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Anstellungstheorie

Begriff und Grundidee der Anstellungstheorie

Die Anstellungstheorie beschreibt, wem das Verhalten einer angestellten Person rechtlich zugerechnet wird. Kerngedanke ist: Handelt eine Person in einem Beschäftigungsverhältnis innerhalb des übertragenen Aufgabenbereichs, werden ihre Handlungen grundsätzlich dem Anstellungs- oder Arbeitgeber zugerechnet. Dadurch entsteht Verantwortung desjenigen, der die Person beschäftigt und in die eigene Organisation eingebunden hat.

Ausgangspunkt: Zurechnung von Handlungen angestellter Personen

Rechtlich bedeutsam ist die Frage, wer für Erklärungen, Entscheidungen und Fehler einer angestellten Person einsteht. Die Anstellungstheorie ordnet diese Handlungen demjenigen zu, der die Person anstellt, eingliedert und anweist. Voraussetzung ist typischerweise, dass die Tätigkeit im Rahmen der übertragenen Aufgaben und der organisatorischen Abläufe erfolgt.

Abgrenzung zu anderen Zurechnungsmodellen

Die Anstellungstheorie steht neben anderen Modellen der Zurechnung. Häufig wird sie der Auffassung gegenübergestellt, die stärker auf den Aufgabenträger oder die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung abstellt (z. B. bei ausgeliehenen Kräften oder Kooperationsformen). In der Praxis kommt es deshalb auf die Einbindung in die Organisation, die Weisungsgebundenheit sowie darauf an, in wessen Aufgabenbereich die Tätigkeit fällt.

Anwendungsbereiche

Gesundheitswesen

Im Gesundheitswesen wird die Anstellungstheorie oft verwendet, um die Verantwortung von Krankenhausträgern für das Handeln angestellter Ärztinnen und Ärzte zu beschreiben. Behandeln angestellte Medizinerinnen und Mediziner Patientinnen und Patienten innerhalb des organisatorischen Rahmens eines Krankenhauses, wird das Handeln dem Krankenhausträger zugerechnet. Bei nicht angestellten Beleg- oder Kooperationsärzten ist die Zurechnung dagegen eingeschränkt, weil diese typischerweise eigenverantwortlich außerhalb eines Anstellungsverhältnisses tätig werden. Ein Sonderfall ist der gesondert wählbare Chefarzt: Ist er angestellt, bleibt die Zurechnung an den Krankenhausträger nach der Anstellungstheorie grundsätzlich bestehen; daneben kann eine eigene vertragliche Verantwortung des Arztes hinzutreten.

Öffentlicher Bereich

Historisch diente die Anstellungstheorie im öffentlichen Bereich der Zuordnung amtlicher Handlungen: Verantwortlich war danach vor allem der Rechtsträger, der die Amtsträgerin oder den Amtsträger angestellt hatte. Demgegenüber betont eine andere Sicht, dass entscheidend derjenige sein soll, in dessen Aufgabenbereich die Tätigkeit fällt, auch wenn die handelnde Person bei einem anderen Rechtsträger angestellt ist. In der heutigen Praxis spielt daher neben der Anstellung auch die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung und organisatorische Eingliederung eine wesentliche Rolle.

Unternehmen und Verbände

In privatwirtschaftlichen Organisationen trägt die Anstellungstheorie zur Zurechnung von Handlungen im Geschäfts- und Verantwortungsbereich bei. Tätigkeiten angestellter Personen werden dem Unternehmen zugerechnet, wenn sie innerhalb der betrieblichen Abläufe und zur Erfüllung vertraglicher Pflichten erfolgen. Zugleich beeinflusst die Organisation des Betriebs, welche Risiken beherrschbar sind und wofür das Unternehmen einzustehen hat.

Rechtliche Folgen der Anstellungstheorie

Vertragliche Verantwortung

Erfüllt eine angestellte Person vertragliche Aufgaben gegenüber Dritten, werden ihre Erklärungen und Fehler dem Vertragspartner zugerechnet, der sie eingesetzt hat. Dadurch kann die beschäftigende Organisation für Leistungsstörungen oder Aufklärungs- und Informationspflichten einstehen müssen, ohne dass es auf ein eigenes persönliches Fehlverhalten ihrer Leitungspersonen ankommt.

Außerhalb von Verträgen

Tritt ein Schaden außerhalb eines konkreten Vertragsverhältnisses ein, kann die Zurechnung ebenfalls an die Anstellung und die organisatorische Einbindung anknüpfen. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit dem Verantwortungsbereich der Organisation zuzurechnen ist und ob sie die Risiken durch Organisation und Auswahl beherrschbar gemacht hat.

Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Angestellten

Die Zuordnung nach außen hat Auswirkungen im Innenverhältnis. Je nach Ausgestaltung der betrieblichen Abläufe und der Verantwortlichkeiten kann eine interne Ausgleichung zwischen Arbeitgeber und angestellter Person in Betracht kommen. Maßgeblich sind unter anderem Aufgabenverteilung, Einhaltung von Weisungen sowie Sorgfalt bei der Ausführung.

Abgrenzungsfragen und typische Streitpunkte

Status der handelnden Person

Wesentlich ist die Unterscheidung zwischen angestellten, weisungsgebundenen Personen und selbstständig tätigen, eigenverantwortlich handelnden Kräften. Bei freien Mitarbeitenden oder Belegärzten spricht die fehlende Eingliederung gegen eine Zurechnung über die Anstellungstheorie.

Mehrfachzuordnung und Überlassung

Kommt es zu Konstellationen mit mehrfacher Einbindung (etwa bei Leiharbeit, Kooperationen oder gemeinsamen Einrichtungen), kann die Zurechnung je nach konkreter Aufgabenwahrnehmung und organisatorischer Verantwortung auf mehrere Rechtsträger verteilt oder einem Schwerpunkt zugeordnet werden.

Organisation und Kontrolle

Ein zentrales Element ist die Frage, wie die Organisation ausgestaltet ist: Gibt es klare Zuständigkeiten, ausreichende Aufsicht und geeignete Abläufe, spricht dies für eine Zurechnung an diejenige Organisation, die diese Strukturen vorhält und von ihnen profitiert.

Historische Entwicklung und heutige Bedeutung

Die Anstellungstheorie hat sich aus dem Bedürfnis entwickelt, Handlungen innerhalb komplexer Organisationen verlässlich zuzuordnen. Während sie früher im öffentlichen Bereich die maßgebliche Rolle spielte, wird heute stärker auf den tatsächlichen Aufgaben- und Verantwortungsbereich abgestellt. Im privaten Sektor, insbesondere in großen Einrichtungen wie Krankenhäusern, bleibt die Anstellungstheorie ein wichtiges Ordnungsprinzip für die Zurechnung von Handlungen und Risiken.

Zusammenfassung

Die Anstellungstheorie ordnet Handlungen angestellter Personen demjenigen zu, der sie beschäftigt und organisatorisch einbindet. Sie ist in Bereichen mit arbeitsteiliger Leistungserbringung von Bedeutung, weil sie Verantwortung klar zuweist und damit die Rechtsbeziehungen zwischen Organisationen, Beschäftigten und Dritten strukturiert. In der Anwendung sind die tatsächliche Eingliederung, die Weisungsbindung und der Aufgabenbereich ausschlaggebend; bei Misch- und Grenzfällen kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an.

Häufig gestellte Fragen zur Anstellungstheorie

Was bedeutet Anstellungstheorie in einfachen Worten?

Die Anstellungstheorie besagt, dass Handlungen einer angestellten, in die Organisation eingebundenen Person grundsätzlich demjenigen zugerechnet werden, der sie angestellt hat und dessen Aufgaben sie erfüllt.

In welchen Bereichen wird die Anstellungstheorie besonders wichtig?

Besondere Bedeutung hat sie in Krankenhäusern und größeren Einrichtungen, in denen angestellte Fachkräfte Leistungen erbringen, sowie in Organisationen mit arbeitsteiliger Aufgabenverteilung und klaren Betriebsabläufen.

Worin unterscheidet sich die Anstellungstheorie von einer Zurechnung nach dem Aufgabenbereich?

Die Anstellungstheorie stellt auf das Beschäftigungsverhältnis und die organisatorische Eingliederung ab, während eine Zurechnung nach dem Aufgabenbereich stärker darauf fokussiert, wessen Aufgabe tatsächlich erfüllt wird, auch wenn die handelnde Person anderswo angestellt ist.

Haftet ein Krankenhausträger nach der Anstellungstheorie für Fehler angestellter Ärztinnen und Ärzte?

Ja, wenn angestellte Ärztinnen und Ärzte innerhalb der betrieblichen Abläufe behandeln, wird ihr Handeln dem Krankenhausträger zugerechnet; bei nicht angestellten Beleg- oder Kooperationsärzten ist die Zurechnung dagegen eingeschränkt.

Welche Rolle spielt der Status als freie oder angestellte Person?

Der Status ist entscheidend: Angestellte, weisungsgebundene Personen sind typischerweise der beschäftigenden Organisation zuzurechnen, während frei tätige, eigenverantwortliche Kräfte eher außerhalb der Anstellungstheorie fallen.

Wie wird mit Fällen doppelter Einbindung oder Überlassung umgegangen?

In Konstellationen mit mehrfacher Einbindung kommt es auf die konkrete Aufgabenwahrnehmung und die organisatorische Verantwortung an; die Zurechnung kann sich an dem Schwerpunkt der Tätigkeit orientieren.

Welche Bedeutung hat die Anstellungstheorie heute im öffentlichen Bereich?

Heute wird im öffentlichen Bereich verstärkt auf den tatsächlichen Aufgaben- und Verantwortungsbereich abgestellt; die Anstellung bleibt ein wichtiges Indiz, ist aber nicht immer allein ausschlaggebend.