Anrechnung von Steuern
Die Anrechnung von Steuern stellt einen zentralen Begriff im deutschen Steuerrecht und im internationalen Steuerrecht dar. Darunter versteht man das Verfahren, bei dem bereits gezahlte Steuern auf eine (andere oder gleiche) Steuerschuld angerechnet werden, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden oder eine bereits gezahlte Steuer bei der Festsetzung einer weiteren Steuer zu berücksichtigen. Die Anrechnung kann sowohl im nationalen Steuerrecht – insbesondere bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer – als auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten von Bedeutung sein.
Grundlagen der Anrechnung von Steuern
Die Anrechnung von Steuern kommt insbesondere in folgenden Fällen zur Anwendung:
- Vermeidung der Doppelbesteuerung – sowohl im innerstaatlichen als auch im internationalen Kontext
- Vermeidung einer Überbesteuerung durch mehrfache Erhebung gleicher oder ähnlicher Steuern
- Berücksichtigung bereits gezahlter Vorauszahlungen
- Anrechnung von Kapitalertragsteuer, ausländischer Steuer oder Gewerbesteuer bei bestimmten Steuern
Nicht zu verwechseln ist die Anrechnung von Steuern mit der Steuererstattung oder Steuervergütung, bei denen gezahlte Steuern zurückgezahlt werden.
Gesetzliche Regelungen zur Anrechnung von Steuern
Einkommensteuer und Körperschaftsteuer
Die Anrechnung von Steuern ist in verschiedenen Vorschriften der Abgabenordnung (AO), des Einkommensteuergesetzes (EStG), Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und anderer Steuergesetze geregelt. Zu den wichtigsten Anwendungsfällen zählen:
Anrechnung der Kapitalertragsteuer (§ 36 EStG)
Sofern auf Kapitalerträge bereits eine Kapitalertragsteuer (Abgeltungsteuer) einbehalten wurde, wird diese nach Maßgabe des § 36 EStG auf die Einkommensteuer des Steuerpflichtigen angerechnet. Übersteigt die einbehaltene Kapitalertragsteuer die festgesetzte Einkommensteuer auf die bezogenen Kapitalerträge, wird der Überschuss erstattet.
Anrechnung der Körperschaftsteuer bei Dividenden
Bis zur Abschaffung des Anrechnungsverfahrens zum 01.01.2001 war die Körperschaftsteuer, die von Kapitalgesellschaften auf ausgeschüttete Gewinne gezahlt wurde, beim Anteilseigner auf dessen Einkommensteuer anrechenbar. Seitdem gilt das sogenannte Halbeinkünfteverfahren bzw. ab 2009 das Teileinkünfteverfahren. Die Anrechnung der Körperschaftsteuer findet heute in Deutschland nicht mehr statt.
Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG)
Unternehmer, insbesondere Einzelunternehmer und Mitunternehmer, können auf die von ihnen zu zahlende Einkommensteuer einen Anrechnungsbetrag aus der tatsächlich für deren Einzelunternehmen oder Mitunternehmeranteile gezahlten Gewerbesteuer geltend machen (§ 35 EStG). Die Anrechnung ist auf den tatsächlich auf diese Einkünfte entfallenden Anteil der Einkommensteuer beschränkt.
Internationale Steueranrechnung
Einordnung
Eine doppelte Besteuerung von Einkommen kann entstehen, wenn ein Steuerpflichtiger in mehreren Staaten für denselben Besteuerungstatbestand Steuer zahlen muss (z.B. Wohnsitzstaat und Quellenstaat). Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sehen sowohl das nationale Steuerrecht als auch zahlreiche Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) die sogenannte Anrechnungsmethode vor (Art. 23A/B OECD-MA; § 34c EStG).
Anrechnungsmethode nach § 34c EStG
Sofern dem Steuerpflichtigen ausländische Einkünfte zugeflossen sind, die im Ausland bereits besteuert wurden und deren Besteuerung in Deutschland nicht freigestellt ist, kann die im Ausland gezahlte Steuer auf die deutsche Einkommensteuer, welche auf diese Einkünfte entfällt, angerechnet werden (§ 34c Abs. 1 EStG). Die Anrechnung ist betragsmäßig begrenzt auf die in Deutschland auf diese Einkünfte entfallende Steuer.
Anrechnung ausländischer Quellensteuern
Nach verschiedenen Doppelbesteuerungsabkommen und nationalen Vorschriften besteht die Möglichkeit, auf Kapitalerträge erhobene ausländische Quellensteuern auf die deutsche Steuer anzurechnen. Die Anrechnungshöhe bestimmt sich nach dem jeweils anwendbaren Abkommen und dem deutschen Steuerrecht.
Verfahren zur Anrechnung von Steuern
Nachweis- und Deklarationspflichten
Für die Anrechnung von Steuern verlangt das Finanzamt in der Regel geeignete Nachweise über die Zahlung der anrechenbaren Steuer. Dies trifft insbesondere bei der Anrechnung ausländischer Steuern zu. Der Steuerpflichtige muss etwa Zinsbescheinigungen, Steuerbescheinigungen oder andere Nachweise vorlegen.
Antragstellung und Verfahrensrecht
Die Anrechnung erfolgt in der Regel im Rahmen der Steuerveranlagung mittels Steuererklärung. Das zuständige Finanzamt prüft die Voraussetzungen und nimmt die Anrechnung der gezahlten Steuern vor. Wird die Anwendung der Anrechnungsmethode begehrt, muss regelmäßig ein entsprechender Antrag gestellt werden.
Besonderheiten der Steueranrechnung
Höchstbetragsberechnung
Die Anrechnung ausländischer Steuern ist betraglich begrenzt. Es wird ein sogenannter Höchstbetrag ermittelt, der sich nach dem Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur gesamten Einkünftebemessungsgrundlage richtet. Nur bis zu dieser Grenze ist eine Anrechnung zulässig; ein etwaiger Überhang kann unter Umständen in Folgejahre vorgetragen werden (§ 34c Abs. 2 EStG).
Anrechnung bei beschränkter Steuerpflicht
Auch beschränkt Steuerpflichtige können zum Teil von der Anrechnung profitieren. Bestimmte Quellensteuern, die im Inland abgezogen worden sind, wie etwa bei Dividenden- oder Lizenzzahlungen, können angerechnet oder erstattet werden, soweit es das jeweilige nationale Recht und das zugrundeliegende Abkommen erlauben.
Sonderfälle
- Anrechnung bei gemeinnützigen Körperschaften: Hier kann es zur Anrechnung der Körperschaftsteuer auf Ertragsteuern kommen, wenn steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten werden.
- Erstattung statt Anrechnung: Ist eine Anrechnung nicht möglich, kann unter Umständen eine Erstattung der zu viel gezahlten Steuer erfolgen.
Rechtsfolgen bei fehlerhafter Steueranrechnung
Kommt es zu einer fehlerhaften Anrechnung, sei es aufgrund fehlerhafter Nachweise oder nicht anrechenbarer Steuern, so kann dies zu Nachveranlagungen, Verzinsungen und ggf. steuerstrafrechtlichen Konsequenzen führen. Unrichtige Anrechnungskonstellationen werden häufig im Rahmen von Betriebsprüfungen oder durch Datenabgleiche mit ausländischen Steuerbehörden aufgedeckt.
Literatur und Verweise
- § 34c Einkommensteuergesetz (EStG)
- § 35 Einkommensteuergesetz (EStG)
- § 36 Einkommensteuergesetz (EStG)
- Doppelbesteuerungsabkommen (insbesondere nach OECD-Musterabkommen, Artikel 23A/B)
- Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO)
- Bundesfinanzministerium: BMF-Schreiben zu Einzelfragen der Steueranrechnung
Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht über die rechtlichen Grundlagen, Verfahrensweisen und Besonderheiten der Anrechnung von Steuern, wie sie im deutschen und internationalen Steuerrecht Anwendung finden.
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die Anrechnung von ausländischen Steuern auf die deutsche Einkommensteuer?
Die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Einkommensteuer richtet sich grundsätzlich nach § 34c Einkommensteuergesetz (EStG). Voraussetzung ist, dass Einkünfte im Sinne des § 34d EStG aus einem ausländischen Staat stammen und diese dort auch tatsächlich versteuert wurden. Grundsätzlich wird zwischen der Anrechnungsmethode und der Freistellungsmethode unterschieden. Bei der Anrechnungsmethode, die immer dann Anwendung findet, wenn kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) die Freistellung vorsieht, wird die im Ausland gezahlte Steuer auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet, allerdings nur bis zur sogenannten „höchstens anzurechnenden Steuer“, die sich nach dem Verhältnis der ausländischen zu den gesamten Einkünften berechnet. Hierfür muss der Steuerpflichtige die ausländische Steuer nachweisen und eine genaue Zuordnung der Einkünfte gewährleisten. Die angerechnete Steuer wird auf die deutsche Steuerlast begrenzt, sodass insgesamt niemals weniger Steuern gezahlt werden als bei einer ausschließlichen Besteuerung in Deutschland. Doppelte Entlastungen sind damit ausgeschlossen.
Welche formalen Nachweispflichten bestehen bei der Beantragung einer Steueranrechnung?
Um eine Anrechnung ausländischer Steuer im Rahmen der deutschen Steuererklärung in Anspruch nehmen zu können, muss der Steuerpflichtige die tatsächlich bezahlte ausländische Steuer nachweisen. Die Nachweispflicht ergibt sich aus § 68a Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Es ist in der Regel eine amtliche Steuerbescheinigung des ausländischen Staates oder eine vergleichbare Bescheinigung erforderlich, aus der hervorgeht, für welche Einkünfte und für welchen Zeitraum die Steuer erhoben und entrichtet wurde. Zusätzlich sind Übersetzungen und ggf. eine Apostille notwendig, sofern die Unterlagen nicht in deutscher Sprache ausgestellt wurden. Ohne diesen ordnungsgemäßen Nachweis wird die Anrechnung im Allgemeinen vom Finanzamt abgelehnt. Zudem sind die im Ausland erzielten Einkünfte und die darauf erhobenen Steuern in der „Anlage AUS“ der deutschen Einkommensteuererklärung detailliert aufzuführen.
Welche Rolle spielen Doppelbesteuerungsabkommen bei der Steueranrechnung?
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) regeln vorrangig, wie Einkünfte mit Auslandsbezug zwischen den beteiligten Staaten verteilt und welcher Staat welche Steuern erhebt. Grundsätzlich sehen die meisten DBAs, die Deutschland abgeschlossen hat, zwei Methoden vor: die Freistellungsmethode und die Anrechnungsmethode. Kommt die Freistellungsmethode zur Anwendung, werden die betreffenden ausländischen Einkünfte in Deutschland von der Besteuerung freigestellt; sie sind jedoch für die Bestimmung des Steuersatzes in die sogenannte „Progression“ einzubeziehen. Bei Anwendung der Anrechnungsmethode, wie sie in bestimmten Abkommen für Dividenden, Zinsen oder Lizenzen vorgesehen ist, wird die im Ausland gezahlte Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet. Die genaue Anwendung richtet sich nach den jeweiligen Regelungen des spezifischen Abkommens, sodass eine Einzelfallprüfung erforderlich ist.
Welche Beschränkungen gibt es bei der Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf Kapitalerträge?
Die Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf Kapitalerträge, wie Zinsen, Dividenden oder Lizenzgebühren, ist grundsätzlich nach § 34c Abs. 1 EStG möglich, jedoch bestehen einige Einschränkungen. Maßgeblich ist die Höchstbetragsberechnung, nach welcher nur so viel ausländische Steuer angerechnet wird, wie auf die betreffenden Einkünfte in Deutschland an Steuern entfallen würde. Übersteigt die im Ausland gezahlte Quellensteuer diesen Betrag, wird der übersteigende Anteil nicht angerechnet und kann ggf. im Rahmen von Steuerrückerstattungsverfahren im Quellenstaat geltend gemacht werden. Zudem gilt: Eine Anrechnung erfolgt nur, wenn der Steuerpflichtige die ausländische Steuerlast wirtschaftlich tatsächlich getragen hat. Oftmals ist auch eine Mindeststeuerbelastung im ausländischen Staat Voraussetzung, um Missbrauch zu verhindern.
Können nicht angerechnete ausländische Steuern in Folgejahre vorgetragen werden?
Im deutschen Steuerrecht ist ein Vortrag nicht angerechneter ausländischer Steuern in Folgejahre grundsätzlich nicht vorgesehen. Das bedeutet, übersteigt die ausländische Steuer in einem Jahr die höchstens anzurechnende Steuer im Rahmen des § 34c EStG, geht die Differenz für den deutschen Steuerpflichtigen verloren. Eine Ausnahme besteht lediglich auf Grundlage bestimmter bilateraler Abkommen oder besonderer Rechtsvorschriften des ausländischen Quellenstaates, die jedoch selten zur Anwendung kommen. Ein Verlust- oder Übertragungsmechanismus, wie er beispielsweise in den USA existiert („foreign tax credit carryover“), ist im deutschen Recht explizit nicht vorgesehen.
Welche Besonderheiten gelten bei der Anrechnung für gewerbesteuerpflichtige Einkünfte?
Bei gewerbesteuerpflichtigen Einkünften ist zu beachten, dass auf die deutsche Gewerbesteuer keine ausländische Steuer angerechnet wird. Die Anrechnung bezieht sich ausschließlich auf die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Auslandseinkünfte, die im Rahmen eines Gewerbebetriebs erzielt werden, sind zwar grundsätzlich in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einzubeziehen, jedoch sieht das Gewerbesteuergesetz (GewStG) keine Anrechnung oder Abzugsfähigkeit ausländischer Steuer vor. Damit bleibt die ausländische Steuer auf Gewerbeerträge bei der Gewerbesteuer unberücksichtigt und es kann zu einer tatsächlichen Doppelbesteuerung auf Unternehmensebene kommen.
In welchen Fällen ist ein Steuerabzug nach § 50a EStG auf ausländische Einkünfte anrechenbar?
Der Steuerabzug nach § 50a EStG betrifft insbesondere in- und ausländische Künstler, Sportler und Lizenzgeber, die Einkünfte aus Deutschland erzielen, aber im Ausland ansässig sind. Die in diesem Zusammenhang in Deutschland einbehaltene Steuer kann unter bestimmten Bedingungen auf die im Ansässigkeitsstaat zu zahlende Steuer angerechnet werden, sofern das dortige Steuerrecht dies vorsieht. Nach deutschem Recht kann die nach § 50a einbehaltene Steuer jedoch nicht auf in Deutschland zu zahlende Steuern angerechnet werden, wenn der Empfänger dort nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen besteht die Möglichkeit der Rückerstattung bzw. Erstattung in Höhe des den Abkommensregelungen entsprechenden Betrags durch das Bundeszentralamt für Steuern – eine unmittelbare Anrechnung innerhalb der deutschen Veranlagung ist typischerweise ausgeschlossen.
Wie wirken sich Änderungen der ausländischen Steuer nachträglich auf die Anrechnung aus?
Kommt es nachträglich zu einer Änderung der im Ausland erhobenen Steuer, etwa durch eine Steuererstattung oder -nachforderung, ist dies dem Finanzamt unverzüglich anzuzeigen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung). Sollte sich die ursprünglich angerechnete ausländische Steuer vermindern, etwa durch eine nachträgliche Rückzahlung durch das ausländische Finanzamt, ist der Steuerpflichtige verpflichtet, dies dem deutschen Finanzamt anzuzeigen und die zu viel angerechnete Steuer zurückzuzahlen. Im umgekehrten Fall – einer nachträglichen Erhöhung der ausländischen Steuer – kann ein Antrag auf Änderung des deutschen Steuerbescheids gestellt werden, sofern die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Entscheidend ist in jedem Fall der tatsächliche Zufluss oder Abfluss der ausländischen Steuerbelastung.