Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO)
Begriff und Rechtsstellung des EUIPO
Das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) ist eine dezentrale Behörde der Europäischen Union mit Sitz in Alicante, Spanien. Es ist seit dem 1. März 1994 tätig und war ursprünglich unter dem Namen „Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle)“ (HABM) bekannt. Die Umbenennung in EUIPO erfolgte mit Wirkung zum 23. März 2016 im Zuge der Modernisierung des Unionsmarkensystems, insbesondere durch die Verordnung (EU) 2015/2424 (Unionsmarkenverordnung).
Das Amt ist eine eigenständige Rechtsperson gemäß Artikel 151 der Verordnung (EU) 2017/1001 über die Unionsmarke. Es verfügt demnach über die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Rechts- und Geschäftsfähigkeit und tritt im Rahmen der Verwaltung der Unionsmarke, des Gemeinschaftsgeschmacksmusters und weiterer Aufgaben als öffentlich-rechtliches Organ im System der Europäischen Union auf.
Aufgaben und Zuständigkeiten des EUIPO
Unionsmarke
Zu den zentralen Aufgaben der EUIPO zählt die Verwaltung des Verfahrens zur Eintragung der Unionsmarke (früher: Gemeinschaftsmarke). Mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2017/1001 ist das Amt zuständig für:
- Die Entgegennahme und Prüfung von Unionsmarkenanmeldungen
- Die Eintragung und Verwaltung von Unionsmarkenrechten
- Die Durchführung von Verfahren zur Eintragung, Verlängerung, Übertragung, Teilung und Löschung solcher Rechte
- Die Entscheidung über Widersprüche und Nichtigkeitsanträge gemäß den Vorgaben der Unionsmarkenverordnung
Die Unionsmarke bietet durch das Eintragungs- und Schutzsystem einheitlichen Rechtschutz für Marken im gesamten Gebiet der Europäischen Union. Das Prüfungsverfahren vor dem EUIPO ist dabei harmonisiert und unterliegt spezifischen Fristen und Formerfordernissen.
Gemeinschaftsgeschmacksmuster
Das Amt ist ebenso für das Verfahren zur Eintragung des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters (engl.: Registered Community Design, RCD) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 zuständig. Zu den Aufgaben gehören hier:
- Die Entgegennahme und Prüfung von Anmeldung zum Geschmacksmusterschutz
- Die Eintragung und Verwaltung entsprechender Rechte
- Die Entscheidung über Nichtigkeitsanträge und verwandte Rechtsbehelfe
Alternative Streitbeilegung und Mediation
Die Streitbeilegungsstelle des EUIPO stellt Mechanismen der alternativen Streitbeilegung (ADR) zur Verfügung, insbesondere im Rahmen der Mediation. Diese Verfahren bieten Parteien eine Möglichkeit, Konflikte außergerichtlich und effizient beizulegen.
Aufgaben außerhalb von Marken und Mustern
Seit 2012 verwaltet das EUIPO auch die Registrierung und Verwaltung domänenrechtlicher Streitschlichtungsverfahren im Zusammenhang mit dem Top-Level-Domain-Namensraum „.eu“.
Verfahrensabläufe vor dem EUIPO
Anmeldung und Eintragung
Das Verfahren zur Eintragung von Rechten beinhaltet die elektronische oder schriftliche Anmeldung, die Prüfung auf formale und inhaltliche Voraussetzungen sowie, im Fall der Marke, die Möglichkeit eines Widerspruchs durch Dritte innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Anmeldung.
Widerspruch und Nichtigkeit
Bereits eingetragene Marken oder Geschmacksmuster können im Rahmen eines administrativen Verfahrens auf Antrag für nichtig erklärt werden, sollte eine der absoluten oder relativen Schutzhindernisse vorliegen. Das EUIPO ist in diesen Verfahren die entscheidende Instanz.
Rechtsmittel
Gegen Entscheidungen der Prüfungsabteilungen oder Widerspruchsabteilungen kann Beschwerde vor den Beschwerdekammern des EUIPO eingelegt werden. Weiterhin steht der Weg zum Gericht der Europäischen Union und dem Europäischen Gerichtshof offen.
Rechtsgrundlagen
Unionsmarkenverordnung
Rechtsgrundlage für die Arbeit des EUIPO im Bereich der Unionsmarke stellt die Verordnung (EU) 2017/1001 (Unionsmarkenverordnung) dar. Sie regelt die formalen und materiellen Anforderungen an Marke, Anmelde- und Eintragungsprozesse sowie Verfahren im Zusammenhang mit Nichtigkeits- und Löschungsanträgen.
Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung
Im Bereich des Designschutzes ist die Verordnung (EG) Nr. 6/2002 (Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung) maßgeblich. Sie regelt unter anderem die Voraussetzungen für den Designschutz, die Wirkung des Eintragungsschutzes sowie die diesbezüglichen Verfahrensregeln.
Weitere relevante Rechtsakte
Ergänzend finden sich Verweise in weiteren EU-Verordnungen (z.B. Verordnung (EG) Nr. 40/94 a.F., Verordnung (EG) Nr. 207/2009), regelmäßig angepasst und konsolidiert durch Änderungsverordnungen.
Zudem gelten sekundärrechtliche Bestimmungen wie die Durchführungsverordnungen und Delegierten Verordnungen, die Detailregelungen zu Verfahrensabläufen und Gebührenkatalogen beinhalten.
Rechtsnatur, Organe und Aufbau des EUIPO
Das Amt besteht aus verschiedenen Organen: Exekutivdirektor, Verwaltungsrat, Beschwerdekammern sowie Fachabteilungen für Marken und Muster. Der Exekutivdirektor führt die laufenden Verwaltungsgeschäfte; der Verwaltungsrat entscheidet über strategische Weichenstellungen, verabschiedet etwa den Haushaltsplan und überwacht die Amtsführung.
Beschwerdekammern
Die Beschwerdekammern sind unabhängige Spruchkörper innerhalb des Amts und entscheiden etwa über Berufungen gegen Entscheidungen der Prüfungs- und Widerspruchsabteilungen. Sie sind rechtlich sowie organisatorisch vom Exekutivdirektor und der Verwaltung des Amts getrennt.
Stellung im europäischen Rechtssystem
Das Amt arbeitet eng mit nationalen Markenämtern der Mitgliedstaaten, internationalen Organisationen wie der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) sowie der Europäischen Kommission zusammen. Entschiedene Rechtsfragen können der Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs unterliegen, insbesondere wenn es um die Auslegung EU-rechtlicher Vorschriften geht.
Bedeutung und Funktion im System des geistigen Eigentums
Das EUIPO ist ein zentrales Organ des europäischen Rechtsschutzsystems für immaterielle Güter. Durch seine Zuständigkeit für Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster sichert es einen effizienten, einheitlichen und anwenderfreundlichen Schutz mit Wirkung für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die zentralisierte Verwaltung trägt dazu bei, Harmonisierung und Rechtssicherheit im Binnenmarkt zu gewährleisten und unternehmerische Innovation europaweit zu schützen.
Weiterführende Literatur und Quellen
- Verordnung (EU) 2017/1001 über die Unionsmarke
- Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster
- Website des EUIPO: euipo.europa.eu
- Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs
Hinweis: Für weitergehende Informationen und tagesaktuelle Entwicklungen empfiehlt sich die Konsultation der amtlichen Veröffentlichungen des EUIPO sowie einschlägiger Fachliteratur zum europäischen Marken- und Designrecht.
Häufig gestellte Fragen
Wie läuft das Widerspruchsverfahren gegen eine beim EUIPO eingetragene Marke ab?
Nach Eintragung einer Marke durch das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) beginnt eine dreimonatige Widerspruchsfrist, innerhalb derer Inhaber älterer Rechte gegen die Markenanmeldung beim EUIPO Einspruch erheben können. Das Widerspruchsverfahren ist streng rechtlich geregelt: Der Widerspruch muss schriftlich über das Online-System des EUIPO eingelegt und auf eine oder mehrere rechtliche Grundlagen nach der Unionsmarkenverordnung (insbesondere absolute oder relative Schutzhindernisse gemäß Artikel 8 UMV) gestützt werden. Innerhalb einer vorgegebenen Begründungsfrist sind alle rechtserheblichen Tatsachen, Beweismittel und Argumente vorzubringen, da neue Informationen nach Fristablauf grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden (Präklusion). Das EUIPO prüft im Rahmen eines kontradiktorischen Verfahrens, ob eine Verwechslungsgefahr oder andere Hinderungsgründe vorliegen: Beide Parteien können Schriftsätze einreichen, Beweise austauschen und auf Verlangen auch ergänzende Stellungnahmen abgeben. Nach Abschluss der Prüfung erlässt das EUIPO eine verbindliche Entscheidung. Gegen diese kann innerhalb von zwei Monaten Beschwerde beim EUIPO eingelegt werden. Das Widerspruchsverfahren ist somit detailliert rechtlich reglementiert und unterliegt strikten Fristen und Formerfordernissen.
Welche Rechtsmittel stehen gegen Entscheidungen des EUIPO zur Verfügung?
Gegen Entscheidungen des EUIPO, etwa im Marken-, Muster- oder Designbereich, sieht das Unionsrecht ein gestuftes System von Rechtsmitteln vor. Zunächst kann innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung Beschwerde bei den Beschwerdekammern des EUIPO eingelegt werden. Die Beschwerde ist umfassend zu begründen, wobei sämtliche Beschwerdepunkte, Beweismittel und relevante rechtliche Grundlagen anzugeben sind. Deren Entscheidung ist wiederum beim Gericht der Europäischen Union (EuG) innerhalb von zwei Monaten gerichtlich anfechtbar, sofern ein Rechtsfehler geltend gemacht wird. Das Verfahren vor dem EuG unterliegt den Verfahrensregeln der Europäischen Union und kann in letzter Instanz zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) führen, falls schwerwiegende Rechtsfragen betroffen sind. Die Rechtsmittelverfahren sind detailliert normiert, insbesondere was Fristen, Zuständigkeiten, Vertretungsregelungen und Darlegungslasten anbelangt.
Welchen Schutzumfang bietet eine beim EUIPO eingetragene Unionsmarke aus rechtlicher Sicht?
Eine beim EUIPO eingetragene Unionsmarke verleiht ihrem Inhaber gemäß Unionsmarkenverordnung ein ausschließliches, unionsweites Recht, die Marke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen zu verwenden und Dritten die Nutzung ohne Zustimmung zu untersagen. Der Schutz bezieht sich auf alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und hat unmittelbare Wirkung. Das umfasst sowohl zivilrechtliche Ansprüche wie Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz und Auskunft, als auch auf Antrag die Rechtfertigung für Grenzbeschlagnahmungen. Das Recht kann zudem gegen verwechslungsfähige oder identische Zeichen (auch online) durchgesetzt werden. Weitergehende nationale Rechte bleiben daneben bestehen, Unionsmarkenrechte gehen jedoch im Kollisionsfall vor.
Wie ist das Verfahren zur Eintragung eines Designs beim EUIPO rechtlich ausgestaltet?
Für die Eintragung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Design) beim EUIPO ist ein formalisiertes, rechtliches Prüfungsverfahren vorgeschrieben. Der Antrag muss die Darstellung des Designs, die Angabe des Erzeugnisses sowie sämtliche für die Veröffentlichung relevanten Angaben enthalten. Das EUIPO prüft ausschließlich die formellen Erfordernisse und die offensichtlichen Unzulässigkeiten, nicht jedoch die materielle Neuheit oder Eigenart des Designs; der Schutz wird daher grundsätzlich auf Antrag und nach Zahlung der Gebühr gewährt. Sämtliche Streitigkeiten über Schutzfähigkeit, Verletzung oder Nichtigkeit werden dagegen erst in einem gesonderten Verfahren oder vor nationalen Gerichten geklärt. Der Schutz besteht ab Eintragung in allen EU-Mitgliedstaaten und richtet sich nach den Vorgaben der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung.
Welche rechtlichen Kriterien gelten für die Zurückweisung einer Markenanmeldung durch das EUIPO?
Das EUIPO kann eine Markenanmeldung zurückweisen, wenn absolute Schutzhindernisse vorliegen (z.B. fehlende Unterscheidungskraft, beschreibende Begriffe, irreführende Angaben, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten, Hoheitszeichen) oder ein älteres Recht entgegensteht, sofern ein erfolgreicher Widerspruch eingelegt wurde. Im Rahmen seiner Prüfung berücksichtigt das EUIPO die Vorschriften aus der Unionsmarkenverordnung und die einschlägige Rechtsprechung der EU-Gerichte. Der Ablehnungsbescheid ist schriftlich zu begründen und benennt die jeweiligen rechtlichen Normen, auf die sich die Zurückweisung stützt. Gegen diesen Bescheid steht dem Antragsteller das Beschwerderecht offen.
Wie ist die rechtliche Wirkung einer Eintragung im Register des EUIPO?
Die Eintragung einer Marke, eines Designs oder eines anderen Schutzrechts im Register des EUIPO hat deklaratorische und konstitutive Wirkung: Sie bestätigt die formale Schutzfähigkeit und begründet ab dem Zeitpunkt der Eintragung ein unionsweit geltendes, vollwertiges Schutzrecht. Die Registereintragung dient als öffentlicher Nachweis für den Umfang, die Priorität und die Inhaberschaft des Rechts. Änderungen, wie Übertragungen, Lizenzen oder Erneuerungen, entfalten rechtliche Wirkung gegenüber Dritten grundsätzlich erst mit Eintragung im Register. Das Register ist somit ein zentrales Rechtssicherungsinstrument im unionsweiten Rechtsschutz.