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Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen


Begriff und Bedeutung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT)

Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (englisch: General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der am 30. Oktober 1947 abgeschlossen und zum 1. Januar 1948 vorläufig angewendet wurde. Ziel des Abkommens ist es, den internationalen Handel durch den Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen zu erleichtern und so den Welthandel zu fördern. GATT stellt ein zentrales Regelwerk im internationalen Wirtschaftsrecht dar und bildete bis zur Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1995 das wichtigste multilaterale Abkommen zur Regelung des Warenhandels.

Historische Entwicklung

Entstehung und Hintergrund

Das GATT entstand im Zuge der Nachkriegsordnung, insbesondere aus dem Wunsch heraus, die wirtschaftlichen Beziehungen der Staaten auf eine gemeinsame und friedliche Grundlage zu stellen. Ursprünglich war geplant, eine Internationale Handelsorganisation (ITO) zu gründen. Die ITO kam jedoch nie zustande; das GATT trat an ihre Stelle.

Vertragsrunden und Weiterentwicklung

Das GATT wurde mehrfach im Rahmen sogenannter Vertragsrunden (sogenannte „Runden“) weiterentwickelt, wobei die wichtigsten die Kennedy-Runde (1964-1967), die Tokio-Runde (1973-1979) und die Uruguay-Runde (1986-1994) sind. Insbesondere die Uruguay-Runde mündete in die Gründung der WTO und die Ausweitung des Regelwerks über den Warenhandel hinaus auf Dienstleistungen und geistiges Eigentum.

Rechtsnatur und Anwendungsbereich

Völkerrechtliches und innerstaatliches Verhältnis

Beim GATT handelt es sich um ein multilaterales Abkommen – ursprünglich geschlossen zwischen 23 Vertragsstaaten, heute beigetreten von fast allen WTO-Mitgliedern. Das Abkommen verpflichtet die Vertragsparteien, bestimmte Mindeststandards im internationalen Handel einzuhalten. In Deutschland wurde das GATT als völkerrechtlicher Vertrag ratifiziert und ist damit auch Bestandteil des deutschen Rechts.

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Das Abkommen regelt den zwischenstaatlichen Handel mit Waren. Es findet grundsätzlich auf die Vertragsparteien Anwendung und erfasst vorwiegend den Bereich des Güterhandels, nicht jedoch Dienstleistungen oder geistiges Eigentum (dies wurde erst mit der Gründung der WTO geregelt).

Wesentliche Grundprinzipien des GATT

Meistbegünstigungsgrundsatz

Der Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. I GATT) verpflichtet jede Vertragspartei, Vorteile, die sie einem Staat einräumt, auch allen anderen Vertragsparteien zu gewähren. Damit soll Diskriminierung zwischen den Parteien ausgeschlossen werden.

Inländerbehandlungsgrundsatz

Gemäß Art. III GATT dürfen eingeführte Waren im Inland nicht schlechter behandelt werden als gleichartige inländische Waren („Inländerbehandlung“). Ziel ist, Wettbewerbsverzerrungen durch Nachbehandlung im Inland zu verhindern.

Zollabbau und Tarifbindung

Ein zentrales Ziel ist der schrittweise Abbau von Zöllen als hauptsächliche Handelsbarriere. Grundlage hierfür sind Tarifbindungen (sog. „bindings“, Art. II GATT), in denen sich die Vertragsparteien verpflichten, Zölle auf bestimmte Maximalhöhen zu begrenzen.

Verbot quantitativer Handelsbeschränkungen

Art. XI GATT untersagt grundsätzlich mengenmäßige Import- und Exportbeschränkungen, soweit sie nicht ausdrücklich gestattet sind. Ausnahmen bestehen etwa bei Nahrungsmittelengpässen oder zur Sicherstellung nationaler Sicherheit.

Ausnahmen und Verteidigungsmaßnahmen

Allgemeine Ausnahmen

Art. XX GATT enthält einen Katalog von allgemeinen Ausnahmen, beispielsweise zum Schutz der öffentlichen Moral, des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen sowie zum Schutz nationaler Kunst- und Kulturgüter.

Sicherheitsausnahmen

Gemäß Art. XXI GATT dürfen Staaten Handelsmaßnahmen zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen treffen; diese Klausel gewinnt in geopolitisch angespannten Zeiten besondere Bedeutung, ist jedoch regelmäßig Gegenstand kontroverser Auslegungen.

Handelsausgleichsmaßnahmen (Antidumping, Ausgleichszölle, Schutzmaßnahmen)

Das GATT gestattet unter bestimmten Voraussetzungen Handelsausgleichsmaßnahmen, die in gesonderten Abkommen (z.B. dem Antidumping-Abkommen) konkretisiert werden. Hierzu zählen Maßnahmen gegen unlauteren Wettbewerb (Dumping) sowie Ausgleichszölle gegen Subventionen.

Institutionelle Struktur und Streitbeilegung

Ursprüngliche GATT-Organisation und Übergang zur WTO

Unter dem GATT bestand keine eigene internationale Organisation mit Exekutivgewalt, sondern lediglich ein Rat der Vertragsparteien. Mit Inkrafttreten der WTO im Januar 1995 wurde GATT 1947 durch das GATT 1994 abgelöst und als Anhang 1A in das WTO-Abkommen inkorporiert. Die WTO besitzt eine wesentlich ausgeprägtere institutionelle Infrastruktur und effektive Mechanismen zur Streitbeilegung.

Streitbeilegungsverfahren

Die Vertragsparteien können Streitigkeiten vor einem Gremium austragen, dessen Verfahren und Zuständigkeiten mit dem Streitbeilegungsmechanismus der WTO ausgeweitet und professionalisiert wurden. Die Schiedssprüche des Streitschlichtungsorgans sind bindend und ihre ordnungsgemäße Umsetzung wird überwacht.

Bedeutung und Wirkung des GATT im internationalen Wirtschaftsrecht

Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen hat nachhaltig zur Liberalisierung des Welthandels beigetragen und das Fundament für ein regelbasiertes multilaterales Handelssystem geschaffen. Es gewährleistet grundlegende Prinzipien handelsrechtlicher Fairness und Chancengleichheit und ist durch die Einbindung in das WTO-Rechtssystem weiterhin maßgebend für den globalen Warenhandel.

Literaturhinweise

  • Petersmann, E.-U.: Internationale Handelsorganisation und Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen, 3. Auflage, Heidelberg 1994.
  • Herrmann, C./Ohler, C./Weiß, W. (Hrsg.): Welthandelsrecht, 4. Auflage, München 2020.
  • Hirsch, M.: The Evolution of International Trade Agreements, Oxford 2017.

Dieser Artikel liefert einen Überblick und eine tiefgehende Darstellung des allgemeinen rechtlichen Rahmens, der mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) verbunden ist. Für weiterführende oder aktuelle Informationen empfiehlt sich der Zugriff auf Fachliteratur sowie die offiziellen Seiten der Welthandelsorganisation.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Verpflichtungen gehen für die Vertragsstaaten aus dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) hervor?

Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) verpflichtet seine Vertragsstaaten, bestimmte grundlegende Prinzipien des internationalen Handelsrechts zu beachten. Wesentliche Verpflichtungen umfassen das Meistbegünstigungsprinzip (Art. I), wonach alle Vorteile, die einem Handelsstaat gewährt werden, auch allen anderen Vertragsstaaten zu gewähren sind. Weiterhin verpflichtet das GATT zur Inländerbehandlung (Art. III), sodass importierte Waren nicht schlechter als inländische behandelt werden dürfen. Darüber hinaus sind die Vertragsstaaten gehalten, Zölle und andere Handelshemmnisse kontinuierlich abzubauen (Art. II und XI). Sie müssen auch Transparenz bei ihren Handelspolitiken wahren, unterliegen bestimmten Verfahrensregeln bei der Einführung und Änderung von Handelsbeschränkungen, und sind zur Beilegung von Streitigkeiten im Rahmen eines geregelten Verfahrens angehalten. Die rechtlichen Pflichten sind zudem durch zahlreiche Ausnahmeregelungen und Präzisierungen ergänzt, wie sie insbesondere in den Artikeln XX und XXI des Abkommens genannt sind.

Wie werden Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten nach dem GATT geregelt?

Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten werden nach einem speziellen Streitbeilegungsverfahren entschieden, dessen rechtliche Grundlagen in Artikel XXII und XXIII des GATT niedergelegt sind. Dieses Verfahren sieht zunächst Konsultationen zwischen den betroffenen Staaten vor. Führen diese zu keiner einvernehmlichen Lösung, kann auf Antrag eines Mitgliedsstaats ein Panel aus unabhängigen Experten eingesetzt werden, das den Streitfall untersucht und einen Bericht erstellt. Im Falle einer festgestellten GATT-Verletzung kann der verletzte Staat – nach Maßgabe bestimmter Voraussetzungen – Ausgleichsmaßnahmen ergreifen (etwa Zollerhöhungen gegenüber dem zur Verantwortung gezogenen Staat). Das Verfahren wurde im Laufe der Zeit durch das WTO-Streitbeilegungssystem (Dispute Settlement Understanding, DSU) spezifiziert und detailliert ausgestaltet, sodass heute primär dieses System Anwendung findet.

Inwieweit ist das GATT rechtlich verbindlich und wie verhält es sich zu nationalem Recht?

Das GATT ist als völkerrechtlicher Vertrag für seine Vertragsstaaten rechtlich bindend. Die völkerrechtliche Verbindlichkeit bedeutet, dass Staaten nach Treu und Glauben verpflichtet sind, die Bestimmungen des Abkommens einzuhalten. Die Umsetzung und der Rang des GATT im nationalen Recht hängen jedoch von der jeweiligen innerstaatlichen Ausgestaltung ab. In dualistischen Staaten, wie etwa Deutschland, bedarf es meist eines Umsetzungsgesetzes, damit GATT-Regeln unmittelbare Wirkung im nationalen Recht entfalten. In monistischen Staaten gelten die völkerrechtlichen Verpflichtungen häufig unmittelbar. In vielen Rechtssystemen haben GATT-Bestimmungen allerdings keinen unmittelbaren Individualrechtsschutz, sondern begründen in erster Linie zwischenstaatliche Verpflichtungen.

Welche Ausnahmen vom GATT bestehen aus rechtlicher Sicht und unter welchen Voraussetzungen sind sie zulässig?

Das GATT enthält in den Artikeln XX und XXI explizite Ausnahmeregelungen, die es Vertragsstaaten erlauben, von den allgemeinen Verpflichtungen abzuweichen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So erlaubt etwa Artikel XX Ausnahmen aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Sittlichkeit, zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zum Schutz erschöpflicher natürlicher Ressourcen. Artikel XXI sieht Ausnahmen aus Gründen der nationalen Sicherheit vor. Die Anwendung dieser Ausnahmen unterliegt allerdings strengen rechtlichen Anforderungen und einer konkreten Prüfung hinsichtlich ihrer Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit. Die Vertragsstaaten dürfen keine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung zwischen Ländern vornehmen oder eine verdeckte Handelsbeschränkung einführen.

Gibt es rechtliche Regelungen zur Präferenzbildung und regionalen Handelsabkommen im Rahmen des GATT?

Das GATT erlaubt in Artikel XXIV die Bildung von Freihandelszonen und Zollunionen als Ausnahmen zum Meistbegünstigungsgebot. Solche Präferenzabkommen dürfen jedoch bestehende Handelsbarrieren gegenüber Drittländern grundsätzlich nicht erhöhen und müssen darauf abzielen, die inneren Zölle zwischen den Mitgliedern weitgehend abzuschaffen. Die Ausgestaltung derartiger regionaler Handelsabkommen ist an verschiedene formale und materielle Voraussetzungen gebunden, deren Einhaltung durch die WTO-Mitglieder überprüft werden kann. Ziel der Regelung ist es, Integrationsschritte zugunsten einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu ermöglichen, ohne den multilateralen Handelsrahmen des GATT auszuhöhlen.

Unter welchen Bedingungen können Vertragsstaaten vorübergehende Schutzmaßnahmen (Safeguards) ergreifen?

Das GATT gestattet Vertragsstaaten gemäß Artikel XIX („Safeguards“), vorübergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn Importe bestimmter Waren in einer derartigen Menge und unter solchen Bedingungen erfolgen, dass dadurch eine ernsthafte Schädigung der inländischen Industrie droht. Diese Maßnahmen müssen jedoch notifiziert, transparent gestaltet und zeitlich begrenzt sein. Die betroffenen Handelspartner haben einen Anspruch auf Kompensation oder Ausgleichsmaßnahmen. Die Anwendung von Schutzmaßnahmen ist rechtlich streng geregelt und unterliegt regelmäßigen Überprüfungen unter dem Dach der WTO.

Wie werden Zolltarife rechtlich im Rahmen des GATT geregelt und gebunden?

Zolltarife sind im GATT zentraler Regelungsgegenstand und werden durch sogenannte Zollzugeständnisse (Tarifbindungen) rechtlich fixiert, wie sie in Listen (Schedules) dem Vertrag beigefügt sind. Diese Bindungen verpflichten die Vertragsstaaten, Zölle für bestimmte Warenarten nicht über den festgelegten Höchstwert hinaus anzuheben. Eine Erhöhung solcher gebundenen Zölle ist nur unter Einhaltung eines geregelten Verhandlungs- und Kompensationsverfahrens möglich, das insbesondere in Artikel XXVIII GATT geregelt ist. Damit wird ein verlässlicher, rechtlich abgesicherter Rahmen für den internationalen Handel geschaffen und willkürlichen Zolländerungen entgegengewirkt.