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Altlasten


Begriff und rechtliche Einordnung von Altlasten

Definition

Der Begriff „Altlasten“ bezeichnet umweltrelevante Belastungen des Bodens, des Grundwassers und der angrenzenden Umwelt, die durch frühere Nutzungen, Ablagerungen von Abfällen oder den Betrieb von Anlagen entstanden sind und eine Gefahr für die Gesundheit des Menschen oder für die Umwelt darstellen. Der rechtliche Rahmen zur Definition, Überwachung und Sanierung von Altlasten wird im deutschen und europäischen Umweltrecht umfangreich geregelt.

Gesetzliche Grundlagen

Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)

Das zentrale Regelwerk für den Umgang mit Altlasten in Deutschland ist das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) vom 17. März 1998. Nach § 2 BBodSchG sind Altlasten definiert als

  • Stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist (Altstandorte),
  • Grundstücke, von denen schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen können.

Zusätzlich konkretisiert die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) die Anforderungen an die Erfassung, Bewertung und Sanierung von Altlasten.

Wasserhaushaltsgesetz (WHG)

Werden Altlasten als Quelle für schädliche Verunreinigungen des Grundwassers erkannt, sind zusätzlich die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes einschlägig, insbesondere hinsichtlich der Vermeidung schädlicher Einwirkungen auf die Gewässer (§ 48 ff. WHG).

Landesrechtliche Regelungen

Ergänzt werden die bundesrechtlichen Vorschriften durch detaillierte Ausführungsbestimmungen und Handlungsempfehlungen der Bundesländer. Diese legen Verfahren zur Altlastenerfassung und -sanierung sowie die Zusammenarbeit mit Fachbehörden fest.

Arten von Altlasten

Altablagerungen

Altablagerungen umfassen stillgelegte Deponien, Gruben oder andere Orte, an denen Abfälle dauerhaft oder zeitweise abgelagert wurden und die potenziell schädliche Stoffe freisetzen.

Altstandorte

Als Altstandorte gelten Grundstücke früherer gewerblicher oder industrieller Nutzung, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen gearbeitet wurde. Typische Beispiele sind ehemalige Fabrikgelände, Tankstellen, Gasanstalten oder chemische Reinigungen.

Pflichten und Verantwortlichkeiten

Zustandsverantwortlicher (§ 4 BBodSchG)

Verantwortlich zur Gefahrenabwehr und Sanierung von Altlasten ist vorrangig diejenige Person, die die schädliche Bodenveränderung verursacht hat (§ 4 Abs. 3 BBodSchG). Daneben kann auch der Eigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück als Zustandsverantwortlicher herangezogen werden.

Haftung und Kosten

Im Altlastenrecht gilt das sogenannte Verursacherprinzip: Der Verursacher trägt grundsätzlich die Kosten für Untersuchung, Bewertung und Sanierung. Ist der Verursacher nicht (mehr) zu ermitteln oder heranzuziehen, kann die Behörde auf den Grundstückseigentümer zurückgreifen (Zustandsverantwortlichkeit). In bestimmten Fällen kann auch die öffentliche Hand herangezogen werden.

Sanierungsverantwortliche können gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden, d. h. mehrere Haftungspflichtige können verpflichtet werden, die gesamte Sanierung zu übernehmen.

Verwaltungsverfahren

Typischerweise wird durch die zuständige Bodenschutz- bzw. Umweltbehörde ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. Dabei sind folgende Schritte relevant:

  • Erfassung und Verdachtsprüfung
  • Historische und orientierende Untersuchungen
  • Detailuntersuchungen
  • Gefährdungsabschätzung
  • Anordnung geeigneter Maßnahmen (Sanierung, Sicherung, Überwachung)

Die Behörde kann Sanierungsmaßnahmen per Verwaltungsakt anordnen oder öffentlich-rechtliche Verträge mit Verpflichteten schließen.

Sanierung und Sicherung von Altlasten

Sanierungsmaßnahmen

Nach § 2 Abs. 7 BBodSchG sind Sanierungen alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten zu beseitigen, ihre Ausbreitung zu verhindern oder deren Auswirkungen zu mindern. Dies umfasst insbesondere

  • Abdichtung kontaminierter Schichten
  • Bodenaustausch und -abtrag
  • Grundwassersanierung
  • Bodenwaschverfahren
  • Biologische, chemische oder physikalische Behandlung

Die Auswahl geeigneter Verfahren richtet sich nach Art und Ausmaß der Kontamination sowie den Standortbedingungen.

Sicherung

Sicherungsmaßnahmen dienen dazu, die Ausbreitung von Schadstoffen dauerhaft zu verhindern, falls eine vollständige Sanierung technisch nicht möglich oder unverhältnismäßig ist.

Altlasten im Grundstücksverkehr

Bedeutung beim Grundstückserwerb

Altlasten stellen einen wesentlichen Faktor bei Grundstückskauf und -bewertung dar. Käufer sollten stets mögliche Belastungen prüfen (Due-Diligence-Prüfung), um Haftungsrisiken zu minimieren. Im Rechtsverkehr sind die Pflichten zur Offenlegung von Altlasten sowie die Rechtsfolgen von Altlastenvereinbarungen im Kaufvertrag relevant.

Grundbuch und öffentlich-rechtliche Sicherung

Da Altlasten in der Regel nicht im Grundbuch eingetragen werden, erfolgt eine Sicherung öffentlich-rechtlicher Interessen meist über Vermerke oder Auflagen im Baulastenverzeichnis oder durch behördliche Verfügungen.

Weitere rechtliche Aspekte

Öffentlich-rechtliche Ersatzvornahme

Kommt ein Verpflichteter seinen Pflichten nicht nach, kann die Behörde Maßnahmen im Wege der Ersatzvornahme auf dessen Kosten durchführen (§ 10 BBodSchG).

Kostenerstattung

Im Falle einer Ersatzvornahme oder wenn mehrere Beteiligte für die Altlast haften, regeln §§ 24 ff. BBodSchG die Möglichkeiten zur Rückforderung bzw. zum Innenausgleich zwischen Sanierungsverpflichteten.

Straf- und Ordnungswidrigkeiten

Verletzungen des Bodenschutzrechts, beispielsweise die Missachtung von Sanierungsanordnungen, können Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände erfüllen.

Internationale und europarechtliche Regelungen

Europäische Union

Die Regelungen der Europäischen Union, insbesondere die Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung, setzen den Rahmen für die Haftung bei Umweltschäden einschließlich Altlasten. Nationale Vorschriften berücksichtigen diese Vorgaben insbesondere bei der Haftungszuweisung und bei Präventionsmaßnahmen.

Internationale Abkommen

Deutschland ist Vertragspartei verschiedener internationaler Übereinkommen, etwa der Aarhus-Konvention oder dem UNECE-Protokoll über Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister, die Transparenz und Informationszugang im Bereich Umweltbelastungen fördern.

Zusammenfassung

Altlasten sind rechtlich komplexe Umweltschäden, die zahlreiche Verantwortlichkeiten und Pflichten nach sich ziehen. Das Altlastenrecht regelt die Erfassung, Bewertung, Sanierung und Sicherung kontaminierter Standorte umfassend. Die Verantwortlichkeiten betreffen sowohl Verursacher als auch Eigentümer und können weitreichende Folgen, insbesondere im Grundstücksverkehr, entfalten. Nationale und europäische Vorschriften sorgen für ein klar definiertes, präventives und repressives Regulierungssystem zur Gefahrenabwehr und zum Schutz von Gesundheit und Umwelt.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Pflichten ergeben sich für Grundstückseigentümer bei Vorhandensein einer Altlast?

Grundstückseigentümer tragen gemäß § 4 und § 9 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) eine sogenannte Zustandsverantwortlichkeit. Das bedeutet, sie sind verpflichtet, den Zustand ihres Grundstücks zu überwachen und etwaige Gefahren, die sich aus vorhandenen Altlasten ergeben, unverzüglich der zuständigen Behörde zu melden. Wird eine Altlast festgestellt, kann die Behörde die Erkundung, Sanierung und Überwachung des belasteten Grundstücks anordnen. Der Eigentümer trägt grundsätzlich die Kosten der Sanierung, es sei denn, ein Dritter (z. B. Verursacher) kann herangezogen werden. Darüber hinaus besteht eine Anzeigepflicht nach § 16 BBodSchG, wenn beabsichtigt wird, das Grundstück zu veräußern, wobei die Altlastenproblematik im Rahmen eines Verkaufsvertrag transparent gemacht werden muss, um spätere zivilrechtliche Haftungsansprüche zu vermeiden. Auch sind Eigentümer nach landesrechtlichen Vorschriften zur Duldung von behördlichen Untersuchungsmaßnahmen verpflichtet.

Können auch frühere Betreiber oder Nutzer eines Grundstücks zur Sanierung herangezogen werden?

Im Geltungsbereich des Bundes-Bodenschutzgesetzes und abhängig von den landesrechtlichen Regelungen kann neben dem aktuellen Grundstückseigentümer auch der sogenannte Handlungsstörer – also derjenige, der die Kontamination hervorgerufen hat (z. B. durch unsachgemäßen Umgang mit Schadstoffen) – für die Sanierung verantwortlich gemacht werden. Der Rückgriff auf Handlungsstörer richtet sich nach dem Verursacherprinzip (§ 4 Abs. 3 BBodSchG). Zur Verantwortlichkeit werden auch sogenannte Gesamtschuldnerschaften nach § 421 BGB herangezogen, sodass Eigentümer und frühere Betreiber gesamtschuldnerisch haften können. Behördlich wird in der Regel zunächst der aktuell finanzkräftigste Adressat in Anspruch genommen; intern können sich die Verantwortlichen gemäß § 426 BGB ausgleichen.

Bestehen rechtliche Möglichkeiten, sich von der Altlastenhaftung zu befreien?

Eine vollständige Haftungsfreistellung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dennoch ist es möglich, in Kaufverträgen Haftungsausschlüsse zu vereinbaren, die jedoch nur privatrechtliche Wirkung entfalten. Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen bleiben hiervon unberührt; das heißt, die zuständige Behörde kann nach wie vor den Eigentümer zur Sanierung verpflichten. Eine sogenannte Entlassung aus der Verantwortlichkeit ist nur in Ausnahmefällen – beispielsweise nach vollständiger fachgerechter Sanierung und behördlicher Freigabe – möglich. Rechtsanwälte empfehlen zudem häufig, einen sogenannten Altlastenfreistellungsvertrag aufzusetzen, um Regressansprüche zwischen den Vertragsparteien intern zu regeln.

Welche rechtlichen Folgen drohen bei Nichtanzeige oder verspäteter Mitteilung über Altlasten?

Bei einer unterlassenen, verspäteten oder unrichtigen Anzeige von Altlasten besteht gemäß § 26 und § 27 BBodSchG eine Ordnungswidrigkeit, die mit empfindlichen Bußgeldern bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann. Daneben kann die Behörde im Fall einer Gefährdung der Allgemeinheit durch Altlasten Zwangsmaßnahmen wie Ersatzvornahmen oder Unterlassungsverfügungen anordnen. Verbleibt der Eigentümer untätig, wird er nicht nur zur Kostentragung der behördlichen Maßnahmen herangezogen, sondern riskiert auch eine strafrechtliche Verfolgung, falls etwa Menschen oder Grundwasser erheblich gefährdet werden (vgl. § 324a StGB – Bodenverunreinigung).

Inwiefern können Altlasten die Nutzung eines Grundstücks rechtlich einschränken?

Wird auf einem Grundstück eine Altlast festgestellt, kann die zuständige Behörde durch Verwaltungsakte Nutzungsbeschränkungen aussprechen. Das reicht von Auflagen für bestimmte Nutzungsarten (z. B. kein Wohnungsbau, sondern nur industrielle Nutzung) bis zu vollständigen Nutzungsverboten. Rechtsgrundlage hierfür ist § 9 BBodSchG, wonach die Behörde im Rahmen der Verhältnismäßigkeit anordnen kann, dass gefährdende Nutzungen unterbleiben oder künftig nur unter bestimmten Bedingungen zulässig sind. Diese Nutzungsbeschränkungen werden häufig als Dienstbarkeit im Grundbuch vermerkt, wodurch auch nachfolgende Erwerber an diese Vorgaben gebunden sind.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an das Sanierungskonzept einer Altlast?

Das Sanierungskonzept muss gemäß § 13 BBodSchG die Schutzziele für Mensch, Boden, Grundwasser und Ökosysteme sicherstellen. Es müssen alle relevanten baulichen, organisatorischen und technischen Maßnahmen beschrieben und ein Sanierungsziel ausgewiesen werden. Das Konzept ist der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorzulegen. Ohne Genehmigung darf eine Sanierung grundsätzlich nicht begonnen werden. Auch die spätere Überwachung und Berichterstattung sind rechtlich vorgeschrieben (§ 14 BBodSchG), um die Erfüllung der behördlichen Auflagen zu dokumentieren. Die behördliche Abnahme der Sanierung ist für die abschließende Entlassung aus der Altlastenverantwortung unabdingbar.

Wie sind Grundstückswerte und Vertragsgestaltungen rechtlich bei Altlasten zu berücksichtigen?

Der Wert eines Grundstücks wird durch bestehende oder vermutete Altlasten erheblich beeinflusst. Nach § 138 BGB können Kaufverträge sittenwidrig sein, wenn Altlasten arglistig verschwiegen oder falsche Angaben gemacht werden. Der Käufer kann in einem solchen Fall Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz verlangen. Üblich sind umfangreiche Grundbuchprüfungen, Einholung von Auskünften beim Kataster- und Umweltamt sowie die vertragliche Absicherung durch umfassende Garantieklauseln oder Sachmängelgewährleistungsausschlüsse. Banken verlangen zur Finanzierung oft Gutachten zur Altlastensituation, um das Haftungsrisiko besser einschätzen zu können.