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Anforderungsbehörden


Begriff und rechtliche Einordnung der Anforderungsbehörden

Anforderungsbehörden sind öffentliche Stellen, Behörden oder Körperschaften, die im Rahmen ihrer Aufgabenstellung Güter, Dienstleistungen oder Werke im Wege eines öffentlich-rechtlichen Beschaffungsprozesses nachfragen und anfordern. Der Begriff „Anforderungsbehörde“ findet insbesondere im Vergaberecht, Haushaltsrecht sowie im öffentlichen Sektor vielfache Anwendung und besitzt dementsprechend eine zentrale Bedeutung für die Rechtsordnung der öffentlichen Beschaffung in Deutschland.

Rechtsgrundlagen und Definition

Gesetzliche Verankerung

Im bundesdeutschen Recht wird der Begriff Anforderungsbehörde weder abschließend noch einheitlich gesetzlich definiert, kommt jedoch in verschiedenen bundes- und landesrechtlichen Normierungen, insbesondere im Haushaltsrecht sowie im Recht der öffentlichen Auftragsvergabe, vor. Häufig sind die Verwaltungsvorschriften der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und der Landeshaushaltsordnungen (LHO) maßgebend, wenn es um Definition und Aufgaben von Anforderungsbehörden geht. Auch spezialgesetzliche Regelungen wie das Vergaberecht (§ 98 ff. GWB, VgV, UVgO) adressieren die Rolle dieser Behörden.

Als Anforderungsbehörden werden im Wesentlichen die fachlich zuständigen Dienststellen verstanden, die für ihren originären Aufgabenbereich den Bedarf an Sach- oder Dienstleistungen rechtlich und tatsächlich feststellen und gegenüber der zuständigen Vergabestelle oder dem zentralen Beschaffungsamt anzeigen.

Abgrenzung zu anderen Behördenbegriffen

Abzugrenzen ist die Anforderungsbehörde insbesondere von der Vergabestelle. Während die Vergabestelle rechtlich für die Durchführung des Vergabeverfahrens zuständig ist, obliegt der Anforderungsbehörde allein die Feststellung des Bedarfs und das Stellen des Antrags auf Beschaffung bzw. Leistungserbringung. In vielen Fällen handelt es sich um verschiedene Organisationseinheiten innerhalb derselben Behörde.

Aufgaben und Zuständigkeiten

Bedarfsermittlung und Bedarfsanmeldung

Die zentrale Aufgabe der Anforderungsbehörden liegt in der sogenannten Bedarfsermittlung. Sie haben festzustellen, welche Güter, Leistungen oder Bauaufträge zur sachgemäßen Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben benötigt werden. Darauf aufbauend melden sie diesen Bedarf in einem festgelegten Verfahren der zuständigen Vergabestelle, meist durch eine sogenannte Bedarfsanforderung.

Veranlassung des Beschaffungsvorgangs

Anforderungsbehörden initiieren durch ihre Bedarfsmeldung den Beschaffungsprozess, indem sie die auszuschreibende oder zu bestellende Leistung präzise beschreiben und die hierfür notwendigen Mittel beantragen. Die formalen Anforderungen hierfür richten sich nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen wie der Bundeshaushaltsordnung und entsprechenden Verwaltungsvorschriften.

Beteiligung im Vergabeverfahren

Im Rahmen des Vergabeverfahrens werden Anforderungsbehörden typischerweise in die Erstellung der Leistungsbeschreibung einbezogen. Sie wirken so darauf hin, dass die ausgeschriebene Leistung dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Zudem sind sie verpflichtet, die wirtschaftlichste Variante zur Bedarfsdeckung zu wählen und das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 7 BHO zu beachten.

Verantwortung und Haftung

Anforderungsbehörden tragen die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit und sachliche Notwendigkeit ihrer Bedarfsanmeldungen. Falsche Bedarfsmeldungen können sowohl haushaltsrechtliche wie auch disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen, da etwaige Fehlausgaben oder Verstöße gegen das Konnexitätsprinzip des Haushaltsrechts aufgedeckt werden können.

Rolle im Haushalts- und Vergaberecht

Stellung im Haushaltsrecht

Gemäß § 34 BHO sowie korrespondierenden Vorschriften der Länder sind Anforderungsbehörden verpflichtet, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im Rahmen der ihnen zugewiesenen Haushaltsmittel zu tätigen. Die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Mittelverwendung muss gewährleistet sein. Eine wesentliche Aufgabe ist es, vor jeder Anforderung die sachliche Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Ausgaben streng zu prüfen und zu dokumentieren.

Einbindung im Vergaberecht

Im Vergaberecht sind Anforderungsbehörden in der Regel der „Bedarfsträger“. Sie liefern die notwendige Spezifikation für die Leistung und begleiten oftmals das Vergabeverfahren als sachkundige Stelle. Allerdings sind sie üblicherweise nicht berechtigt, selbständig Aufträge zu vergeben; dies obliegt ausschließlich den Vergabestellen oder den zentralen Beschaffungsämtern.

Rechtliche Besonderheiten bei zentralen Beschaffungsstellen

In vielen Fällen existieren für mehrere Bedarfsträger sogenannte „zentrale Beschaffungsstellen“ (z. B. das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern). In diesem Fall fungieren die eigentlichen Anforderungsbehörden als Nachfrager, während die ausliefernde Vergabestelle die Beschaffung rechtlich abwickelt. Dieses Strukturmodell bietet Vorteile bei der Wirtschaftlichkeit (z. B. durch Mengenkontrakte, Sammelbestellungen) und der rechtlichen Vereinfachung des Vergabeprozesses.

Rechtsfolgen und Pflichten

Dokumentationspflichten

Anforderungsbehörden sind verpflichtet, sämtliche Schritte der Bedarfsermittlung und der Bedarfsmeldung revisionssicher zu dokumentieren. Dies ist insbesondere im Hinblick auf mögliche Prüfungen durch Rechnungshöfe oder Kontrollen nach Art. 114 GG von zentraler Bedeutung.

Kontrollmöglichkeiten und Überprüfungsverfahren

Haushalts- und verwaltungsrechtliche Prüfungen der Anforderungsbehörden obliegen sowohl internen Revisionen wie auch den übergeordneten Rechnungsprüfungsämtern. Fehlerhafte oder unvollständige Dokumentationen sowie Bedarfsanmeldungen außerhalb geltender Vorschriften können zu Beanstandungen und Rückforderungen führen.

Bedeutung und Praxisrelevanz

Die ordnungsgemäße Arbeitsteilung zwischen Anforderungsbehörden und Vergabestellen ist wesentlich für die Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit öffentlicher Beschaffung. Die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben schützt nicht nur vor Verstößen gegen das Haushalts- und Vergaberecht, sondern funkiert auch als Kontrollmechanismus gegen Verschwendung öffentlicher Mittel und fördert transparente Verwaltungsprozesse.

Literatur und weiterführende Hinweise

Weitergehende Informationen zur Thematik der Anforderungsbehörden finden sich in Kommentaren zur BHO, den Erläuterungen zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), Fachliteratur zum Vergabe- und Haushaltsrecht sowie den jeweiligen Verwaltungsvorschriften und Erlassen der Bundes- und Landesministerien.


Zusammenfassung:
Anforderungsbehörden sind für die Bedarfsermittlung, die Anforderung von Leistungen und die sachliche Darstellung und Prüfung von Bedarfen innerhalb der öffentlichen Verwaltung verantwortlich. Sie stehen dabei im komplexen Geflecht von Haushaltsrecht, Vergaberecht und behördeninternen Vorschriften und sind maßgeblich für die Einhaltung von Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Aufgaben und Befugnisse von Anforderungsbehörden?

Die Aufgaben und Befugnisse von Anforderungsbehörden sind vorrangig im öffentlichen Recht geregelt. Zentrale Normen finden sich beispielsweise im Gesetz über das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK-Gesetz), im Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe (ZSKG) sowie im jeweiligen Landeskatastrophenschutzrecht. Darüber hinaus können spezialgesetzliche Vorschriften wie das Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder das Polizeirecht der Länder einschlägig sein, wenn Anforderungsbehörden im Rahmen ihrer Aufgaben tätig werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen konkretisieren die Voraussetzungen und das Verfahren für Anforderung, Einsatz und Zusammenarbeit staatlicher Stellen und privater Hilfsorganisationen und gewährleisten so die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Verwaltungshandelns. Gegenstand der gesetzlichen Regelungen sind typischerweise Kompetenzzuweisungen, Verfahrensweisen für die Koordination von Kräften und Mitteln sowie Vorschriften zu Geheimhaltung und Datenschutz.

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen vorliegen, damit eine Anforderungsbehörde tätig werden darf?

Damit eine Anforderungsbehörde rechtmäßig tätig werden darf, ist regelmäßig eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Diese ergibt sich aus den oben genannten Gesetzen, die detailliert regeln, wann eine Anforderung zulässig ist. Rechtlich zwingend ist zusätzlich das Vorliegen eines Gefahren- oder Schadensereignisses, das ein Einschreiten erforderlich macht. Einschlägig ist hier das Verwaltungsrechtliche Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes, wonach Maßnahmen einer Verwaltung nur dann zulässig sind, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen. Die Behörden müssen zudem das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten: Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um die bestehende Gefahr oder das Schadensereignis abzuwehren. Die Anforderung darf also nicht willkürlich oder unbegründet erfolgen und ist in ihrer Reichweite in vielen Fällen ebenfalls gesetzlich begrenzt.

Welche rechtlichen Pflichten ergeben sich für Dritte bei einer Anforderung durch eine Behörde?

Werden Dritte, beispielsweise Unternehmen oder Privatpersonen, von einer Anforderungsbehörde zur Bereitstellung von Leistungen, Material oder Personal herangezogen, können daraus verschiedene rechtliche Verpflichtungen resultieren. Die Einzelheiten sind gesetzlich geregelt und unterscheiden sich je nach Rechtsgebiet und konkreter Situation. Im Katastrophenschutz können beispielsweise sogenannte „Heranziehungen“ auf Grundlage spezieller Verordnungen erfolgen. Hierbei ist zu beachten, dass zwingend Rechtsgrundlagen und Verfahrensvorschriften eingehalten werden müssen. Weiterhin unterliegen Dritte nicht selten Folgenormen, beispielsweise zu Haftungsfragen, Entschädigungsansprüchen (§ 61 IfSG, § 12 ZSKG), dem Datenschutz sowie zur Verschwiegenheitspflicht. Verweigert ein Dritter die Unterstützung ohne rechtfertigenden Grund, können Sanktionen oder Bußgelder drohen.

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Anforderungsbehörden rechtlich geregelt?

Die Zusammenarbeit verschiedener Anforderungsbehörden ist durch Bundes- und Landesgesetze, aber auch Verwaltungsvorschriften und Kooperationsvereinbarungen geregelt. So werden in Rahmenkonzepten und Alarm- und Einsatzplänen klare Zuständigkeiten, gegenseitige Meldepflichten sowie die Reihenfolge bei Multiplen Anforderungen festgelegt. Rechtlich maßgeblich ist insbesondere das Subsidiaritätsprinzip, das vorsieht, dass stets die hierfür zuständige orsganschaftliche Ebene (Gemeinde, Kreis, Land, Bund) zuerst handeln muss, ehe höhere Instanzen tätig werden dürfen. Zudem finden Vorschriften zur Amtshilfe (§ 5 VwVfG, Art. 35 GG) sowie zum Datenschutz Anwendung. Rechtsstreitigkeiten zwischen Behörden werden meist im verwaltungsrechtlichen Instanzenzug geklärt.

Welche Rechtsmittel stehen Betroffenen gegen Maßnahmen oder Entscheidungen von Anforderungsbehörden zur Verfügung?

Betroffene, deren Rechte durch Maßnahmen einer Anforderungsbehörde beeinträchtigt werden, steht grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg offen. Sie können gegen belastende Entscheidungen Widerspruch einlegen (§ 68 VwGO), soweit gesetzlich vorgesehen, oder unmittelbar Klage beim Verwaltungsgericht erheben (§ 40 VwGO). In besonders eilbedürftigen Fällen ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 80, § 123 VwGO) möglich. Für die gerichtliche Überprüfung maßgeblich ist, ob die Maßnahme formell und materiell rechtmäßig war, d.h. ob insbesondere Rechtsgrundlagen, Verfahrensvorschriften und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurden. Für mögliche Entschädigungsansprüche bestehen eigenständige Regelungen je nach einschlägigem Gesetz.

Wie ist der Datenschutz bei Anforderungsbehörden geregelt und was müssen diese beachten?

Anforderungsbehörden unterliegen strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Bei der Anforderung und Weiterleitung personenbezogener oder besonders schützenswerter Daten dürfen nur die zur Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen Aufgaben erforderlichen Daten verarbeitet werden. Betroffene sind grundsätzlich nach den Transparenzgeboten zu informieren; Ausnahmen bestehen bei besonderen Sicherheitslagen oder wenn das öffentliche Interesse überwiegt. Zudem gelten technische und organisatorische Maßnahmen zur Datensicherheit. Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen werden von Aufsichtsbehörden verfolgt und können zu erheblichen Haftungs- und Sanktionsfolgen führen.

Welche Haftungsregelungen bestehen für Anforderungsbehörden und im Rahmen von deren Maßnahmen herangezogene Dritte?

Für Anforderungsbehörden gilt grundsätzlich die Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Danach haftet der Staat für Schäden, die durch schuldhaft pflichtwidriges Handeln seiner Amtsträger verursacht wurden. Zivilrechtliche Haftungsansprüche können auch gegen Dritte entstehen, die auf Anforderung tätig werden, sofern sie bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben fehlerhaft handeln. Besonderheiten bestehen im Katastrophenschutz- und Infektionsschutzrecht, wo häufig spezielle Haftungsprivilegien oder Entschädigungsregelungen Anwendung finden (§ 61 IfSG, § 12 ZSKG). Im Falle grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz greifen die Privilegierungen regelmäßig nicht. Für Schäden, die unmittelbar auf die Anweisung oder Anforderung einer Behörde zurückzuführen sind, haftet in der Regel die Behörde bzw. der dahinterstehende Rechtsträger.