Begriff und Stellung des Angeklagten
Als Angeklagter wird die Person bezeichnet, gegen die in einem Strafverfahren eine Anklage erhoben und zur Hauptverhandlung zugelassen wurde. Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens ändert sich die Stellung der betroffenen Person: Aus dem Beschuldigten wird der Angeklagte. Ihm wird ein bestimmter Tatvorwurf zur Last gelegt, über den in öffentlicher Verhandlung vor Gericht verhandelt wird. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Der Angeklagte ist eigenständige Verfahrenspartei mit umfassenden Rechten und bestimmten Pflichten.
Abgrenzungen und Verfahrensabschnitte
Vom Verdächtigen zum Beschuldigten
Ein Verdacht entsteht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte auf eine Straftat hinweisen. Erhärtet sich dieser Verdacht, richtet sich das Ermittlungsverfahren gegen eine konkrete Person, die als Beschuldigter bezeichnet wird. In dieser Phase sammeln die Strafverfolgungsbehörden Beweise, um den Tatvorwurf zu klären.
Vom Beschuldigten zum Angeklagten
Nach Abschluss der Ermittlungen kann die Staatsanwaltschaft Anklage erheben. Nimmt das zuständige Gericht die Anklage an und eröffnet das Hauptverfahren, wird der Beschuldigte zum Angeklagten. Erst ab diesem Zeitpunkt findet eine mündliche Hauptverhandlung über den Tatvorwurf statt.
Angeklagter im Strafbefehls- und Privatklageverfahren
In Verfahren mit Strafbefehl erfolgt eine Entscheidung zunächst ohne mündliche Hauptverhandlung. Erhebt die betroffene Person fristgerecht Einspruch und wird eine Hauptverhandlung anberaumt, nimmt sie dort die Stellung eines Angeklagten ein. Bei einer Privatklage, die von einer verletzten Person geführt wird, entsteht die Angeklagtenstellung ebenfalls mit der gerichtlichen Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung.
Ende der Stellung als Angeklagter
Die Stellung als Angeklagter endet mit dem Abschluss des Verfahrens. Das kann durch Freispruch, durch Einstellung oder durch Schuldspruch geschehen. Mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils ist die Angeklagtenstellung beendet.
Rechte des Angeklagten
Teilnahme- und Anwesenheitsrechte
Der Angeklagte hat grundsätzlich das Recht, an der Hauptverhandlung anwesend zu sein, den Verlauf zu verfolgen und sich zum Tatvorwurf zu äußern. Er hat das Recht, der Beweisaufnahme beizuwohnen, Zeugen wahrzunehmen und Erklärungen abzugeben.
Äußerungsfreiheit und Schweigerecht
Der Angeklagte ist nicht verpflichtet, sich zur Sache zu äußern. Er darf schweigen, Aussagen teilweise oder vollständig verweigern und darf sich nicht selbst belasten. Schweigen darf nicht zu seinem Nachteil gewertet werden.
Verteidigung und Beistand
Der Angeklagte kann sich verteidigen lassen und einen rechtlichen Beistand wählen. In bestimmten Konstellationen ist eine Verteidigung durch einen Beistand verpflichtend, etwa bei schwerwiegenden Vorwürfen oder komplexen Verfahrenslagen.
Einsichts- und Informationsrechte
Dem Angeklagten steht zu, über den Tatvorwurf und den Verfahrensstand informiert zu werden. Er kann über seinen Beistand Einsicht in die Ermittlungsakte erhalten, um den Inhalt der Beweismittel und die Grundlage des Vorwurfs zu kennen.
Beweisantrags- und Fragerechte
Der Angeklagte kann Beweisanträge stellen, Beweisanregungen geben und Fragen an Zeugen und Sachverständige richten lassen. Das Gericht entscheidet über die Zulassung der beantragten Beweiserhebungen.
Letztes Wort
Vor der Urteilsverkündung erhält der Angeklagte das letzte Wort. Er kann sich persönlich zur Sache äußern, unabhängig von den Ausführungen seines Beistands.
Pflichten und prozessuale Mitwirkung
Ladungen und Erscheinenspflicht
Der Angeklagte ist verpflichtet, gerichtlichen Ladungen Folge zu leisten und zur Hauptverhandlung zu erscheinen, sofern keine gesetzliche Ausnahme greift. Ein unentschuldigtes Ausbleiben kann prozessuale Maßnahmen nach sich ziehen.
Angaben zur Person
Zu Beginn der Verhandlung werden die Personalien erhoben. Der Angeklagte ist zur wahrheitsgemäßen Angabe grundlegender personenbezogener Daten verpflichtet. Angaben zur Sache muss er nicht machen.
Ordnung im Sitzungssaal
Der Angeklagte hat die Ordnung der Verhandlung zu wahren. Bei Störungen kommen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sitzungsordnung in Betracht, die bis zur Entfernung aus dem Saal reichen können.
Duldung bestimmter Maßnahmen
Im Verlauf des Verfahrens können Maßnahmen zur Sicherung der Identität und des Verfahrens erforderlich werden, etwa erkennungsdienstliche Behandlungen oder Durchsuchungen. Diese unterliegen gesetzlichen Voraussetzungen und gerichtlicher oder behördlicher Anordnung.
Ablauf der Hauptverhandlung aus Sicht des Angeklagten
Eröffnung und Belehrung
Zu Beginn der Hauptverhandlung wird die Anklage verlesen. Der Angeklagte wird über seine Rechte belehrt, insbesondere über sein Schweigerecht und seine Verteidigungsrechte.
Vernehmung und Beweisaufnahme
Auf die Verlesung der Anklage folgt regelmäßig die Vernehmung des Angeklagten zur Person und – sofern er sich äußern möchte – zur Sache. Die Beweisaufnahme umfasst Zeugenvernehmungen, Sachverständigengutachten, Urkunden und Augenscheinsobjekte.
Plädoyers und letztes Wort
Nach Abschluss der Beweisaufnahme halten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Schlussvorträge. Danach erhält der Angeklagte das letzte Wort, bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzieht.
Urteil, Rechtsmittel, Rechtskraft
Das Gericht verkündet das Urteil. Es kann Freispruch, Verurteilung oder Einstellung aussprechen. Gegen ein nicht rechtskräftiges Urteil stehen Rechtsmittel offen. Mit Rechtskraft endet das Verfahren.
Besondere Konstellationen
Mehrere Angeklagte und Trennung von Verfahren
Bei mehreren Angeklagten kann das Gericht Verfahren verbinden oder trennen. Dies dient der Übersichtlichkeit und Verfahrensökonomie. Rechte jedes einzelnen Angeklagten bleiben gewahrt.
Abwesenheitsverfahren
Grundsätzlich ist die Anwesenheit des Angeklagten erforderlich. In bestimmten, gesetzlich umrissenen Fällen kann eine Hauptverhandlung oder einzelne Verfahrensschritte in Abwesenheit stattfinden, etwa bei geringfügigen Vorwürfen oder wenn der Angeklagte ordnungsgemäß vertreten ist.
Jugendliche und Heranwachsende
Bei jungen Personen gelten besondere Vorschriften zu Verfahrensgestaltung, Sanktionen und Verhandlungspublikum. Zielsetzung und Ablauf können sich von Verfahren gegen Erwachsene unterscheiden.
Nebenklage und Nebenbeteiligte
Verletzte Personen können sich der Anklage als Nebenkläger anschließen. Dadurch erhalten sie eigene Verfahrensrechte. Die Stellung des Angeklagten als zentrale Partei des Strafverfahrens bleibt davon unberührt.
Folgen der Anklage für den Angeklagten
Unschuldsvermutung und gesellschaftliche Wahrnehmung
Die Unschuldsvermutung schützt den Angeklagten vor Vorverurteilung. Gleichwohl kann die öffentliche Wahrnehmung belastend sein. Das Gericht wahrt Neutralität und entscheidet allein auf Grundlage der Beweise.
Maßnahmen der Verfahrenssicherung
Zur Sicherung der Durchführung des Verfahrens kann das Gericht Maßnahmen anordnen, etwa Meldeauflagen, Kontaktverbote oder Untersuchungshaft. Diese Maßnahmen setzen besondere Voraussetzungen voraus und sind kontrollierbar.
Öffentlichkeit und Persönlichkeitsschutz
Strafverhandlungen sind grundsätzlich öffentlich. Zum Schutz der Persönlichkeit können Teile der Verhandlung nichtöffentlich stattfinden. Über Berichterstattung und Anonymisierung entscheidet der Einzelfall nach den geltenden Regeln.
Beendigung der Angeklagtenstellung und Einträge
Freispruch, Einstellung, Schuldspruch
Ein Freispruch hebt den Tatvorwurf auf. Eine Einstellung beendet das Verfahren ohne Schuldspruch. Bei Schuldspruch folgen Rechtsfolgen, deren Art und Höhe im Urteil festgelegt werden.
Kostenentscheidungen
Mit dem Abschluss des Verfahrens trifft das Gericht eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen. Diese Entscheidung richtet sich nach dem Ausgang des Verfahrens.
Registereinträge
Verurteilungen können zu Einträgen in einschlägige Register führen. Art und Dauer der Eintragung richten sich nach der verhängten Rechtsfolge und den dafür geltenden Vorgaben.
Häufig gestellte Fragen
Ab wann gilt man als Angeklagter?
Als Angeklagter gilt eine Person, sobald ein Gericht die Anklage zulässt und das Hauptverfahren eröffnet. Vorher ist die Person Beschuldigter im Ermittlungsverfahren.
Muss ein Angeklagter aussagen?
Nein. Ein Angeklagter ist nicht verpflichtet, Angaben zur Sache zu machen. Er kann schweigen oder sich nur teilweise äußern. Das Schweigen darf nicht zu seinem Nachteil gewertet werden.
Darf ein Angeklagter der Verhandlung fernbleiben?
Im Regelfall besteht Anwesenheitspflicht. Ausnahmen sind nur in bestimmten, gesetzlich geregelten Konstellationen möglich, etwa bei geringfügigen Vorwürfen oder bei wirksamer Vertretung in genau umschriebenen Fällen.
Welche Rechte hat der Angeklagte in der Beweisaufnahme?
Der Angeklagte darf der Beweisaufnahme beiwohnen, Fragen stellen lassen und Beweisanträge stellen. Das Gericht entscheidet darüber, welche Beweise erhoben werden.
Was bedeutet das letzte Wort des Angeklagten?
Vor der Urteilsverkündung erhält der Angeklagte die Gelegenheit, sich persönlich abschließend zu äußern. Dieses Recht besteht unabhängig von vorherigen Erklärungen.
Was passiert, wenn der Angeklagte einer Ladung nicht folgt?
Ein unentschuldigtes Ausbleiben kann zu prozessualen Maßnahmen führen, die der Sicherung der Verhandlung dienen. Dazu gehören Anordnungen, die das Erscheinen durchsetzen sollen.
Wann endet die Stellung als Angeklagter?
Die Stellung als Angeklagter endet mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, sei es durch Freispruch, Einstellung oder Verurteilung.