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Anklageerhebung und -zulassung


Anklageerhebung und -zulassung

Die Anklageerhebung und -zulassung sind wesentliche Verfahrensschritte im Strafprozessrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie regeln, wie ein strafrechtlicher Vorwurf aus dem Stadium der Ermittlungen in das Hauptverfahren gelangt. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Voraussetzungen, Abläufe und die Bedeutung der Anklageerhebung und -zulassung im strafrechtlichen Verfahren.


Definition und Bedeutung

Die Anklageerhebung bezeichnet die förmliche Beschuldigung einer Person durch die zuständige Strafverfolgungsbehörde (in Deutschland und Österreich in der Regel die Staatsanwaltschaft) wegen einer Straftat und die Antragstellung auf gerichtliche Entscheidung. Die Anklage ist Voraussetzung für die Durchführung eines öffentlichen Hauptverfahrens vor Gericht.

Die Anklagezulassung ist der Akt des Gerichts, mit dem geprüft und entschieden wird, ob die erhobene Anklage die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und ob ein hinreichender Tatverdacht gegen die beschuldigte Person besteht. Erst mit der Zulassung der Anklage geht das Verfahren in das Hauptverfahren über.


Anklageerhebung

Rechtsgrundlagen

In Deutschland ist die Anklageerhebung hauptsächlich in § 170 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. In Österreich findet sich die Regelung insbesondere in den §§ 210ff. Strafprozessordnung (öStPO). Die Schweizerische Strafprozessordnung regelt das Anklageverfahren in Art. 324 ff. StPO.

Voraussetzungen

Vor der Anklageerhebung prüft die Staatsanwaltschaft, ob ein sogenannter „hinreichender Tatverdacht“ besteht. Ein hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn eine Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlicher ist als ein Freispruch.

Ermittlungsverfahren

Dem Schritt der Anklageerhebung geht ein Ermittlungsverfahren voraus. Dabei werden Beweise gesammelt, die den Sachverhalt objektiv klären sollen. Die Staatsanwaltschaft entscheidet nach Abschluss der Ermittlungen, ob die gesammelten Beweise zum Erheben einer Anklage ausreichen.

Inhalt der Anklageschrift

Die Anklageschrift muss bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Sie sollte folgende Elemente enthalten:

  • Angaben zur Person des Angeklagten
  • Genaue Bezeichnung der Tat (Tatzeit, Tatort, Tatvorwurf)
  • Die angewendeten Strafvorschriften
  • Die Beweismittel

Dies ermöglicht dem Gericht und dem Angeklagten eine präzise Vorbereitung auf die nachfolgende Hauptverhandlung.

Anklagearten

  • öffentliche Anklage: Die Regel ist die öffentliche Klage durch die Staatsanwaltschaft.
  • Privatklage: In bestimmten Fällen (z.B. Beleidigung, Hausfriedensbruch) kann die Geschädigte selbst als Kläger auftreten, wo die Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse bejaht.

Anklagezulassung

Zuständigkeit

Über die Zulassung der Anklage entscheidet das zur Hauptverhandlung zuständige Gericht. Dies kann je nach Schwere der Tat das Amtsgericht, Landgericht oder Oberlandesgericht sein.

Prüfungsmaßstab

Das Gericht prüft anhand der eingereichten Anklageschrift folgende Punkte:

  • Liegt ein hinreichender Tatverdacht vor?
  • Liegen Verfahrenshindernisse (z.B. Verjährung, fehlende Prozessfähigkeit) vor?
  • Wurden die formellen Anforderungen an die Anklageschrift erfüllt?
Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts
  • Zulassung der Anklage: Das Gericht lässt die Anklage zu und eröffnet das Hauptverfahren.
  • Ablehung der Anklagezulassung: Das Gericht lehnt die Zulassung ab, meist mangels Tatverdachts oder wegen eines Verfahrenshindernisses.
  • Teilweise Zulassung: Möglich, wenn nur einzelne Anklagepunkte ausreichend begründet erscheinen.

Rechtsmittel und Folgen

Beschwerde gegen die Nichtzulassung

Gegen die Nichtzulassung der Anklage kann die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegen. Eine Beschwerde der Beschuldigten gegen die Zulassung der Anklage ist hingegen nicht vorgesehen. Der Angeklagte kann aber im Zwischenverfahren Einwendungen gegen die Anklage vorbringen.

Folgen der Zulassung

Mit der Zulassung der Anklage wird die Beschuldigte zur oder zum Angeklagten. Das Verfahren tritt in die Hauptverhandlung ein, in der über Schuld oder Unschuld entschieden wird.


Besonderheiten

Zwischenverfahren

Im deutschen Strafprozess existiert ein sogenanntes Zwischenverfahren, das zwischen Anklageerhebung und Zulassung durch das Gericht liegt. Ziel ist die Verhinderung unbegründeter Anklagen und die Entlastung der Gerichte. Die Parteien können Stellung nehmen, das Gericht kann weitere Ermittlungen anordnen.

Unterschiede im internationalen Kontext

  • In Österreich und der Schweiz sind ebenfalls gerichtliche Entscheidungen zur Anklagezulassung vorgesehen, jedoch unterscheiden sich die Verfahrensregeln insbesondere im Detail.
  • In anderen Ländern gibt es häufig Varianten, zum Beispiel eine zwingende Grand Jury in den USA.

Bedeutung für das Strafverfahren

Die Anklageerhebung und -zulassung sind maßgebliche Meilensteine im Strafprozess. Sie markieren den Übergang vom Ermittlungsverfahren in das gerichtliche Hauptverfahren und gewährleisten sowohl einen wirksamen strafrechtlichen Schutz der Öffentlichkeit als auch die Rechte der Angeschuldigten. Die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen und Prüfungen stellen sicher, dass nur ausreichend belegte Fälle vor Gericht verhandelt werden.


Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, aktuelle Auflage
  • Karlsruher Kommentar zur StPO, aktuelle Auflage
  • Strafprozessordnung (StPO), § 170 ff. (Deutschland)
  • Österreichische Strafprozessordnung (§§ 210ff. öStPO)
  • Schweizerische Strafprozessordnung (Art. 324 ff. StPO)

Diese Darstellung bietet eine umfassende, sachliche und rechtlich fundierte Übersicht zum Thema Anklageerhebung und -zulassung mit allen wesentlichen Aspekten für den Rechtsalltag und das Verständnis strafprozessualer Verfahren.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Erhebung einer Anklage erfüllt sein?

Für die Erhebung einer Anklage müssen gemäß § 170 Abs. 1 StPO zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Die Staatsanwaltschaft prüft dabei nach Abschluss ihrer Ermittlungen, ob aus ihrer Sicht ein hinreichender Tatverdacht gegen die beschuldigte Person besteht. Das bedeutet, dass bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung in einer Hauptverhandlung wahrscheinlich ist. Diese Wahrscheinlichkeitsprognose beruht auf einer umfassenden Bewertung der vorhandenen Untersuchungsergebnisse, einschließlich Zeugen- und Sachverständigenaussagen, Urkunden und sonstiger Beweismittel. Bestehen Zweifel bezüglich der Erweisbarkeit oder rechtlichen Würdigung einzelner Tatmomente, sollten diese in der Hauptverhandlung und nicht im Rahmen der Anklageerhebung geklärt werden. Ein bloßer Anfangsverdacht reicht für die Anklageerhebung jedoch nicht aus, ebenso wenig wie bloße Mutmaßungen oder unbelegte Verdächtigungen.

Was prüft das Gericht im Rahmen der Anklagezulassung?

Bei der Anklagezulassung, oft auch als Eröffnungsentscheidung bezeichnet, prüft das Gericht gemäß § 203 StPO ausschließlich, ob ein sogenannter „hinreichender Tatverdacht“ gegeben ist. Das bedeutet, das Gericht überprüft in einem summarischen Prüfungsverfahren die durch die Ermittlungsbehörden gesammelten Beweismaterialien und Unterlagen dahingehend, ob bei dieser Beweislage eine Verurteilung der Angeschuldigten wahrscheinlich ist. Es findet keine vollständige Beweisaufnahme statt, sondern eine vorläufige Beurteilung der Tragfähigkeit der im Ermittlungsverfahren gesicherten Beweise. Das Gericht ist dabei nicht an die rechtliche Würdigung oder die Tatsachenfeststellungen der Staatsanwaltschaft gebunden. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der hinreichende Tatverdacht fehlt, lehnt es die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.

Kann die Staatsanwaltschaft nach Anklageerhebung die Anklage noch zurücknehmen?

Grundsätzlich ist eine Rücknahme oder Beschränkung der Anklage nach § 206a StPO nur eingeschränkt möglich. Vor dem Eröffnungsbeschluss des Gerichts kann die Staatsanwaltschaft die Anklage jederzeit zurücknehmen. Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens ist eine Rücknahme der Anklage nicht mehr zulässig. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen eines Verfahrenshindernisses, etwa bei nachträglichem Eintritt der Strafverfolgungsverjährung, gemäß § 206a StPO beantragen, das Verfahren einzustellen. Zudem ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, den ursprünglichen Anklagevorwurf im Wege der Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO zu erweitern oder zu verändern.

Welche Bedeutung hat die Anklageschrift im Strafprozess?

Die Anklageschrift hat im deutschen Strafverfahren eine zentrale Funktion, da sie den maßgeblichen Rahmen für das Hauptverfahren festlegt. Gemäß § 200 StPO muss die Anklageschrift den Angeschuldigten, die Tat sowie die gesetzlichen Merkmale der Straftat bezeichnen, die wesentlichen Ergebnisse der Ermittlungen zusammenfassen und alle Beweismittel aufführen, auf die sich die Anklage stützt. Sie dient dem rechtlichen Gehör des Angeschuldigten, indem sie diesem eine eingehende Information über die Vorwürfe und den prozessualen Ablauf ermöglicht. Darüber hinaus bildet sie die Grundlage für die gerichtliche Prüfung der Eröffnung des Hauptverfahrens und begrenzt den Gegenstand der Hauptverhandlung (sogenannter Anklagegrundsatz).

Ist der Angeschuldigte im Verfahren der Anklagezulassung zu hören?

Der Angeschuldigte ist nicht zwingend in jedem Fall vor der Entscheidung über die Anklagezulassung gerichtlich zu hören. Allerdings ist ihm im Ermittlungsverfahren bereits vor Abschluss der Ermittlungen gemäß § 163a Abs. 1 und § 170a StPO Gelegenheit zur Äußerung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu geben. Im Eröffnungsverfahren selbst kann das Gericht ergänzende Stellungnahmen einholen oder im Ausnahmefall eine ergänzende Beweisaufnahme durchführen, etwa wenn Zweifel an der Schlüssigkeit der Anklage bestehen. Eine förmliche gerichtliche Anhörung vor der Eröffnungsentscheidung ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen.

Inwieweit kann die Anklage nach ihrer Zulassung noch abgeändert werden?

Nach der Zulassung der Anklage ist deren inhaltliche Änderung grundsätzlich nur begrenzt möglich. Eine Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO ist zulässig, wenn dem Angeklagten noch weitere Taten zur Last gelegt werden, die im Zusammenhang mit der bereits angeklagten Tat stehen und sich aus dem bisherigen Ermittlungsergebnis ergeben. Veränderungen bezüglich der rechtlichen Bewertung oder der tatsächlichen Ausgestaltung des Tatvorwurfs sind hingegen in der Hauptverhandlung durch das Gericht möglich, sofern der Angeklagte ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung erhält und keine prozessualen Verbote entgegenstehen. Insbesondere der sogenannte „Rechtsmittelzug“ bleibt hiervon unberührt; gravierende Änderungen der Anklage können ein neues gerichtliches Verfahren erfordern.

Was passiert, wenn das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt?

Wird die Eröffnung des Hauptverfahrens durch das zuständige Gericht gemäß § 204 Abs. 1 StPO abgelehnt, weil kein hinreichender Tatverdacht besteht oder ein Verfahrenshindernis vorliegt, wird das Verfahren eingestellt. Die Angeschuldigten gelten in Bezug auf die angeklagten Taten als nicht vorbestraft. Die Staatsanwaltschaft kann gegen die ablehnende Entscheidung Beschwerde nach § 210 StPO einlegen. Wird die Beschwerde zurückgewiesen, ist das Verfahren rechtskräftig beendet; eine erneute Anklageerhebung wegen desselben Sachverhalts ist nur bei Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweise nach § 211 StPO zulässig.