Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Definition und Zielsetzung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), umgangssprachlich auch als Antidiskriminierungsgesetz bekannt, ist ein zentrales Gesetz des deutschen Zivilrechts. Es trat am 18. August 2006 in Kraft und verfolgt das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Das AGG dient zugleich der Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien zur Antidiskriminierung in nationales Recht.
Regelungsbereich und Anwendungsbereich
Persönlicher Geltungsbereich
Das AGG gilt sowohl für die Arbeitswelt als auch für den Zivilrechtsverkehr. Im Arbeitsrecht betrifft es alle Phasen eines Beschäftigungsverhältnisses: von der Stellenausschreibung, Bewerbung und Einstellung über die Durchführung des Arbeitsverhältnisses bis hin zu dessen Beendigung. Im Zivilrechtsverkehr erstreckt sich das Gesetz auf sogenannte Massengeschäfte und privatwirtschaftliche Dienstleistungen.
Sachlicher Anwendungsbereich
Das AGG schützt vor Diskriminierung in folgenden Lebensbereichen:
- Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse (Teil 2 AGG)
- Berufsausbildung und beruflicher Aufstieg
- Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit angeboten werden, darunter auch Wohnraum (Teil 3 AGG)
Nicht erfasst werden u.a. private Rechtsgeschäfte, die nicht öffentlich angeboten werden (z.B. Vermietung eines Zimmers im eigenen Haus an eine Privatperson).
Diskriminierungsverbote nach dem AGG
Das AGG regelt insgesamt sieben Diskriminierungsverbote, die folgenden Merkmalsgruppen zugeordnet sind:
Geschützte Merkmale (§ 1 AGG)
- Rasse oder ethnische Herkunft
- Geschlecht
- Religion oder Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- Sexuelle Identität
Formen der Benachteiligung
Das AGG unterscheidet zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung:
- Unmittelbare Benachteiligung: Liegt vor, wenn eine Person wegen eines geschützten Merkmals eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in vergleichbarer Situation (§ 3 Abs. 1 AGG).
- Mittelbare Benachteiligung: Liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einem geschützten Merkmal besonders benachteiligen (§ 3 Abs. 2 AGG).
- Belästigung: Dazu zählt auch das Schikanieren, das die Würde einer betroffenen Person verletzt (§ 3 Abs. 3 AGG).
- Anweisung zur Benachteiligung: Auch das Anweisen, andere zu benachteiligen, ist untersagt (§ 3 Abs. 5 AGG).
Pflichten und Rechte nach dem AGG
Pflichten des Arbeitgebers und der Dienstleister
Arbeitgeber und Anbieter von Gütern und Dienstleistungen sind verpflichtet, Diskriminierung zu verhindern und bestehende Benachteiligungen zu unterbinden. Wichtige Pflichten umfassen:
- Schutzmaßnahmen gegen Benachteiligungen
- Schulungen und Information der Belegschaft über das AGG
- Sicherstellung von Beschwerdemechanismen (§ 12 ff. AGG)
Rechte der Betroffenen
Betroffene Personen haben Ansprüche auf:
- Unterlassung und Beseitigung
- Schadensersatz und Entschädigung (§ 15 AGG)
- Beschwerderecht (§ 13 AGG): Betroffene können sich bei der zuständigen Stelle im Unternehmen oder Betrieb beschweren.
Rechte und Verfahren im Falle von Diskriminierung
Beweislastregelung
Im Diskriminierungsfall genügt es, Indizien vorzubringen, die eine Benachteiligung vermuten lassen (§ 22 AGG). Der Anspruchsgegner muss dann beweisen, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt (sogenannte Beweislastumkehr).
Fristen
- Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung müssen grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnis der Benachteiligung schriftlich geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 4 AGG).
- Klagefristen richten sich nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften, z. B. den Arbeitsgerichtsgesetzen.
Sanktionen und Rechtsfolgen
Schadensersatz und Entschädigung
Wird eine Benachteiligung festgestellt, hat die betroffene Person Anspruch auf Schadensersatz und bei einem immateriellen Schaden einen Entschädigungsanspruch. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach Schwere und Dauer der Benachteiligung.
Arbeitsrechtliche Sanktionen
Arbeitnehmer dürfen wegen der Wahrnehmung ihrer Rechte nach dem AGG nicht benachteiligt werden (§ 16 AGG). Im Falle einer Benachteiligung können Abmahnungen, Versetzungen oder auch Kündigungen unwirksam sein. Arbeitgeber haben innerbetrieblich notwendige Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Ausnahmen und Rechtfertigungsgründe
Das AGG enthält gesetzlich geregelte Ausnahmen, bei denen eine Ungleichbehandlung zulässig ist:
- Zulässige unterschiedliche Behandlung: etwa wenn ein bestimmtes Merkmal eine wesentliche berufliche Anforderung darstellt (§ 8 AGG).
- Maßnahmen zum Schutz bestimmter Gruppen: wie der Schutz schwangerer Frauen oder Regelungen zur Förderung der Gleichstellung.
- Absolute Ausnahmen: z.B. in privaten Rechtsverhältnissen, wenn keine öffentlich angebotene Leistung vorliegt.
Durchsetzung und Institutionen
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) unterstützt und berät von Diskriminierung Betroffene in allen Lebensbereichen. Sie führt Untersuchungen durch, stellt Informationsmaterial bereit und fördert die öffentliche Sensibilisierung zu den Diskriminierungsverboten des AGG.
Umsetzung von EU-Richtlinien
Das AGG setzt verschiedene europarechtliche Richtlinien um, insbesondere:
- Richtlinie 2000/43/EG (Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft)
- Richtlinie 2000/78/EG (Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf)
- Richtlinie 2004/113/EG (Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen)
Kritik und Diskussion
Das AGG wurde wiederholt sowohl positiv als auch kritisch bewertet. Einerseits wird es als Meilenstein für den Diskriminierungsschutz in Deutschland begrüßt. Andererseits wird bemängelt, dass Ausnahmen zu weit gefasst und der Schutzumfang teils zu eingeschränkt sei. In der Praxis ergeben sich immer wieder Fragen zur Reichweite, Sanktionspraxis und zur Beweislastumkehr.
Literatur und weiterführende Informationen
- Text des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
- Veröffentlichungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
- Entsprechende Kommentarliteratur und wissenschaftliche Beiträge zu Diskriminierung und Gleichbehandlung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bildet die zentrale rechtliche Grundlage gegen Diskriminierung in Deutschland. Es garantiert den umfassenden Schutz vor Benachteiligung, regelt die Rechte und Pflichten in relevanten Rechtsbereichen und sorgt für die Durchsetzung der Antidiskriminierung auf nationaler und europäischer Ebene.
Häufig gestellte Fragen
Welche Personengruppen sind durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt eine breite Gruppe von Personen vor Benachteiligung im Zusammenhang mit Beschäftigung und Zivilrechtsverhältnissen. Besonders umfasst der Schutz sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einschließlich Auszubildenden, Bewerberinnen und Bewerbern um ein Beschäftigungsverhältnis, sowie arbeitnehmerähnliche Personen wie freie Mitarbeiter. Darüber hinaus erstreckt sich der Schutz auch auf Beamte, Richter, Soldaten sowie Mitglieder von Genossenschaften oder Vereinen, sofern ein Beschäftigungs- oder arbeitsähnliches Verhältnis besteht. Der gesetzliche Schutz beschränkt sich nicht nur auf klassische Arbeitsverhältnisse, sondern bezieht beispielsweise auch Leiharbeitnehmer, Praktikanten und Personen, die sich in einer Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme befinden, mit ein. Zusätzlich gilt das AGG für Dienstleistungsverhältnisse, etwa im Bereich der Wohnungsmiete, bei Lieferverträgen oder bei der Inanspruchnahme von öffentlichen Gütern und Dienstleistungen. Der umfassende persönliche Anwendungsbereich ist ein zentrales Merkmal des AGG, um einen möglichst lückenlosen Diskriminierungsschutz zu gewährleisten.
Welche Benachteiligungsmerkmale sind nach dem AGG untersagt?
Das AGG zählt in § 1 abschließend die Merkmale auf, wegen derer eine Benachteiligung verboten ist: Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter sowie sexuelle Identität. Der rechtliche Schutz gilt unabhängig davon, ob die Benachteiligung unmittelbar (direkt) oder mittelbar (indirekt) erfolgt. Untersagt ist sowohl eine Schlechterbehandlung im Vergleich zu einer anderen Person in vergleichbarer Situation als auch die Belästigung oder sexuelle Belästigung im Zusammenhang mit einem der genannten Merkmale. Der Schutz entfällt nicht, wenn mehrere Merkmale gleichzeitig betroffen sind (Mehrfachdiskriminierung). Entscheidend ist, dass die Benachteiligung gerade wegen eines dieser Merkmale erfolgt; allgemeine Ungleichbehandlungen, die auf anderen Umständen beruhen, unterfallen nicht dem Schutzbereich des AGG.
Gibt es Ausnahmetatbestände, in denen eine Ungleichbehandlung zulässig ist?
Das AGG sieht in bestimmten Fällen Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot vor. Solche Ausnahmetatbestände sind insbesondere in § 8-10 AGG geregelt. Danach kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn ein bestimmtes Merkmal eine entscheidende berufliche Anforderung („wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen“) für die Tätigkeit darstellt. Beispielsweise kann bei der Besetzung einer Schauspielrolle ein bestimmtes Geschlecht von wesentlicher Bedeutung sein. Noch weitergehend können Vorschriften zum Schutz bestimmter Personengruppen eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, etwa gesetzliche Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand oder spezielle Schutzvorschriften für Schwangere. Im Bereich der Religion ist eine unterschiedliche Behandlung auch dann zulässig, wenn die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaft maßgeblich für die Tätigkeit ist. Im Bereich des Mietrechts können bestimmte soziale Kriterien ebenfalls eine Rolle spielen. Wichtig ist, dass jede Ausnahme eng auszulegen und verhältnismäßig zu sein hat und im Streitfall gerichtlich geprüft werden kann.
Welche Pflichten treffen Arbeitgeber nach dem AGG?
Arbeitgeber haben nach dem AGG eine weitreichende Fürsorge- und Schutzpflicht gegenüber ihren Beschäftigten. Zentrale Pflichten sind die Unterbindung und Prävention von Diskriminierungen am Arbeitsplatz. Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Beschäftigten regelmäßig über die gesetzlichen Vorgaben des AGG und die einschlägigen Beschwerdestellen zu informieren (§ 12 Abs. 5 AGG). Darüber hinaus müssen sie angemessene Maßnahmen treffen, um Benachteiligungen zu verhindern, etwa durch innerbetriebliche Regelungen, Schulungen oder durch Einrichtung von Ansprechpartnern für Diskriminierungsfälle. Nach Eingang einer Beschwerde haben Arbeitgeber den Sachverhalt unverzüglich zu prüfen und – sofern sich die Beschwerde als berechtigt erweist – geeignete, angemessene Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Bei Pflichtverletzungen drohen dem Arbeitgeber sowohl arbeitsrechtliche als auch zivilrechtliche Konsequenzen, beispielsweise Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche des betroffenen Arbeitnehmers.
Welche Rechte haben Betroffene nach dem AGG im Falle einer Diskriminierung?
Das AGG räumt Betroffenen umfangreiche Rechte ein, um sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Zunächst besteht das Recht auf Beschwerde bei der zuständigen innerbetrieblichen Beschwerdestelle (§ 13 AGG). Wird die Diskriminierung festgestellt, hat die betroffene Person einen Anspruch auf Beseitigung der Benachteiligung und, soweit dies erforderlich und möglich ist, auf angemessene Abhilfe. Weiterhin sieht das Gesetz einen Anspruch auf Entschädigung und gegebenenfalls Schadensersatz gemäß § 15 AGG vor. Die betroffene Person kann innerhalb einer zweimonatigen Frist nach Bekanntwerden der Benachteiligung ihre Ansprüche schriftlich geltend machen. Darüber hinaus stehen auch arbeitsrechtliche Maßnahmen offen, wie beispielsweise das Recht auf Leistungsverweigerung nach einer erfolglosen Beschwerde (unter bestimmten Voraussetzungen, § 14 AGG). Schließlich ist es möglich, den Rechtsweg zu beschreiten und Ansprüche vor dem Arbeits- oder Zivilgericht durchzusetzen.
Wie erfolgt die Beweisführung bei Diskriminierungsfällen nach dem AGG?
Das AGG sieht für Diskriminierungsfälle eine Erleichterung der Beweislast zugunsten der betroffenen Person vor. Nach § 22 AGG genügt es, wenn der oder die Betroffene Indizien (Beweisanzeichen) vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines der gesetzlich geregelten Merkmale überwiegend wahrscheinlich machen. Kommt das Gericht zum Schluss, dass solche Indizien vorliegen, so ist es am Arbeitgeber bzw. an der beklagten Partei, nachzuweisen, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorlag. Die Beweislast kehrt sich insofern um („Beweislastumkehr“). Typische Indizien können zum Beispiel abgelehnte Bewerbungen mit identischem Profil außer dem Diskriminierungsmerkmal, diskriminierende Äußerungen oder Muster im Umgang mit bestimmten Personengruppen sein.
Welche Rolle hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Rahmen des AGG?
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat vornehmlich eine beratende und unterstützende Funktion im Rahmen des AGG. Sie fungiert als zentrale Anlaufstelle für alle Personen, die sich über Diskriminierungen informieren oder beschweren möchten. Zu ihren Aufgaben zählen die persönliche und telefonische Beratung bei Diskriminierungsfällen, die Vermittlung an zuständige Beratungsstellen sowie die öffentliche Aufklärung und Sensibilisierung für das Thema Diskriminierung. Ferner beobachtet sie die praktische Anwendung des AGG und gibt Empfehlungen zur Verbesserung und Weiterentwicklung des Diskriminierungsschutzes. Die Antidiskriminierungsstelle kann jedoch keine verbindlichen Entscheidungen treffen oder Sanktionen aussprechen, sondern ist in erster Linie unterstützend und informativ tätig.