Begriff und Bedeutung der Agrarpreisregelung
Unter dem Begriff Agrarpreisregelung werden sämtliche staatlichen und supranationalen Maßnahmen und Rechtsinstrumente verstanden, die eine Steuerung, Stabilisierung oder Festsetzung der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse zum Ziel haben. Diese Regelungen sind wesentlicher Bestandteil der Agrarpolitik und resultieren aus dem Bedürfnis, die Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe zu sichern, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten und extreme Preisschwankungen auf Agrarmärkten zu verhindern.
Agrarpreisregelungen finden sich auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene, greifen ineinander und beruhen auf einem komplexen Geflecht von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsakten.
Historische Entwicklung und wirtschaftspolitischer Hintergrund
Entwicklung bis zur Gegenwart
Die Ursprünge von Agrarpreisregelungen reichen bis ins beginnende 20. Jahrhundert zurück. Sie gewannen nach den Weltwirtschaftskrisen und im Zuge von Versorgungsengpässen während der Kriegsjahre zunehmend an Bedeutung. Nationale Preisstützungen und Quotensysteme prägten zunächst das Bild, bevor seit 1962 im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) mit umfangreichen Markt- und Preisinstrumenten geschaffen wurde.
Agrarpreisregelung im Kontext der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
Die Europäische Union regelt die Märkte für zahlreiche Agrargüter zentral. Wesentliche Rechtsgrundlagen sind der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere Art. 38 ff., sowie eine Vielzahl von Verordnungen und Durchführungsakten, die Preisbildungsmechanismen, Marktinterventionen und Subventionsprogramme normieren.
Rechtliche Grundlagen der Agrarpreisregelung
Europarechtliche Grundlagen
Vertragsrechtliche Regelungen
Die grundlegende Kompetenz für Agrarpreisregelungen der Union ergibt sich aus Artikel 43 AEUV. Ziel ist laut Art. 39 AEUV unter anderem die Sicherstellung einer angemessenen Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung und die Stabilisierung der Märkte.
Sekundärrechtliche Ausgestaltung
Das Marktordnungsrecht der EU ist das zentrale Regelungsinstrument der Agrarpreisbildung. Zu nennen sind hier insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 (Gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse – GMO-Verordnung) sowie spezielle Einzelmarktordnungen für ausgesuchte Produktbereiche.
Nationale Umsetzung und Rechtsgrundlagen
Nationale Marktordnungsstellen
Die EU-Vorgaben werden durch entsprechende nationale Behörden umgesetzt, in Deutschland beispielsweise durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Verbindung mit weiteren Fachministerien und Bundesländern.
Umsetzungsgesetze und Verordnungen
Auf Bundesebene finden sich entsprechende Regelungen unter anderem im Marktorganisationsgesetz (MOG), das die nationale Umsetzung europäischer Agrarmarktordnungen steuert, sowie in begleitenden Durchführungsverordnungen.
Instrumente der Agrarpreisregelung
Interventionspreise und Marktintervention
Zur Absicherung von Mindestpreisen werden temporär Ankaufprogramme (Interventionen) organisiert. Landwirte erhalten somit eine untere Preisgarantie für bestimmte Produkte wie Getreide oder Milchpulver.
Zielpreise, Schwellenpreise und Mindestpreise
Zielpreise geben eine angestrebte Preisgrenze für landwirtschaftliche Produkte vor. Schwellenpreise legen Preispunkte fest, bei deren Unterschreitung Importbeschränkungen oder Zölle greifen, um den Binnenmarkt zu schützen. Mindestpreise dienen der Einkommenssicherung von Produzenten.
Abschöpfungen und Ausgleichszahlungen
Der Import landwirtschaftlicher Erzeugnisse wird durch so genannte „Abschöpfungen“ verteuert, um die heimische Preisstabilität zu sichern. Direkte Ausgleichszahlungen kompensieren Marktteilnehmer für Preisverluste.
Produktionsquoten und Lieferrechte
Besonders bei Milch, Zucker oder Stärke wurden in der Vergangenheit Produktionsquoten und Lieferrechte etabliert, um Angebotsüberhänge und damit verbundene Preisdumpingeffekte zu verhindern.
Subventionen und Direktzahlungen
In der modernen GAP sind Direktzahlungen nach festen, an Flächen und Umweltmaßnahmen geknüpften Kriterien das vorherrschende Instrument, das Preisschwankungen indirekt abfedert.
Rechtliche Kontroversen und Herausforderungen
Beihilferechtliche Zulässigkeit
Agrarpreisregelungen müssen mit dem europäischen und internationalen Wettbewerbsrecht, namentlich den Vorschriften über staatliche Beihilfen (Art. 107 ff. AEUV) und den Vorgaben der WTO, vereinbar sein.
Verfassungsrechtliche Grenzen
National berührt die Agrarpreisregelung Grundrechte, etwa das Eigentumsrecht der Betriebsinhaber (Art. 14 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG), muss jedoch stets dem Gemeinwohl dienen und der Verhältnismäßigkeitspflicht genügen.
Anpassung an internationale Handelsabkommen
Durch die Globalisierung und Bilaterale Handelsabkommen (wie CETA oder TTIP) entsteht zunehmend rechtlicher Anpassungsbedarf, um Konflikte mit internationaler Agrarhandelsgesetzgebung zu vermeiden.
Aktuelle Entwicklungen und Reformen
Mit den Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik seit 2013 änderte sich das System der Agrarpreisregelungen grundlegend: Der Fokus liegt verstärkt auf ökologischen Nachhaltigkeitskriterien, marktbezogenen Instrumenten und gezielter Krisenvorsorge. Preiswaagen erfolgen zunehmend durch den Markt, allerdings behalten Interventionsmechanismen für Krisenfälle weiterhin Bedeutung.
Bedeutung und Kritik der Agrarpreisregelung
Die Agrarpreisregelung ist ein zentrales Element zur Sicherung stabiler landwirtschaftlicher Einkommen und Versorgungssicherheit. Kritisch werden Markteingriffe aufgrund möglicher Wettbewerbsverzerrungen, Überproduktionen und Belastungen für staatliche Haushalte betrachtet. Demgegenüber stehen soziale und strukturelle Ziele, die für die ländliche Entwicklung und Ernährungssicherheit bedeutsam sind.
Literaturhinweise und weiterführende Rechtsquellen
- Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
- Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 (Gemeinsame Marktorganisation)
- Marktorganisationsgesetz (MOG)
- Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)
- WTO-Abkommen über Landwirtschaft
Häufig gestellte Fragen
Wie beeinflussen europarechtliche Vorgaben nationale Regelungen zur Agrarpreisregelung?
Die europarechtlichen Vorgaben sind für nationale Regelungen zur Agrarpreisregelung maßgeblich, da der Agrarsektor in der Europäischen Union weitgehend gemeinschaftlich reguliert wird. Insbesondere die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU gibt einen verbindlichen Rahmen für Preisstützungsmaßnahmen, Marktinterventionen und Subventionssysteme vor. Nationale Gesetzgeber müssen ihre Regelungen mit den Verordnungen und Richtlinien der EU abgleichen und dürfen keine Maßnahmen erlassen, die den freien Warenverkehr oder den Wettbewerb im Binnenmarkt unverhältnismäßig beschränken. Verstöße gegen diese Vorgaben können zu Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission oder zur Ungültigkeit nationaler Regelungen führen. Weiterhin bedürfen spezifische staatliche Beihilfen zugunsten der Landwirtschaft in der Regel einer beihilferechtlichen Genehmigung nach Art. 107 ff. AEUV. Nationale Regelungen dürfen überdies keine Diskriminierung innerhalb des Binnenmarktes verursachen und müssen das Ziel der GAP, nämlich einen funktionierenden Binnenmarkt unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der Landwirtschaft, beachten. Die Überprüfung der Vereinbarkeit obliegt dabei oft auch den nationalen Gerichten, die bei Zweifeln dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen können.
Welche rechtlichen Instrumente stehen im deutschen Recht zur Agrarpreisregelung zur Verfügung?
Im deutschen Recht existieren verschiedene Instrumente zur Agrarpreisregelung, vor allem im Rahmen des Marktorganisationsrechts. Zu den zentralen rechtlichen Instrumenten gehört das Marktorganisationsgesetz (MOG), das die Umsetzung und Durchführung der EU-Marktordnungen regelt. Daneben können im Rahmen des Preisgesetzes und der Preisangabenverordnung agrarspezifische Regelungen zur Preisbildung und -transparenz getroffen werden. Eine zentrale Rolle spielen öffentlich-rechtliche Maßnahmen wie Preisleitlinien, Mindestpreise und Marktinterventionen, etwa durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Ferner bestehen Möglichkeiten der rechtlich abgesicherten Kontraktgestaltung zwischen Erzeugern und Abnehmern, die durch das Vertragsrecht (insbes. Kaufrecht und Werkvertragsrecht) abgesichert werden. Überwacht und ggf. durchgesetzt werden Regelverletzungen von Bundeskartellamt oder zuständigen Landesbehörden, denen ein Interventionsrecht bei Preisabsprachen oder missbräuchlichem Verhalten zusteht.
Gibt es rechtliche Vorgaben zum Schutz vor Missbrauch von Marktmacht in der Agrarpreisbildung?
Ja, der Schutz vor dem Missbrauch von Marktmacht in der Agrarpreisbildung ist durch mehrere rechtliche Regelungen garantiert. Zentrales Instrument ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das insbesondere Kartellabsprachen sowie den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verbietet. Das Bundeskartellamt kann dabei insbesondere gegen Preisdumping, Preisbindung und andere Formen der missbräuchlichen Ausnutzung von Marktmacht vorgehen. Zudem schützt das Agrarmarktstrukturgesetz Erzeugerorganisationen vor unlauterem Wettbewerb, indem es Gruppenbildung und kollektive Vermarktung regelt. Besonderes Augenmerk legen die Behörden kartellrechtlich auf den sog. „Lebensmitteleinzelhandel“, bei dem es immer wieder zu Untersuchung wegen einer zu großen Nachfragemacht kommt. Die Durchsetzung dieser Vorschriften obliegt den Kartellbehörden, wobei in schwerwiegenden Fällen auch Bußgelder oder Unterlassungsverfügungen erlassen werden können.
Wie werden in Streitfällen bei der Agrarpreisfestsetzung rechtliche Interessen durchgesetzt?
In Streitfällen über Agrarpreisfestsetzungen kommen verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten in Betracht. Zivilrechtliche Ansprüche zwischen Vertragspartnern (z. B. Landwirten und Abnehmern) werden vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht. Öffentliche-rechtliche Streitigkeiten, etwa über die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Preisfestsetzung oder Marktintervention, werden vor den Verwaltungsgerichten entschieden. Für Fälle kartellrechtlicher Verstöße kann das Bundeskartellamt angerufen werden, wobei betroffene Unternehmen parallel oder nachfolgend Schadensersatz vor den Zivilgerichten einklagen können. Im agrarrechtlichen Spezialbereich existieren zudem Schiedseinrichtungen oder landwirtschaftliche Schiedsgerichte, die als Alternative zum staatlichen Gerichtsverfahren fungieren können. Entscheidend ist in jedem Fall die nachprüfbare Dokumentation und Substantiierung des Streitgegenstandes sowie die Einhaltung von Fristen und Verfahrensvorschriften.
Welche Besonderheiten gelten bei staatlichen Eingriffen in die Preisbildung landwirtschaftlicher Produkte aus verfassungsrechtlicher Sicht?
Staatliche Eingriffe in die Preisbildung sind verfassungsrechtlich nur in engen Grenzen zulässig. Grundsätzlich garantiert das Grundgesetz in Art. 12 und Art. 14 die Berufsfreiheit und den Schutz des Eigentums, wozu auch das Recht auf freie Preisbildung zählt. Einschränkungen sind lediglich im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums oder zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Wirtschaftsrecht) zulässig. Solche Maßnahmen müssen immer verhältnismäßig sein – das heißt, sie müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Wiederholte Eingriffe nur zugunsten einzelner Sektoren sind kritisch zu beurteilen, da sie dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen können. Eingriffe müssen zudem transparent geregelt und parlamentarisch legitimiert sein; reine Verordnungsrechte der Exekutive ohne klare gesetzliche Grundlage sind unzulässig.
Unterliegt die Agrarpreisregelung der beihilferechtlichen Kontrolle nach EU-Recht?
Ja, die Agrarpreisregelung unterliegt grundsätzlich der beihilferechtlichen Kontrolle der Europäischen Union nach Art. 107 ff. AEUV. Jede Maßnahme, durch die Unternehmen der Landwirtschaft selektiv begünstigt werden und die den Wettbewerb sowie den Handel zwischen Mitgliedstaaten verfälscht oder zu verfälschen droht, muss als staatliche Beihilfe betrachtet werden und unterliegt damit einer Notifizierungspflicht gegenüber der Europäischen Kommission. Diese prüft, ob die Beihilfen mit dem Binnenmarkt vereinbar sind, wobei speziell für den Agrarbereich gewisse Ausnahmen und Freistellungstatbestände in der Agrarbeihilfeverordnung bestehen. Ohne Genehmigung der Europäischen Kommission sind nationale Beihilfen in der Regel rechtswidrig und müssen zurückgefordert werden. Auch bei der Ausgestaltung nationaler Stützungsmaßnahmen müssen die Mitgliedstaaten daher stets das EU-Beihilferecht beachten und gegebenenfalls beihilfekonforme Förderbedingungen schaffen.
Inwiefern sind Vertragsfreiheit und Preisbindung bei landwirtschaftlichen Produkten rechtlich eingeschränkt?
Obwohl grundsätzlich Vertragsfreiheit auf dem Agrarmarkt herrscht, kann diese in bestimmten Fällen rechtlich beschränkt sein. Zum Schutz der Marktteilnehmer und zur Sicherung von Preisstabilität können aufgrund europäischer oder nationaler Vorgaben beispielsweise Mindestpreise oder Preisleitlinien festgesetzt werden. Auch Rahmenverträge bei bestimmten Agrarerzeugnissen, etwa im Milchsektor, können durch Marktregeln oder Verbandsempfehlungen vorgegeben sein. Allerdings müssen zwingende Preisbindungen, wie sie etwa bei den ehemaligen Verbindlichen Preisfestsetzungen existierten, nach heutiger Rechtslage verhältnismäßig und durch hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen gedeckt sein. Verstöße gegen das Kartellrecht, etwa durch unerlaubte Preisabsprachen, bleiben unzulässig und werden sanktioniert. Die absolute Freiheit der Preisvereinbarung kann zudem durch Verbraucherschutzbestimmungen oder Transparenzpflichten eingeschränkt werden, insbesondere um unlautere Geschäftspraktiken zu verhindern.