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Akkordarbeit

 

Begriff und Bedeutung der Akkordarbeit

Akkordarbeit bezeichnet im arbeitsrechtlichen Kontext eine besondere Form der Arbeitsentlohnung, bei der die Vergütung nicht nach der aufgewendeten Zeit, sondern nach dem erzielten Arbeitsergebnis bemessen wird. Typischerweise findet diese Form des Leistungslohns in industriellen oder gewerblichen Produktionsbereichen Anwendung. Die Höhe des Arbeitsentgelts richtet sich hier nach der Anzahl der gefertigten Stücke oder abgeschlossenen Arbeitseinheiten innerhalb eines bestimmten Zeitraums.

Akkordarbeit unterscheidet sich damit grundlegend vom Zeitlohn, bei dem die Arbeitszeit als Bemessungsgrundlage dient. Dieses Entlohnungsmodell soll die Arbeitsproduktivität steigern, indem ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen individueller Arbeitsleistung und Verdienst geschaffen wird.


Rechtlicher Rahmen der Akkordarbeit in Deutschland

Gesetzliche Grundlagen

Die Ausgestaltung von Akkordarbeit in Deutschland wird im Wesentlichen durch das Arbeitsrecht bestimmt. Zentrale Vorschriften finden sich insbesondere im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), im Arbeitszeitgesetz (ArbZG), im Mindestlohngesetz (MiLoG) sowie im Tarifvertragsgesetz (TVG).

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Einführung und Ausgestaltung von Akkordarbeit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Dies umfasst insbesondere die Festsetzung der Grundlagen für die Akkordentlohnung sowie die Gestaltung der Arbeitsbewertung und der Akkordsätze.

Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

Das Arbeitszeitgesetz findet auch auf Akkordarbeit Anwendung. Es limitiert die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit in Bezug auf Gesundheitsschutz (§ 3 ArbZG) und sieht Regelungen zu Pausen und Ruhezeiten vor. Überschreitungen der zulässigen Arbeitszeit unter Hinweis auf potentiell höhere Akkordverdienste sind unzulässig.

Tarifvertragsgesetz (TVG) und Mindestlohngesetz

Häufig ist die Ausgestaltung von Akkordarbeit sowie die Höhe der Akkordsätze in Tarifverträgen geregelt. Das Mindestlohngesetz definiert außerdem, dass der auf die Zeit umgerechnete Akkordlohn mindestens dem gesetzlichen Mindestlohn entsprechen muss.


Ausgestaltung und Umsetzung in der Praxis

Arten der Akkordarbeit

Stückakkord

Beim Stückakkord (Direktakkord) erfolgt die Vergütung nach der Anzahl der erbrachten Leistungseinheiten. Für jede fehlerfrei erbrachte Einheit wird ein vorher festgelegter Betrag gezahlt. Die Berechnung erfolgt anhand eines vorab definierten Akkordsatzes.

Zeitakkord

Beim Zeitakkord (indirekter Akkord) wird jedem Arbeitsschritt eine bestimmte Zeitvorgabe zugeordnet. Die Entlohnung errechnet sich anhand des Verhältnisses zwischen der tatsächlich benötigten Arbeitszeit und der vorgegebenen Normzeit multipliziert mit einem Akkordfaktor.

Rechtlicher Mindestschutz und Grenzen

Mindestlöhne

Der Gesetzgeber schreibt vor, dass unter keinen Umständen der effektive Stundenlohn, der sich aus dem Akkordlohn ergibt, unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen darf. Dies wird regelmäßig durch Gewerbeaufsichtsämter und andere Kontrollinstanzen überprüft.

Gesundheitsschutz und Arbeitsbelastung

Aufgrund der erhöhten Arbeitsbelastung und gesteigerten Unfallrisiken sieht das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) besondere Schutzmaßnahmen für Arbeitnehmer in Akkordarbeit vor. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen und die Arbeitsplätze sicher zu gestalten.

Gleichbehandlungsgrundsatz

Die Auswahl der Beschäftigten sowie die Ausgestaltung der Akkordbedingungen dürfen keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (§ 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, AGG) enthalten.


Mitbestimmung und Betriebsverfassung

Beteiligung des Betriebsrats

Die Einführung, Abschaffung oder Änderung von Akkordlöhnen unterliegt der Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG). Dies betrifft sowohl die Festlegung von Akkordsätzen als auch die Methoden der Arbeitsbewertung und die Gestaltung der Prämienbedingungen.

Information und Anhörung

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat frühzeitig und umfassend über geplante Änderungen zu unterrichten. Im Streitfall entscheidet die Einigungsstelle nach § 76 BetrVG.


Arbeitsrechtliche Streitigkeiten und Rechtsschutz

Überprüfung von Akkordvereinbarungen

Arbeitnehmer, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Akkordvereinbarungen haben, können die Korrektheit der Akkordlohnberechnung überprüfen lassen. Im Fall von Unstimmigkeiten besteht ein Anspruch auf Nachzahlung und gegebenenfalls Anpassung der Entlohnungsmodalitäten.

Kündigungsschutz

Da Akkordarbeit häufig mit erhöhtem Leistungsdruck verbunden ist, stehen den betreffenden Arbeitnehmern sämtliche allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzvorschriften (Kündigungsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz etc.) zu. Eine Kündigung darf nicht aufgrund einer zu geringen Akkordleistung ausgesprochen werden, sofern diese auf realistische und zumutbare Vorgaben zurückzuführen ist.


Tarifliche und individualrechtliche Regelungen

Regelungen in Tarifverträgen

Viele Branchen regeln Art, Umfang und Grenzen der Akkordarbeit in spezifischen Tarifverträgen. Diese enthalten oft detaillierte Bestimmungen zu Akkordsätzen, Mindestleistungen, Abrechnungszeiträumen und Zuschlägen.

arbeitsvertragliche Vereinbarungen

Sofern keine tarifvertraglichen Reglungen gelten, können individuelle Arbeitsverträge Akkordarbeit vorsehen. Diese unterliegen strengen Transparenz-, Informations- und Regelungsanforderungen und dürfen die genannten gesetzlichen und tariflichen Mindeststandards nicht unterschreiten.


Besonderheiten im Arbeitsverhältnis

Akkordarbeit und Teilzeitbeschäftigung

Akkordarbeit ist grundsätzlich auch bei Teilzeitkräften möglich, sofern die Vergütung stets mindestens dem auf die Arbeitszeit umgerechneten Mindestlohn entspricht.

Akkordarbeit und befristete Anstellungsverhältnisse

Befristete Verträge können ebenfalls Akkordvereinbarungen enthalten, müssen jedoch die allgemeinen Schutzvorschriften für befristete Arbeitsverhältnisse einhalten.


Fazit

Akkordarbeit ist eine leistungsorientierte Form der Arbeitsentlohnung, die im deutschen Arbeitsrecht umfassend geregelt ist. Die rechtlichen Rahmenbedingungen schützen Arbeitnehmer sowohl vor unangemessenen Belastungen als auch vor einer Vergütung unterhalb des Mindestlohns. Mitbestimmungs- und Schutzrechte, speziell gewährleistet durch das Betriebsverfassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz sowie einschlägige Tarifverträge, sichern eine angemessene Anwendung der Akkordarbeit in der Praxis.

Durch die klare gesetzliche Struktur, die Beteiligung betrieblicher Interessenvertretungen und umfangreiche Kontroll- und Schutzinstrumente stellt die Akkordarbeit eine verbindliche und überwachte Form der Arbeitsentlohnung im deutschen Recht dar.

Häufig gestellte Fragen

Ist Akkordarbeit in Deutschland grundsätzlich zulässig?

Akkordarbeit ist in Deutschland grundsätzlich zulässig, unterliegt jedoch verschiedenen arbeitsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Regelungen. Die Vergütung nach Akkord setzt voraus, dass sowohl die zu leistende Arbeitsmenge als auch die Entlohnungshöhe von vorneherein eindeutig festgelegt werden können. Die Rahmenbedingungen sind im Wesentlichen im Arbeitsvertrag, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen zu regeln. Spezielle gesetzliche Vorgaben finden sich vor allem im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sowie im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Darüber hinaus ist zu beachten, dass durch den Akkordlohn keine gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlöhne, etwa gemäß dem Mindestlohngesetz (MiLoG), unterschritten werden dürfen. Die betriebliche Mitbestimmung, insbesondere die des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), ist bei Einführung oder Änderung von Akkordarbeit zwingend zu berücksichtigen, da es sich um eine mitbestimmungspflichtige Lohngestaltung handelt.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei der Einführung von Akkordarbeit?

Der Betriebsrat besitzt bei der Einführung, Änderung oder Abschaffung von Akkordarbeit umfassende Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Dies umfasst sowohl die grundsätzliche Entscheidung über die Einführung von Akkordlohn als auch die genaue Ausgestaltung der Akkordlohnbedingungen, beispielsweise der Berechnungsgrundlagen und Ermittlung der Akkordsätze. Da die Gestaltung von Entlohnungsmethoden maßgebliche Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen im Betrieb – insbesondere auf das Arbeitstempo, die Belastung der Beschäftigten sowie das Entgelt – hat, darf der Arbeitgeber hier keine einseitigen Festlegungen treffen. Kommt eine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht zustande, kann die Einigungsstelle angerufen werden, deren Spruch die Einigung ersetzt. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats betreffen darüber hinaus auch die Festlegung der Leistungsvorgaben, die Ermittlung und Kontrolle der individuellen Arbeitsergebnisse sowie das Verfahren bei Beanstandungen und Leistungsfeststellungen.

Muss bei Akkordarbeit das Arbeitszeitgesetz beachtet werden?

Ja, das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) gilt auch für Akkordarbeit uneingeschränkt. Das bedeutet insbesondere, dass die gesetzlich geregelten Höchstarbeitszeiten, Pausenregelungen sowie Ruhezeiten zwingend einzuhalten sind, unabhängig davon, wie viel die Arbeitnehmer tatsächlich leisten oder durch Akkordanreize motiviert sind zu leisten. Die maximale werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden (bis zu 10 Stunden mit Ausgleich) darf nicht überschritten werden (§ 3 ArbZG). Da Akkordarbeit oft mit einer erhöhten physischen und psychischen Belastung einhergeht, sind die Arbeitsschutzvorschriften besonders zu beachten. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, damit durch erhöhte Leistungsanforderungen keine gesundheitlichen Gefahren für die Beschäftigten entstehen (vgl. § 3 ArbSchG).

Können auch Teilzeitkräfte im Akkord beschäftigt werden?

Grundsätzlich sind auch Teilzeitbeschäftigte berechtigt, im Akkord zu arbeiten, sofern die Bedingungen zur Durchführung von Akkordarbeit sich mit dem bestehenden Arbeitszeitvolumen vereinbaren lassen. Die Vergütung erfolgt dann entsprechend dem Verhältnis der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zur Vollzeit. Zu beachten ist hierbei, dass keine Benachteiligung gemäß § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) erfolgen darf. Teilzeitkräfte müssen proportional zum Umfang ihrer Arbeitszeit am Akkordlohnsystem partizipieren können. Die Festlegung der Akkordgrundlagen muss transparent und nachvollziehbar erfolgen. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Leistungsanforderungen für Teilzeitkräfte realistisch und erfüllbar sind und keine gesundheitsschädlichen Überforderungen entstehen.

Welche Dokumentationspflichten bestehen bei Akkordarbeit?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Bestimmungen über Arbeitszeiten, Akkordleistungen und Entgelte lückenlos zu dokumentieren. Dies ergibt sich aus § 16 ArbZG in Verbindung mit § 17 MiLoG. Darüber hinaus fordern viele Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen detaillierte Aufzeichnungen über geleistete Arbeitsmengen, Zeitaufwand, Stückzahlen sowie die darauf entfallenden Entgelte, um eine transparente und überprüfbare Abrechnung sicherzustellen. Die Aufbewahrung dieser Unterlagen richtet sich nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorschriften, wobei üblicherweise eine Frist von zwei bis drei Jahren gilt. Die Dokumentation dient dem Schutz der Arbeitnehmer, etwa bei Streitigkeiten um die korrekte Vergütung oder die Einhaltung der geforderten Pausenzeiten sowie der Mindestlohnbedingungen.

Gibt es Personengruppen, für die Akkordarbeit nicht zulässig ist?

Für bestimmte Personengruppen ist Akkordarbeit entweder generell unzulässig oder unterliegt engen Einschränkungen. Dazu zählen insbesondere Jugendliche im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG), für die Akkord- und Fließarbeit nach § 23 JArbSchG grundsätzlich verboten ist, damit gesundheitliche Überforderungen ausgeschlossen werden. Schwangere und stillende Mütter dürfen nach § 4 Absatz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, die eine erhöhte körperliche Belastung oder ein gesteigertes Arbeitstempo voraussetzen, was typischerweise bei Akkordarbeit der Fall ist. Auch für Menschen mit Behinderungen und bestimmte besonders schutzbedürftige Gruppen können nach Maßgabe der jeweiligen Schutzvorschriften Einschränkungen gelten. Der Arbeitgeber muss diese Vorgaben beachten und gegebenenfalls alternative Arbeitsformen oder Schonungstätigkeiten anbieten.

Welche besonderen Gefahren birgt Akkordarbeit aus arbeitsrechtlicher Sicht und wie sind diese zu vermeiden?

Akkordarbeit ist mit besonderen arbeitsrechtlichen Risiken verbunden, insbesondere hinsichtlich Überforderung, gesundheitlicher Schädigungen, Verletzung von Arbeitszeit- und Arbeitsschutzvorschriften sowie Lohngerechtigkeit. Eine zu hohe Leistungsverdichtung kann zu gesundheitlichen Einschränkungen, Stress und zu Arbeitsunfällen führen. Daher ist der Arbeitgeber verpflichtet, durch entsprechende Gefährdungsbeurteilungen (§ 5 ArbSchG), regelmäßige Überprüfungen der Arbeitsbedingungen und die Implementierung geeigneter Präventionsmaßnahmen sicherzustellen, dass die Arbeit im Akkord nicht zu Lasten der Gesundheit oder der Sicherheit der Arbeitnehmer geht. Dazu gehört auch die regelmäßige Überprüfung und ggf. Anpassung der Akkordrichtsätze, die Festlegung von realistischen Leistungszielen und die Bereitstellung von Erholungszeiten. Zudem sind sensible Personengruppen besonders zu schützen, Transparenz im Abrechnungssystem sicherzustellen und Beteiligungsrechte des Betriebsrats konsequent zu wahren. Bei Nichteinhaltung drohen arbeitsrechtliche, zivilrechtliche und in gewissen Fällen auch strafrechtliche Konsequenzen.