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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Begriff, Zweck und Bedeutung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist ein bundesweites Gesetz, das Benachteiligungen aus bestimmten Gründen verhindern und bestehende Nachteile abbauen soll. Es schützt Menschen insbesondere im Arbeitsleben sowie bei massenhaft angebotenen Gütern und Dienstleistungen vor ungerechtfertigter Ungleichbehandlung. Das AGG setzt wesentliche Vorgaben des europäischen Antidiskriminierungsrechts um und stärkt die Gleichwertigkeit und Würde jeder Person.

Anwendungsbereich

Arbeitsleben

Im Arbeitsleben erfasst das AGG den gesamten Lebenszyklus eines Beschäftigungsverhältnisses: von Stellenausschreibungen über Bewerbungsverfahren bis hin zu Anstellung, Arbeitsbedingungen, beruflichem Aufstieg, Fortbildung und Beendigung. Geschützt sind nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch Bewerbende, Auszubildende, Leiharbeitskräfte sowie Personen, die dem Betrieb vergleichbar eingegliedert sind.

Güter und Dienstleistungen

Außerhalb der Arbeitswelt gilt das AGG für zivilrechtliche Massengeschäfte, also für Angebote, die typischerweise an die Allgemeinheit gerichtet sind. Dazu können etwa der Zugang zu Restaurants, Geschäften, Hotels, Freizeitangeboten und Teilen des Wohnungsmarkts zählen. Nicht erfasst sind Bereiche der rein privaten Lebensführung und besondere Vertrauensverhältnisse, bei denen die persönliche Nähe oder das besondere Vertrauen entscheidend ist.

Öffentlicher Sektor

Auch Träger öffentlicher Aufgaben müssen die Grundsätze des AGG beachten, soweit sie als Arbeitgeber oder Anbieter von allgemein zugänglichen Leistungen auftreten.

Geschützte Merkmale

Das AGG schützt vor Benachteiligung aus folgenden Gründen:

  • Rassistische Zuschreibungen und ethnische Herkunft
  • Geschlecht
  • Religion oder Weltanschauung
  • Behinderung
  • Alter
  • Sexuelle Identität

Mehrfachdiskriminierungen können gleichzeitig vorliegen, etwa wenn sich Benachteiligungen kumulieren. Der Schutz greift unabhängig davon, ob eine Benachteiligung beabsichtigt war.

Formen der Benachteiligung

Unmittelbare Benachteiligung

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines geschützten Merkmals eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere in vergleichbarer Lage.

Mittelbare Benachteiligung

Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn scheinbar neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einem geschützten Merkmal besonders benachteiligen, es sei denn, die Regelung ist sachlich gerechtfertigt und angemessen.

Belästigung und sexuelle Belästigung

Belästigung liegt vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen im Zusammenhang mit einem geschützten Merkmal die Würde einer Person verletzen und ein feindliches oder erniedrigendes Umfeld schaffen. Sexuelle Belästigung ist eine besondere Form, die jede unerwünschte sexuelle Handlung oder Annäherung umfasst, die die Würde beeinträchtigt. Im Arbeitsleben bestehen Schutz- und Präventionspflichten gegenüber Belästigungen auch durch Dritte.

Anweisung zur Benachteiligung und Benachteiligung wegen Rechtswahrnehmung

Unzulässig ist sowohl die Aufforderung, andere zu benachteiligen, als auch die Schlechterstellung, weil jemand Rechte aus dem AGG in Anspruch nimmt oder unterstützt.

Rechte und Pflichten

Beschäftigung und Organisation

Arbeitgebende haben interne Strukturen zu schaffen, die Benachteiligungen verhindern und Beschwerden ermöglichen. Beschäftigte haben Anspruch auf ein Arbeitsumfeld, das keine Diskriminierung duldet. Leitungs- und Aufsichtsfunktionen tragen besondere Verantwortung für das Vorbeugen und Reagieren auf Benachteiligungen.

Anbieter von Gütern und Dienstleistungen

Anbieter, die sich mit ihren Leistungen an die Allgemeinheit richten, müssen eine diskriminierungsfreie Zugangs- und Vertragsgestaltung sicherstellen. Vertragsbedingungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, können unwirksam sein.

Nachweis und Beweislast

Im Streitfall reicht es aus, Tatsachen darzulegen, die eine Benachteiligung wegen eines geschützten Merkmals vermuten lassen. In diesem Fall muss die Gegenseite nachweisen, dass keine unzulässige Benachteiligung vorliegt oder dass eine zulässige Rechtfertigung greift. Indizien können sich aus Abläufen, Dokumentationen, Kommunikation oder statistischen Auffälligkeiten ergeben.

Rechtsfolgen bei Verstößen

Entschädigung und Schadensersatz

Bei Verstößen kann ein Anspruch auf Ausgleich immaterieller Nachteile (Entschädigung) sowie auf Ersatz materieller Schäden bestehen. Im Einstellungsverfahren besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses, wohl aber ein Anspruch auf finanzielle Kompensation, wenn eine unzulässige Benachteiligung vorlag.

Unwirksamkeit benachteiligender Regelungen

Benachteiligende Vertragsklauseln oder betriebliche Regelungen können ganz oder teilweise unwirksam sein. Betroffene können zudem die Unterlassung fortgesetzter Benachteiligungen verlangen.

Arbeits- und kollektivrechtliche Folgen

Innerbetriebliche Beschwerdewege, Beteiligungsrechte von Interessenvertretungen und Maßnahmen zur Konfliktbeilegung spielen eine wichtige Rolle, um Verstöße aufzuarbeiten und zukünftige Risiken zu vermeiden.

Zulässige Ungleichbehandlungen und Rechtfertigungen

Wesentliche berufliche Anforderungen

Unterschiedliche Behandlung kann zulässig sein, wenn ein bestimmtes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt und die Maßnahme angemessen ist.

Altersspezifische Differenzierungen

Abweichungen wegen des Alters können erlaubt sein, wenn legitime Ziele der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarkts oder der beruflichen Bildung verfolgt und geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Mittel eingesetzt werden.

Religion und weltanschauliche Ausrichtung

In Einrichtungen mit geprägter religiöser oder weltanschaulicher Ausrichtung können spezifische Anforderungen an die Identifikation mit der jeweiligen Prägung zulässig sein, wenn diese im Einzelfall maßgeblich und angemessen sind.

Positive Maßnahmen

Zulässig sind Vorkehrungen, die bestehende Nachteile ausgleichen oder verhindern sollen, etwa zur Förderung tatsächlicher Gleichberechtigung. Diese Maßnahmen sind am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten.

Verfahren und Durchsetzung

Die Durchsetzung erfolgt zivilrechtlich, insbesondere über Ansprüche auf Entschädigung, Schadensersatz und Unterlassung. In Betrieben bestehen Beschwerdemöglichkeiten und Pflichten der Arbeitgeberseite, auf Hinweise zu reagieren. Ansprüche sind fristgebunden; verspätete Geltendmachung kann zum Verlust von Rechten führen. Beratungs- und Unterstützungsstrukturen auf Bundes- und Landesebene können informieren und begleiten.

Verhältnis zu anderen Rechtsquellen

Das AGG ist Teil eines europäischen Antidiskriminierungsverbunds und steht im Einklang mit grundrechtlichen Garantien der Gleichbehandlung. Landesrechtliche Regelungen können ergänzende Vorgaben enthalten, insbesondere im öffentlichen Bereich. Branchenspezifische Normen (z. B. Arbeits-, Miet- oder Verbraucherrecht) sind im Zusammenspiel zu beachten.

Prävention und Organisationskultur

Nachhaltige Gleichbehandlung erfordert klare Zuständigkeiten, transparente Verfahren, angemessene Kommunikation, Sensibilisierung sowie geeignete Maßnahmen gegen Belästigung. Stellenbesetzungen, Beurteilungen, Vergütungssysteme und Zugänge zu Leistungen sollten diskriminierungsfrei gestaltet sein. Dokumentation und regelmäßige Überprüfung von Abläufen unterstützen eine diskriminierungsarme Praxis.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was regelt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?

Das AGG schützt vor Benachteiligungen im Arbeitsleben und bei massenhaft angebotenen Gütern und Dienstleistungen. Es verbietet unmittelbare und mittelbare Benachteiligung, Belästigung, sexuelle Belästigung, Anweisungen zur Benachteiligung sowie Nachteile wegen der Inanspruchnahme von Rechten.

Welche Merkmale sind durch das AGG geschützt?

Geschützt sind rassistische Zuschreibungen und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter sowie sexuelle Identität. Der Schutz greift auch bei Mehrfachdiskriminierungen.

Wo gilt das AGG und wo nicht?

Es gilt im Arbeitsleben von der Ausschreibung bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sowie bei an die Allgemeinheit gerichteten Angeboten von Gütern und Dienstleistungen. Nicht umfasst sind Bereiche privater Lebensführung und besondere Vertrauensbeziehungen, bei denen persönliche Nähe im Vordergrund steht.

Was ist der Unterschied zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung?

Unmittelbare Benachteiligung ist eine schlechtere Behandlung direkt wegen eines geschützten Merkmals. Mittelbare Benachteiligung entsteht durch scheinbar neutrale Regeln, die bestimmte Gruppen besonders nachteilig treffen, sofern dies nicht sachlich gerechtfertigt ist.

Wann liegt Belästigung oder sexuelle Belästigung vor?

Belästigung liegt vor, wenn unerwünschtes Verhalten im Zusammenhang mit einem geschützten Merkmal die Würde verletzt und ein feindliches Umfeld schafft. Sexuelle Belästigung ist eine besondere Form mit sexuellem Bezug, etwa durch Worte, Gesten oder körperliche Annäherungen.

Wie wird eine Benachteiligung nach dem AGG nachgewiesen?

Es genügt, Umstände darzulegen, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Dann muss die Gegenseite zeigen, dass keine unzulässige Benachteiligung vorlag oder eine zulässige Rechtfertigung greift. Indizien können sich aus Abläufen, Dokumenten, Kommunikation oder statistischen Mustern ergeben.

Welche Rechtsfolgen kommen bei einem Verstoß in Betracht?

Möglich sind Entschädigung für immaterielle Nachteile und Ersatz materieller Schäden. Diskriminierende Vertragsklauseln können unwirksam sein. Ein Anspruch auf Einstellung besteht im Regelfall nicht, wohl aber auf finanzielle Kompensation bei diskriminierender Nichtberücksichtigung.