Begriff und rechtliche Einordnung von Alleinerziehenden
Definition
Alleinerziehende sind Personen, die ihr minderjähriges Kind oder ihre minderjährigen Kinder ohne die Mitwirkung des anderen Elternteils in einem gemeinsamen Haushalt betreuen und erziehen. Rechtlich wird hierzu der elterliche Status sowie die tatsächliche Lebenssituation betrachtet. Typischerweise sind Alleinerziehende Elternteile, die entweder ledig, verwitwet, dauerhaft getrennt lebend oder geschieden sind. Im deutschen Recht wird der Begriff häufig für sozialrechtliche, familienrechtliche und steuerrechtliche Regelungen verwendet.
Abgrenzung zu anderen Betreuungsformen
Nicht als alleinerziehend gelten Elternteile, die mit einem neuen Partner im selben Haushalt leben und dabei gemeinschaftlich für das Kind sorgen. Die ausschließliche oder überwiegende Verantwortung für Pflege und Erziehung des Kindes muss beim alleinerziehenden Elternteil liegen. Auch getrennt lebende Eltern, die das Kind im Wechselmodell betreuen (sog. paritätische Doppelresidenz), werden rechtlich nur dann als alleinerziehend eingestuft, wenn ein Elternteil einen Großteil der Betreuungszeit trägt.
Familienrechtliche Grundlagen
Sorgerecht und Umgangsrecht
Das elterliche Sorgerecht ist in den §§ 1626 ff. BGB geregelt. Im Regelfall bleibt das gemeinsame Sorgerecht auch nach einer Trennung der Eltern bestehen. Alleinerziehende haben jedoch häufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht (§ 1631 BGB), sofern dieses gerichtlich übertragen wurde. Umgangsrechte des anderen Elternteils (§ 1684 BGB) bleiben von der Alleinerziehendenstellung unberührt, wobei gerichtliche Regelungen zum Umgang im Einzelfall ergehen können, falls das Kindeswohl gefährdet ist.
Vormundschaft und Pflegschaft
Kann der alleinerziehende Elternteil das Sorgerecht nicht (mehr) ausüben, etwa durch Tod, Krankheit oder Entzug des Sorgerechts, wird vom Familiengericht ein Vormund (§§ 1773 ff. BGB) oder Pfleger (§ 1909 BGB) bestellt. Die Bestellung erfolgt unter Berücksichtigung des Kindeswohls und der bisherigen Bindungen.
Sozialrechtliche Aspekte
Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II)
Alleinerziehende gelten bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II (§§ 19 ff. SGB II) als sogenannte Bedarfsgemeinschaft, der besondere Mehrbedarfe zustehen. Gemäß § 21 Abs. 3 SGB II erhalten Alleinerziehende einen Mehrbedarf, der nach der Anzahl und dem Alter der Kinder gestaffelt ist, um den besonderen finanziellen Herausforderungen beim alleinigen Betreuen von Kindern Rechnung zu tragen.
Unterhaltsvorschuss
Der Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) ist eine staatliche Leistung für Alleinerziehende, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil keinen oder nur unregelmäßig Kindesunterhalt zahlt. Die Höhe des Vorschusses orientiert sich an der Mindestunterhaltsverordnung und ist nach Alter des Kindes gestaffelt. Die Bezugsdauer wurde mit der Reform des Unterhaltsvorschusses 2017 aufgehoben, sodass Kinder längstens bis zum 18. Geburtstag anspruchsberechtigt sind.
Kindergeld und Kinderzuschlag
Das Kindergeld steht auch Alleinerziehenden gemäß § 62 ff. EStG in voller Höhe zu. Zusätzlich besteht unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Kinderzuschlag (§ 6a BKGG), wenn das Einkommen des alleinerziehenden Elternteils zur Deckung des eigenen Bedarfs reicht, nicht jedoch zur Deckung des Bedarfs der Kinder.
Steuerrechtliche Behandlung
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
Alleinerziehenden steht ein besonderer Steuerfreibetrag, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, zu (§ 24b EStG). Voraussetzung ist, dass im Haushalt wenigstens ein Kind mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet ist und die haushaltsführende Person unverheiratet, dauernd getrennt lebend oder verwitwet ist. Der Entlastungsbetrag beträgt seit 2021 jährlich 4.008 Euro zuzüglich 240 Euro für jedes weitere Kind. Ziel ist die steuerliche Anerkennung der erhöhten finanziellen Belastung einer alleinigen Kinderbetreuung.
Steuerklasse II
Für Alleinerziehende wird die Steuerklasse II vergeben (§ 38b EStG). Sie ermöglicht geringere Lohnsteuerabzüge. Voraussetzung ist, dass kein weiterer Erwachsener im Haushalt lebt (ausgenommen unterhaltsberechtigte Eltern oder eigene Kinder).
Unterhaltsrechtliche Pflichten und Ansprüche
Kindesunterhalt
Der nicht betreuende Elternteil ist gemäß §§ 1601 ff. BGB zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Die Höhe richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle, wobei das Einkommen, das Alter und die Anzahl der Kinder berücksichtigt wird. Der alleinerziehende Elternteil kann den Unterhalt geltend machen; bei ausbleibender Zahlung kann der Unterhaltsvorschuss beantragt werden.
Betreuungsunterhalt
Zusätzlich zum Kindesunterhalt kann für den betreuenden Elternteil gemäß § 1570 BGB Betreuungsunterhalt beansprucht werden. Dieser Anspruch besteht mindestens bis zum dritten Geburtstag des Kindes; im Anschluss daran richtet sich der weitere Anspruch nach den Bedürfnissen des Kindes und den Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils.
Rechtliche Schutzmechanismen und Diskriminierungsverbot
Schutz vor Benachteiligung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Alleinerziehende vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und in anderen Lebensbereichen. Dies umfasst insbesondere den Zugang zu Wohnraum, Beschäftigung, Bildungseinrichtungen und öffentlichen Leistungen. Arbeitgeber dürfen die Alleinerziehendeneigenschaft nicht zum Nachteil bei Auswahlprozessen heranziehen.
Umgang mit Gewalt und Gefährdung
Besondere Schutzmechanismen bestehen, wenn Alleinerziehende und ihre Kinder von häuslicher Gewalt oder Bedrohungen betroffen sind. Das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) ermöglicht gerichtliche Schutzanordnungen, wie Kontakt- und Näherungsverbote, Aufenthaltsanordnungen und Wohnungszuweisungen zum Schutz von Elternteil und Kind.
Bedeutung und Umsetzung im europäischen Kontext
Auch auf europäischer Ebene finden sich Ansätze zur Sicherung von Gleichstellung und Unterstützung Alleinerziehender, etwa durch die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (RL (EU) 2019/1158). Diese fordert Mitgliedstaaten auf, geeignete Maßnahmen zur Absicherung von Einelternfamilien zu schaffen, etwa in Bezug auf Elternzeitregelungen und Schutz vor Benachteiligung im Erwerbsleben.
Literatur und Weblinks
Für vertiefende Informationen und aktuelle Entwicklungen zum rechtlichen Status Alleinerziehender bieten sich fachliche Publikationen, offizielle Gesetzestexte sowie die Websites einschlägiger Behörden und Interessenvereinigungen an.
Hinweis: Dieser Artikel gibt den Stand der Rechtslage zum 1. Juni 2024 wieder. Änderungen aufgrund zukünftiger Gesetzgebung oder Rechtsprechung bleiben vorbehalten.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Ansprüche auf Unterhalt bestehen für Alleinerziehende?
Alleinerziehende haben gegenüber dem anderen Elternteil in der Regel einen Anspruch auf Kindesunterhalt gemäß § 1601 BGB. Dieser Anspruch besteht unabhängig vom Sorgerecht und richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle, die die Berechnung der Unterhaltshöhe standardisiert. Zusätzlich kann unter bestimmten Voraussetzungen auch Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB beansprucht werden. Dieser wird insbesondere dann relevant, wenn das alleinerziehende Elternteil wegen der Betreuung eines Kindes unter drei Jahren nicht erwerbstätig sein kann. Auch ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) besteht, wenn der andere Elternteil nicht oder nicht regelmäßig zahlt. Der Unterhaltsvorschuss ist einkommensabhängig des anderen Elternteils und wird grundsätzlich bis zum 18. Lebensjahr des Kindes gezahlt, vorausgesetzt, das Kind lebt im Haushalt des alleinerziehenden Elternteils und erhält keine oder zu geringe Unterhaltsleistungen vom anderen Elternteil.
Welche steuerlichen Besonderheiten gelten für Alleinerziehende?
Alleinerziehende können den sogenannten Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG geltend machen. Voraussetzung ist, dass sie mit mindestens einem Kind, für das ihnen Kindergeld oder der Kinderfreibetrag zusteht, in einer Haushaltsgemeinschaft leben und keine weitere volljährige Person mit im Haushalt wohnt (Ausnahme: Kinder). Der Entlastungsbetrag beträgt seit 2020 jährlich 4.008 Euro für das erste Kind und erhöht sich für jedes weitere Kind um 240 Euro. Zusätzlich profitieren Alleinerziehende häufig von der Steuerklasse II, welche ebenfalls auf die erhöhte steuerliche Belastung Rücksicht nimmt. Der Wechsel in diese Steuerklasse ist auf Antrag beim Finanzamt möglich und sollte zeitnah nach Eintritt der Alleinerziehendenschaft erfolgen.
Welche Rechte und Pflichten bestehen im Zusammenhang mit dem Sorgerecht?
Das Sorgerecht steht grundsätzlich beiden Elternteilen gemeinsam zu, auch nach einer Trennung oder Scheidung (§ 1626 BGB). Eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dafür muss das Familiengericht feststellen, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht (§ 1671 BGB). Das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht erhält der Elternteil, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn das Gericht dies so entscheidet oder sich die Eltern außergerichtlich einigen. Unabhängig vom Sorgerecht hat aber das betreuende Elternteil im Alltag das Recht und die Pflicht, Entscheidungen zu treffen, die das Kind betreffen. Ausnahmen bilden sogenannte Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung, die nur gemeinsam mit Zustimmung des anderen Elternteils getroffen werden dürfen.
Welche arbeitsrechtlichen Schutzregelungen bestehen für Alleinerziehende?
Alleinerziehende unterliegen grundsätzlich den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, darüber hinaus bestehen jedoch keine expliziten Sonderrechte. Sie profitieren von allen gesetzlichen Regelungen, etwa des Mutterschutzgesetzes (MuSchG), des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) sowie des Kinderkrankengeldes gemäß § 45 SGB V. Im Rahmen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) kann eine Teilzeitbeschäftigung oder eine Anpassung der Arbeitszeit beantragt werden, um die Betreuung des Kindes zu gewährleisten. Kündigungsschutz während der Elternzeit und besondere Freistellungsmöglichkeiten (z.B. für Krankheit des Kindes) bieten zusätzlichen Schutz. Arbeitgeber sind verpflichtet, auf die Belange von Alleinerziehenden insbesondere im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung Rücksicht zu nehmen, soweit dies betrieblich möglich ist.
Bestehen besondere Ansprüche auf Sozialleistungen für Alleinerziehende?
Alleinerziehende können eine Reihe von Sozialleistungen beantragen. Neben dem regulären Kindergeld und Unterhaltsvorschuss kann ein Anspruch auf Kinderzuschlag (§ 6a BKGG) bestehen, sofern das Einkommen für den eigenen Bedarf reicht, aber nicht oder kaum für das Kind. Zudem können Leistungen nach SGB II (Bürgergeld) in Anspruch genommen werden, wenn das eigene Einkommen und Unterhaltsleistungen nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu decken. Das Bildungs- und Teilhabepaket nach SGB II unterstützt Kinder alleinerziehender Eltern beispielsweise bei Ausflügen, Nachhilfe oder Schulessen. Im Rahmen des Wohngeldgesetzes (WoGG) besteht ggf. ein Anspruch auf erhöhtes Wohngeld, da Alleinerziehende einen eigenen Haushalt führen müssen. Auch können bestimmte Vergünstigungen (z.B. Leistungen für Alleinerziehende bei der Gültigkeit von Sozialtickets, Kitagebühren etc.) auf kommunaler Ebene bestehen.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Unterhaltsvorschuss zu erhalten?
Um Unterhaltsvorschuss zu erhalten, muss das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, bei einem alleinerziehenden Elternteil leben und von dem anderen Elternteil keinen oder unregelmäßigen Unterhalt erhalten. Der alleinerziehende Elternteil darf nicht verheiratet oder in eingetragener Lebenspartnerschaft leben. Das Kind darf noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, wobei für Kinder ab dem zwölften Geburtstag zusätzliche Voraussetzungen gelten: Es besteht nur dann ein Anspruch, wenn das Kind keine SGB II-Leistungen bezieht oder der alleinerziehende Elternteil ein Einkommen von mindestens 600 Euro monatlich nachweisen kann (§ 1a UVG). Der Antrag ist beim zuständigen Jugendamt einzureichen. Die Höhe des Vorschusses richtet sich nach dem gesetzlichen Mindestunterhalt abzüglich des Kindergeldes.
Wie werden Umgangsrechte rechtlich geregelt?
Das Umgangsrecht ist ein vom Sorgerecht unabhängiges Recht und regelt den Kontakt des Kindes zu beiden Elternteilen (§ 1684 BGB). Das Kind hat ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, und beide Elternteile sind zum Umgang verpflichtet und berechtigt. Die konkrete Ausgestaltung des Umgangs kann durch Vereinbarungen zwischen den Eltern oder durch eine gerichtliche Regelung getroffen werden, wenn eine Einigung nicht möglich ist. Bei Streitigkeiten kann das Familiengericht eine Umgangsregelung im Sinne des Kindeswohls anordnen. Werden Umgangsregelungen nicht eingehalten, stehen gerichtliche Durchsetzungsmöglichkeiten bis hin zu Zwangsmitteln (Ordnungsgeld, Ordnungshaft) zur Verfügung.
Gibt es besondere Fördermöglichkeiten für Alleinerziehende bei der Vereinbarung von Familie und Beruf?
Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, haben Alleinerziehende Zugang zu verschiedenen Förderungen. Hierzu zählen spezielle Beratungsangebote und Unterstützungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit, wie beispielsweise die Übernahme von Betreuungskosten im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung oder Umschulung (§ 82 SGB III), Bildungsgutscheine sowie Zuschüsse zur Kinderbetreuung für alleinerziehende Auszubildende (§ 27 SGB III). Viele Länder und Kommunen bieten zusätzliche Programme, darunter erweiterte Öffnungszeiten von Kitas oder spezielle Notfallbetreuungsplätze. Darüber hinaus bestehen bundesweit Initiativen zur Förderung flexibler Arbeitszeitmodelle und zur Unterstützung bei der Jobsuche speziell für Alleinerziehende. Die Inanspruchnahme der Förderungen erfordert jedoch regelmäßige Antragstellung und Nachweise über die alleinerziehende Lebenssituation.