Begriff und Funktion des Angebots
Ein Angebot ist eine rechtlich bindende Erklärung, mit der eine Person einer anderen den Abschluss eines Vertrages zu bestimmten Bedingungen vorschlägt. Es richtet sich an einen oder mehrere konkrete Empfänger und ist so bestimmt formuliert, dass der Vertrag durch ein einfaches „Ja“ zustande kommen kann. Zusammen mit der Annahme bildet das Angebot den Kern des Vertragsschlusses.
Einordnung im Vertragsabschluss
Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende Erklärungen zustande: das Angebot und die Annahme. Das Angebot legt die wesentlichen Punkte fest; die Annahme bestätigt diese ohne Änderungen. Weicht die Annahme ab, liegt rechtlich keine Annahme, sondern ein neues Angebot (Gegenangebot) vor.
Abgrenzung zur Aufforderung zur Abgabe eines Angebots
Nicht jede Produktdarstellung ist bereits ein Angebot. Häufig handelt es sich um eine unverbindliche Aufforderung an Interessierte, selbst ein Angebot abzugeben (zum Beispiel Prospekte, Schaufensterauslagen oder viele Online-Produktseiten). Ob eine Erklärung bereits ein verbindliches Angebot darstellt, hängt von der inhaltlichen Bestimmtheit und dem erkennbaren Bindungswillen ab.
Inhaltliche Anforderungen
Wesentliche Vertragsbestandteile
Damit ein Angebot verbindlich sein kann, müssen die wesentlichen Vertragsbestandteile feststehen oder jedenfalls bestimmbar sein. Je nach Vertragstyp sind dies insbesondere:
- Vertragsgegenstand (z. B. Ware, Werkleistung, Dienstleistung)
- Preis oder eine klare Bestimmungsgrundlage
- Ggf. Menge, Qualität, Liefer- oder Leistungsort, Leistungszeit
Weitere Inhalte (z. B. Zahlungsweise, Gewährleistungsmodalitäten) können ergänzt werden. Unklare oder widersprüchliche Regelungen können die Verbindlichkeit beeinträchtigen.
Bestimmtheit und Bindungswille
Das Angebot muss erkennen lassen, dass der Erklärende rechtlich gebunden sein möchte. Formulierungen wie „freibleibend“, „ohne Obligo“ oder „solange der Vorrat reicht“ können den Bindungswillen einschränken. Entscheidend ist der objektive Erklärungsgehalt aus Sicht des Empfängers.
Abgabe und Zugang
Formen des Angebots
Ein Angebot kann mündlich, schriftlich, telefonisch, per E-Mail, über Online-Formulare oder durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Für bestimmte Verträge können besondere Formvorschriften gelten (z. B. Schriftform oder notarielle Beurkundung). Fehlt die vorgeschriebene Form, entfaltet das Angebot keine beabsichtigte Bindungswirkung.
Zugang beim Empfänger
Ein Angebot wird wirksam, wenn es dem Empfänger zugeht. Zugang bedeutet, dass die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Bei persönlicher Übergabe ist dies unmittelbar der Fall; bei Briefen, E-Mails oder Nachrichten kommt es auf die üblichen Empfangszeiten und Abrufmöglichkeiten an.
Bindung und Annahmefrist
Bindungsdauer
Der Erklärende ist grundsätzlich an sein Angebot gebunden. Die Bindungsdauer ergibt sich aus:
- einer ausdrücklich genannten Frist,
- den Umständen des Einzelfalls (Art des Geschäfts, Kommunikationsweg),
- oder den Verkehrssitten.
Bei unmittelbarer Kommunikation ist eine zügige Reaktion zu erwarten. Bei Angeboten an Abwesende gilt eine angemessene Frist, die Übermittlungs- und Überlegungszeiten berücksichtigt.
Widerruf, Rücknahme und Erlöschen des Angebots
Widerruf und Rücknahme
Ein Angebot kann unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen oder zurückgenommen werden. Wirksam ist ein Widerruf regelmäßig nur, wenn er den Empfänger vor oder gleichzeitig mit dem Angebot erreicht. Nach Annahme besteht grundsätzlich keine Möglichkeit mehr, das Angebot einseitig zu beseitigen.
Erlöschen des Angebots
Ein Angebot erlischt insbesondere durch:
- Ablehnung,
- Gegenangebot,
- Ablauf der Annahmefrist,
- Änderung des Angebotsinhalts,
- Umstände, die unüberbrückbar an der Ausführung hindern.
Besonderheiten können bestehen, wenn der Empfänger von der fehlenden Geschäftsfähigkeit oder vom Tod des Anbietenden Kenntnis hat.
Besonderheiten in ausgewählten Konstellationen
Werbung, Prospekte und Onlineshops
Allgemeine Werbung richtet sich häufig an einen unbestimmten Personenkreis und ist meist unverbindlich. Viele Onlineshops präsentieren Waren als Aufforderung zur Abgabe eines Angebots; der Vertrag kommt dann erst mit ausdrücklicher Annahme zustande, etwa durch Auftrags- oder Versandbestätigung. Die konkrete Ausgestaltung der Bestellschritte ist für die Einordnung maßgeblich.
Auktionen und Plattformen
Bei klassischen Versteigerungen gilt der Zuschlag als Annahme. In Online-Formaten ergeben sich die Rollen (Angebot oder Annahme durch Bieter oder Anbieter) aus den veröffentlichten Plattformregeln. Die Bindung richtet sich nach der dort vorgesehenen Mechanik, etwa Gebotsabgabe, Fristablauf und Zuschlag.
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
AGB können Bestandteil eines Angebots werden, wenn hierauf deutlich hingewiesen wird und die Möglichkeit zur Kenntnisnahme besteht. Werden AGB wirksam einbezogen, ergänzen oder konkretisieren sie die angebotenen Bedingungen. Unklare oder überraschende Klauseln können unwirksam sein.
Bedingungen und Befristungen
Ein Angebot kann unter eine Bedingung (zum Beispiel Finanzierung, Genehmigung) gestellt oder befristet werden. Bei aufschiebenden Bedingungen entsteht die Bindung erst mit Eintritt der Bedingung; Befristungen legen eine eindeutige Annahmezeit fest.
Stellvertretung und Vertretungsmacht
Ein Angebot kann durch eine vertretungsberechtigte Person abgegeben werden. Entscheidend ist das Bestehen und der Umfang der Vertretungsmacht. Überschreitet die handelnde Person ihre Befugnisse, ist das Angebot dem Vertretenen nicht ohne Weiteres zuzurechnen.
Minderjährige und beschränkt Geschäftsfähige
Bei Erklärungen von Personen mit beschränkter Geschäftsfähigkeit gelten zusätzliche Voraussetzungen. Je nach Art und Umfang des Geschäfts kann eine Zustimmung der gesetzlichen Vertretung erforderlich sein. Ohne die erforderliche Zustimmung entfaltet ein Angebot möglicherweise keine oder nur eingeschränkte Wirkung.
Verbraucherverträge und Fernkommunikation
Bei Verträgen, die unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln zustande kommen, bestehen Informationspflichten und besondere Anforderungen an Transparenz und Bestellablauf. Die Einhaltung dieser Vorgaben beeinflusst, ab welchem Schritt ein Angebot als abgegeben oder angenommen gilt.
Internationale Bezüge und Vertragssprache
Bei grenzüberschreitenden Verträgen können unterschiedliche Rechtsordnungen in Betracht kommen. Sprache, Auslegung und die Bestimmung des anwendbaren Rechts wirken sich auf die Frage aus, wann ein Angebot als bindend gilt und wie es zu verstehen ist.
Fehler und Irrtümer im Angebot
Kommt es zu Erklärungs- oder Übermittlungsfehlern (zum Beispiel Schreib- oder Preisfehler), kann das Angebot vom tatsächlich Gewollten abweichen. Je nach Art des Irrtums und den Umständen kann eine Anfechtung in Betracht kommen. Eine Anfechtung wirkt auf den Zeitpunkt der Abgabe zurück und berührt gegebenenfalls bestehende Ausgleichspflichten. Maßgeblich sind die Erkennbarkeit des Fehlers und die Schutzwürdigkeit der Gegenseite.
Dokumentation und Beweiswert
Bestätigungsschreiben und elektronische Nachrichten
Schriftliche oder elektronische Dokumente wie Bestellbestätigung, Auftragsbestätigung oder Versandbestätigung können unterschiedliche Funktionen haben. Eine reine Empfangsbestätigung weist nur den Eingang einer Bestellung nach; eine Auftrags- oder Versandbestätigung enthält regelmäßig die Annahme. Der genaue Wortlaut ist entscheidend.
Schweigen im Geschäftsverkehr
Schweigen gilt grundsätzlich nicht als Annahme eines Angebots. Ausnahmen können sich aus besonderen Branchengepflogenheiten, laufenden Geschäftsbeziehungen oder vorab getroffenen Vereinbarungen ergeben. Der Einzelfall und die Verkehrssitte sind maßgeblich.
Abgrenzungen zu ähnlichen Instrumenten
Anfrage
Die Anfrage dient der Informationsgewinnung und enthält noch keinen Bindungswillen. Sie zielt darauf ab, ein Angebot zu erhalten.
Kostenvoranschlag
Ein Kostenvoranschlag ist in der Regel eine unverbindliche Schätzung. Er kann verbindlich werden, wenn dies ausdrücklich klargestellt wird und die wesentlichen Vertragsbestandteile feststehen.
Letter of Intent und Absichtserklärungen
Solche Dokumente dokumentieren Verhandlungsstände oder Grundverständnisse. Sie sind häufig nicht auf unmittelbaren Vertragsschluss gerichtet und begründen regelmäßig nur Pflichten zur fairen Verhandlung, nicht aber den Hauptvertrag.
Option und Optionsvertrag
Eine Option gewährt das Recht, innerhalb eines Zeitraums durch einseitige Erklärung einen Vertrag zu schließen. Das zugrunde liegende Angebot wird dadurch festgehalten und ist während der Optionsfrist nicht frei widerruflich.
Häufig gestellte Fragen
Wann liegt ein rechtlich bindendes Angebot vor?
Ein bindendes Angebot liegt vor, wenn der Erklärende erkennbar den Willen hat, sich rechtlich zu binden, und die wesentlichen Vertragsbestandteile bestimmt oder bestimmbar sind. Es muss so konkret sein, dass der Vertrag durch einfache Zustimmung des Empfängers zustande kommen kann.
Ist Werbung oder eine Produktseite im Internet ein Angebot?
In vielen Fällen sind Werbung, Kataloge, Prospekte und Produktseiten lediglich Aufforderungen, ein Angebot abzugeben. Ob bereits ein Angebot vorliegt, hängt vom Grad der Bestimmtheit und der erkennbaren Bindung ab. Erst eine ausdrückliche Annahmeerklärung schließt den Vertrag.
Wie lange ist man an ein Angebot gebunden?
Die Bindungsdauer ergibt sich aus einer vereinbarten Frist oder, wenn diese fehlt, aus einer angemessenen Frist unter Berücksichtigung von Geschäftstyp, Kommunikationsweg und üblichen Überlegungszeiten. Nach Fristablauf erlischt das Angebot.
Kann ein Angebot widerrufen werden?
Ein Widerruf ist möglich, wenn er den Empfänger vor oder gleichzeitig mit dem Angebot erreicht. Nach Zugang und Annahme besteht grundsätzlich keine Möglichkeit mehr, das Angebot einseitig zu beseitigen. Ausnahmen können sich aus besonderen Vereinbarungen ergeben.
Was ist der Unterschied zwischen Bestellbestätigung und Auftragsbestätigung?
Eine Bestellbestätigung bestätigt häufig nur den Eingang einer Bestellung, ohne den Vertrag bereits abzuschließen. Eine Auftragsbestätigung enthält regelmäßig die Annahme des Angebots und führt damit zum Vertragsschluss. Maßgeblich ist der konkrete Inhalt des Schreibens.
Welche Rolle spielen AGB beim Angebot?
AGB können Bestandteil des Angebots sein, wenn hierauf klar hingewiesen wird und eine zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme besteht. Wirksam einbezogene AGB ergänzen die Angebotsbedingungen. Unklare oder überraschende Klauseln können unwirksam sein.
Gilt Schweigen als Annahme eines Angebots?
Grundsätzlich nicht. Ausnahmen können sich aus Handelsbräuchen, laufenden Geschäftsbeziehungen oder besonderen Vereinbarungen ergeben, in denen Schweigen als Zustimmung gewertet wird.
Was passiert bei Preis- oder Schreibfehlern im Angebot?
Bei Irrtümern kann die Erklärung vom Gewollten abweichen. Je nach Lage kann eine Anfechtung in Betracht kommen. Dies kann dazu führen, dass der Vertrag rückwirkend entfällt; etwaige Ausgleichspflichten richten sich nach den Umständen des Einzelfalls.