etwa hinsichtlich der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers, relevant für die Subsumption unter den Arbeitsvertrag im rechtlichen Sinne.

Welche Rolle spielt die persönliche Abhängigkeit im Rahmen der Anstellungstheorie aus juristischer Sicht?

Die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber ist ein zentrales Unterscheidungskriterium in der Anstellungstheorie. Rechtlich manifestiert sich diese Abhängigkeit vor allem in der Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers in Bezug auf Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Arbeitsleistung (§ 611a Abs. 1 BGB). Diese persönliche Abhängigkeit grenzt das Arbeitsverhältnis vom freien Dienstvertrag und dem Werkvertrag ab. Sie bewirkt, dass der Arbeitnehmer besonderen arbeitnehmerrechtlichen Schutzbestimmungen unterliegt: Dazu zählen das Kündigungsschutzgesetz, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, Mutterschutz, Entgeltfortzahlung und Arbeitsschutzvorschriften. Die persönliche Abhängigkeit muss im Einzelfall anhand des Gesamtbildes der tatsächlichen vertraglichen Beziehung beurteilt werden; entscheidend ist nicht die Bezeichnung des Vertrags, sondern dessen tatsächliche Ausgestaltung.

Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus der Anwendung der Anstellungstheorie bezüglich der Haftung im Arbeitsverhältnis?

Gemäß der Anstellungstheorie haftet der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nach den Regelungen der §§ 276 ff. BGB für Schäden, die dem Arbeitgeber durch pflichtwidriges Verhalten entstehen. Aufgrund des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs im Arbeitsverhältnis wird die Haftung des Arbeitnehmers jedoch im Vergleich zum allgemeinen Zivilrecht zugunsten des Arbeitnehmers eingeschränkt. Hier greift die sogenannte arbeitsrechtliche Haftungsprivilegierung: Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht, bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden meist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt (Quotenteilung), und bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftet der Arbeitnehmer voll. Für die Haftung besteht daher eine abgestufte Differenzierung, die dem Umstand Rechnung trägt, dass Arbeitsleistungen im fremden Betriebsinteresse unter erhöhten Risiken erbracht werden.

Welche gesetzlichen Schutzrechte greifen für Arbeitnehmer im Rahmen der Anstellungstheorie?

Im Sinne der Anstellungstheorie stehen dem Arbeitnehmer vielfältige gesetzliche Schutzrechte zu, die aus seiner rechtlichen Stellung als Beschäftigter resultieren. Dazu gehören vor allem der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bei Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 EFZG), Mutterschutz, Elternzeit, Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), Mindestlohnanspruch (§ 1 MiLoG), Arbeitszeitregelungen (ArbZG) und das Recht auf betriebliche Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Darüber hinaus genießt der Arbeitnehmer Versicherungspflicht in der Sozialversicherung, einschließlich Kranken-, Unfall-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. Viele dieser Schutzrechte sind zwingendes Recht und können durch individuellen Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarungen nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgeändert werden.

Welche Beweislastregelungen gelten im Streitfall über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses?

Im Streitfall über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nach der Anstellungstheorie gilt grundsätzlich die allgemeine Beweislastverteilung nach § 286 ZPO: Die Partei, die ein Recht ableiten möchte (beispielsweise der Arbeitnehmer, der auf Lohn klagt), muss das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses beweisen. Indizien sind die tatsächlichen Umstände, wie Eingliederung in die betriebliche Organisation, persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen (§ 2 NachwG), was die Beweisführung erleichtert. Bestehen Unsicherheiten über die rechtliche Einordnung, etwa bei Scheinselbständigkeit, trifft die Beweislast für die tatsächlichen Umstände, die gegen ein Arbeitsverhältnis sprechen, regelmäßig den Arbeitgeber. Die Gerichte entscheiden im Einzelfall anhand des Gesamtbildes der vereinbarten und tatsächlich durchgeführten Tätigkeit.