Rechtliche Grundlagen der Agrartechnik
Die Agrartechnik, auch Landtechnik genannt, umfasst alle technischen Verfahren, Maschinen, Geräte und Systeme, die im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion zur Anwendung kommen. Aus rechtlicher Sicht unterliegt die Agrartechnik in Deutschland und der Europäischen Union einer Vielzahl von verordnungs- und richtlinienbasierten Regelungen, insbesondere mit Blick auf Sicherheitsanforderungen, Inverkehrbringen, Betrieb und Umweltschutz. Dieser Artikel bietet eine umfassende, strukturierte Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Agrartechnik.
Begriffsbestimmung und Abgrenzung
Unter dem Begriff Agrartechnik werden sämtliche Maschinen, Anlagen, Geräte und Systeme verstanden, die für die landwirtschaftliche Produktion, Ernte, Verarbeitung und Lagerung von Erzeugnissen eingesetzt werden. Rechtlich relevant ist dabei die Abgrenzung zu forsttechnischen, gartenbaulichen oder gewerblichen Anlagen.
Typische landtechnische Arbeitsmittel
- Traktoren
- Mähdrescher
- Sämaschinen
- Pflanzenschutzgeräte
- Gülleausbringtechnik
Vorschriften und Normen für Agrartechnik
Agrartechnische Geräte und Maschinen fallen primär unter das Produktsicherheitsrecht, das insbesondere durch die folgenden Regelungen geprägt wird:
Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)
Das deutsche Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) setzt europäische Produktsicherheitsrichtlinien, darunter die Maschinenrichtlinie, um. Es ist für das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Agrartechnik im europäischen Wirtschaftsraum maßgeblich. Hersteller und Händler haben sicherzustellen, dass die vom ProdSG betroffenen Produkte bei bestimmungsgemäßer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Anwendern sowie Dritten nicht gefährden.
EG-Maschinenrichtlinie (2006/42/EG)
Die zentrale rechtliche Grundlage für Landmaschinen innerhalb der EU ist die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Diese regelt das Inverkehrbringen und die grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen für Maschinen. Landwirtschaftliche Maschinen müssen diesen Anforderungen genügen, bevor sie in der Europäischen Union verkauft oder in Betrieb genommen werden.
Anforderungen der Maschinenrichtlinie
- Konformitätsbewertung
- Anbringung der CE-Kennzeichnung
- Erstellung der EG-Konformitätserklärung
- Bereitstellung einer technischen Dokumentation
Ein Landmaschinenhersteller muss mit Einführung eines Produkts auf dem Markt die Einhaltung dieser Vorschriften nachweisen.
Spezifische Harmonisierungsrechtsvorschriften
Zusätzlich zur Maschinenrichtlinie gelten für bestimmte Agrartechnik-Komponenten weitere spezifische Richtlinien, beispielsweise:
- Richtlinie 2000/14/EG über Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen
- Richtlinie 2014/30/EU über die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV)
- EU-Abgasstufenregelungen (Regulierung der Emissionen mobiler Maschinen und Traktoren)
Inverkehrbringen und Betrieb von Agrartechnik
Konformitätsbewertungsverfahren
Vor dem erstmaligen Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme einer landwirtschaftlichen Maschine ist ein Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen. Dieses dient dem Nachweis, dass die Maschine die einschlägigen Richtlinien erfüllt. Die einschlägigen Dokumente, wie Bedienungsanleitungen und technische Unterlagen, sind vorzuhalten und auf Verlangen den Marktüberwachungsbehörden zu übermitteln.
CE-Kennzeichnung
Die CE-Kennzeichnung dokumentiert die Übereinstimmung mit allen relevanten EU-Richtlinien und ist verpflichtende Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Agrartechnik. Sie muss sichtbar, lesbar und dauerhaft auf der Maschine angebracht werden.
Überwachung und Sanktionen
Die Marktüberwachung obliegt in Deutschland den Behörden der Bundesländer. Im Falle von Verstößen gegen die Vorschriften sind Rückrufe, Vertriebsverbote und Bußgelder möglich.
Betrieb und Arbeitsschutz
Auch beim Betrieb von Agrartechnik gelten spezifische rechtliche Anforderungen, die in erster Linie auf den Schutz von Arbeitnehmern und Dritten abzielen.
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)
Die Betriebssicherheitsverordnung regelt das Betreiben von Arbeitsmitteln, zu denen insbesondere alle in der Landwirtschaft eingesetzten Maschinen zählen. Arbeitgeber sind zur regelmäßigen Überprüfung und Wartung verpflichtet. Der sichere Betrieb ist zu gewährleisten, die Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren.
Unfallverhütungsvorschriften der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)
Die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der SVLFG konkretisieren die gesetzlichen Vorgaben und geben umfassende Regelungen etwa zu
- Schutzeinrichtungen an Maschinen
- Persönliche Schutzausrüstung
- Verhaltensregeln beim Betrieb von Maschinen
Umweltschutzanforderungen
Moderne Agrartechnik unterliegt auch umfangreichen umweltrechtlichen Auflagen. Diese betreffen etwa:
- Emissionsgrenzwerte (Abgasnormen, Lärm)
- Anforderungen an die Dichtheit und Ausbringgenauigkeit von Gülletechnik
- Vorschriften zum Schutz von Oberflächengewässern und Grundwasser beim Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln
Relevant sind hier insbesondere die Regelungen aus dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG), der Düngeverordnung (DüV) sowie den jeweiligen landesspezifischen Wasserschutzauflagen.
Haftung und Produktsicherheit
Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)
Im Falle eines Schadens, der durch einen Fehler an einer Agrartechnik-Maschine verursacht wurde (z. B. infolge eines Konstruktions- oder Materialfehlers), kann nach dem Produkthaftungsgesetz der Hersteller verschuldensunabhängig in Anspruch genommen werden.
Verkehrssicherungspflichten
Betreiber und Halter von Agrartechnik sind verpflichtet, durch sachgerechte Wartung und Betrieb sicherzustellen, dass von der Technik keine Gefahren für Leib, Leben und Eigentum Dritter ausgehen.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Produktion, das Inverkehrbringen, der Betrieb und die Wartung von Agrartechnik sind durch eine Vielzahl nationaler und europäischer Rechtsvorschriften umfassend geregelt. Zentral sind die Bestimmungen der Maschinenrichtlinie, die sich in nationalem Recht etwa im Produktsicherheitsgesetz und der Betriebssicherheitsverordnung widerspiegeln. Ergänzend sind zahlreiche spezifische und technische Regelwerke, insbesondere zu Arbeitsschutz, Umweltschutz und Produkthaftung, zu beachten. In der Praxis ist eine fortlaufende Anpassung der rechtlichen Anforderungen an den technischen Fortschritt der Agrartechnik zu beobachten, etwa mit Blick auf Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeitsanforderungen.
Die Einhaltung der strengen rechtlichen Anforderungen ist nicht nur Voraussetzung für ein Inverkehrbringen und den sicheren Betrieb von Agrartechnik, sondern dient auch dem Schutz von Mensch und Umwelt.
Häufig gestellte Fragen
Wie wirkt sich die EG-Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) auf die Inverkehrbringung von Landmaschinen aus?
Die EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG regelt unter anderem das Inverkehrbringen und die grundlegenden Anforderungen an den Bau und die Konstruktion von Landmaschinen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums. Für Hersteller bedeutet dies, dass jede Landmaschine, bevor sie auf den Markt gebracht oder erstmalig in Betrieb genommen werden darf, die wesentlichen Anforderungen hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz erfüllen muss. Dazu zählt, dass sie ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen, eine EG-Konformitätserklärung ausgestellt wird und eine CE-Kennzeichnung angebracht ist. Außerdem müssen umfassende technische Unterlagen vorliegen, die die Einhaltung der Richtlinien belegen. Landmaschinen, deren Konstruktion oder Funktion nicht den Vorgaben der Richtlinie entsprechen, dürfen nicht frei im Binnenmarkt gehandelt werden. Im Falle von Umbauten oder wesentlichen Änderungen einer Landmaschine kann erneut eine Konformitätsbewertung erforderlich sein. Die Verantwortung für die Einhaltung der Maschinenrichtlinie trägt der Hersteller oder – im Fall von Importen – der in Europa ansässige Inverkehrbringer.
Welche rechtlichen Anforderungen gelten für die Bedienungsanleitung bei Landmaschinen gemäß der Maschinenrichtlinie?
Die Maschinenrichtlinie schreibt vor, dass jeder Maschine eine Betriebsanleitung beigelegt sein muss, die alle Informationen enthält, die für den sicheren Betrieb, die Wartung und gegebenenfalls die Reparatur erforderlich sind. Die Anleitung muss in mindestens einer Amtssprache des Bestimmungslandes der Maschine verfasst sein. Inhaltlich ist vor allem auf die Abdeckung aller relevanten Risiken, der richtigen Montage, der Bedienung, der Instandhaltung, der Entstörung und der Entsorgung zu achten. Weiterhin muss die Betriebsanleitung auch auf mögliche Restrisiken, die trotz konstruktiver Maßnahmen nicht vollständig ausgeschlossen werden können, hinweisen und entsprechende Schutzmaßnahmen oder Verhaltensregeln empfehlen. Eine nicht ordnungsgemäß oder unvollständig beigefügte Anleitung stellt einen Verstoß gegen die Richtlinie dar und kann zu Haftungsrisiken führen.
Was ist im rechtlichen Sinne unter einer „wesentlichen Veränderung“ einer Landmaschine zu verstehen und welche Folgen hat dies?
Von einer „wesentlichen Veränderung“ spricht man rechtlich, wenn bei einer bereits in Verkehr gebrachten Landmaschine konstruktive Änderungen vorgenommen werden, die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz maßgeblich beeinflussen können. Solche Veränderungen können die bestehenden Schutzmaßnahmen außer Kraft setzen oder neue Gefährdungen schaffen. Im rechtlichen Kontext gilt die Maschine danach als „neu in Verkehr gebracht“, wodurch die vollständige Anwendung der Maschinenrichtlinie inklusive Konformitätsbewertung, EG-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung notwendig wird. Zudem muss eine neue Betriebsanleitung erstellt werden. Betreiber und Unternehmen, die solche Änderungen vornehmen, übernehmen insofern Herstellerverantwortung und die damit verbundenen Pflichten.
Welche Haftungsrisiken bestehen bei Nichteinhaltung der Maschinenrichtlinie bei Landmaschinen?
Die Nichteinhaltung der Maschinenrichtlinie kann zu erheblichen zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken führen. Hersteller, Inverkehrbringer oder Betreiber, die vorsätzlich oder fahrlässig eine nicht konforme Maschine auf den Markt bringen oder betreiben, können bei Unfällen schadensersatzpflichtig gemacht werden. Darüber hinaus drohen Bußgelder oder Strafen seitens der Aufsichtsbehörden, ggf. auch die Rücknahme oder der Vertriebsstopp der betreffenden Landmaschine. Besonders schwerwiegend sind Fälle mit Personenschäden, da hier strafrechtliche Konsequenzen wie Fahrlässige Körperverletzung oder sogar Tötung in Betracht kommen. Die Haftung kann sich auch auf nachgelagerte Betriebe, wie beispielsweise Wartungsunternehmen, ausweiten, wenn diese die Konformität beeinträchtigen.
Muss jede Landmaschine zwingend eine CE-Kennzeichnung tragen?
Im Rahmen der Maschinenrichtlinie ist die CE-Kennzeichnung grundsätzlich für alle in Verkehr gebrachten und in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden Landmaschinen Pflicht. Mit Anbringung der CE-Kennzeichnung erklärt der Hersteller, dass das Produkt alle geltenden europäischen Rechtsvorschriften – auch über die Maschinenrichtlinie hinaus, wie etwa EMV-Richtlinie, Niederspannungsrichtlinie oder die Outdoor-Richtlinie – einhält. Ohne CE-Kennzeichnung darf die Landmaschine weder verkauft noch betrieben werden. Ausgenommen hiervon sind lediglich solche Maschinen, die speziell von der Maschinenrichtlinie ausgenommen sind, z. B. bestimmte Oldtimer, selbstgebaute Maschinen für den Eigengebrauch (mit Ausnahmen bei Gefährdung Dritter) oder Ausrüstungen, die eindeutig nicht als eigenständige Maschinen betrachtet werden.
Welche Anforderungen bestehen an die technische Dokumentation einer Landmaschine?
Nach der Maschinenrichtlinie ist die technische Dokumentation ein rechtsverbindlicher Bestandteil der Konformitätsbewertung. Sie muss dem Stand der Technik entsprechen und alle Unterlagen enthalten, die zur Beurteilung der Übereinstimmung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen benötigt werden. Dazu zählen unter anderem Konstruktionszeichnungen, Schaltpläne, Risikoanalysen, Stücklisten, Prüfprotokolle, Angaben zu verwendeten Normen, verwendete Schutzvorrichtungen sowie Informationen zu Testverfahren und Ergebnissen. Die Unterlagen sind vom Hersteller mindestens zehn Jahre nach Inverkehrbringen der letzten Maschine aufzubewahren und den zuständigen Behörden auf Anfrage vorzulegen.
Wer ist bei Importen von Landmaschinen aus Drittländern rechtlich für die Einhaltung der Maschinenrichtlinie verantwortlich?
Bei Importen aus Nicht-EU-Ländern übernimmt der Importeur im europäischen Wirtschaftsraum rechtlich die Rolle des „Herstellers“ im Sinne der Maschinenrichtlinie. Das bedeutet, dass er für die Durchführung der Konformitätsbewertung, die CE-Kennzeichnung, die Erstellung und Bereithaltung der technischen Dokumentation sowie das Anfertigen und Beilegen einer den Anforderungen entsprechenden Betriebsanleitung verantwortlich ist. Versäumnisse in diesem Bereich können zu denselben rechtlichen Konsequenzen führen wie beim eigentlichen Hersteller, inklusive umfassender zivil- und strafrechtlicher Haftung.
Welche Rolle spielen harmonisierte Normen bei der Beurteilung der Rechtskonformität von Landmaschinen?
Harmonisierte Normen sind technische Spezifikationen, die von europäischen Normungsorganisationen im Auftrag der EU-Kommission ausgearbeitet wurden und im Amtsblatt der EU veröffentlicht sind. Sie dienen dazu, ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und die Einhaltung der wesentlichen Anforderungen der Maschinenrichtlinie zu erleichtern. Durch die Anwendung harmonisierter Normen kann der Hersteller von einer „Vermutungswirkung der Konformität“ profitieren: Halten Konstruktion und Bau der Landmaschine die vorgeschriebenen Normen ein, wird davon ausgegangen, dass die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllt sind. Die Anwendung harmonisierter Normen ist zwar freiwillig, führt jedoch in der Regel zu einer erheblichen Rechtssicherheit für Hersteller und erleichtert Kontrollbehörden die Konformitätsprüfung.