Legal Lexikon

AGG-Hopper


Begriff und Entstehung des AGG-Hopper

Der Begriff AGG-Hopper bezeichnet eine Person, die gezielt und systematisch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Deutschland ausnutzt, um Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ohne tatsächlich an der beworbenen Stelle oder Leistung interessiert zu sein. Typischerweise bewerben sich AGG-Hopper auf eine Vielzahl von Stellenanzeigen, überwiegend mit dem Ziel, eine Diskriminierung nachzuweisen und dann die im AGG vorgesehene finanzielle Entschädigung zu beanspruchen.

Die Bezeichnung „Hopper“ leitet sich vom englischen Wort „to hop“ (hüpfen, springen) ab und verweist auf das sprunghafte Bewerbungsverhalten. Der Begriff tauchte erstmals im Rechtsdiskurs im frühen 21. Jahrhundert auf.


Rechtlicher Rahmen: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Ziel und Anwendungsbereich

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) trat am 18. August 2006 in Kraft und bezweckt, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG). Es regelt insbesondere Beschäftigungsverhältnisse, aber auch den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.

Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche (§§ 15, 21 AGG)

Bei Verstoß gegen Diskriminierungsverbote begründet das Gesetz einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld sowie Schadensersatz. Die betroffenen Personen müssen die Diskriminierung glaubhaft machen können, während die „Beweislastumkehr“ eine besondere rechtliche Stellung darstellt: Der Arbeitgeber oder Anbieter muss nachweisen, dass keine Benachteiligung erfolgte.


Typisches Vorgehen und Motive eines AGG-Hoppers

Systematische Bewerbung und Nachweis von Diskriminierung

AGG-Hopper suchen gezielt nach Stellenausschreibungen, die potenziell diskriminierende Formulierungen beinhalten, etwa „junges Team“ oder „Deutsche Muttersprachler“. Durch bewusst eingereichte Bewerbungen, oft nur mit unvollständigen Unterlagen, wird eine Ablehnung provoziert. Anschließend wird eine Entschädigung nach dem AGG geltend gemacht.

Zweckmäßigkeit der Bewerbung: Rechtliche Prüfung

Da das AGG die subjektive Betroffenheit voraussetzt, ist in Streitfällen regelmäßig zu prüfen, ob ein „ernsthaftes Interesse“ an der ausgeschriebenen Position bestand. Fehlt dieses und steht der Verdacht der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung im Raum, kann der Anspruch verwehrt werden.


Missbrauchsprüfung und Rechtsfolgen

Rechtsmissbrauch gemäß § 242 BGB

Ein zentraler Aspekt in der Beurteilung von AGG-Hopper-Fällen ist das Recht zur Verweigerung des Anspruchs bei Missbrauch. Nach der Generalklausel des § 242 BGB („Treu und Glauben“) können missbräuchlich geltend gemachte Entschädigungsforderungen abgelehnt werden. Maßgeblich ist dabei, ob der Anspruch nur zum Zweck der Schadensersatzforderung und nicht mit echtem Interesse an der ausgeschriebenen Stelle verfolgt wurde.

Maßgebliche Gerichtsentscheidungen

Mehrere Arbeitsgerichte und das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben den Missbrauchseinwand bestätigt. Nach Auffassung des BAG kann ein Anspruchsberechtigter dann keine Entschädigung verlangen, wenn aus dem Bewerbungsverhalten ersichtlich ist, dass es nicht um eine wirkliche Arbeitsplatzsuche, sondern allein um Entschädigungsinteressen geht (z. B. BAG, Urteil vom 22.06.2011 – 8 AZR 364/10).

Indizien für das Vorliegen von Rechtsmissbrauch

Das Vorliegen von Rechtsmissbrauch kann unter anderem angenommen werden bei:

  • zahlreichen, offensichtlichen Parallelbewerbungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern,
  • mehrfachen Entschädigungsforderungen innerhalb kurzer Zeit,
  • augenscheinlich unvollständigen oder untauglichen Bewerbungen,
  • Bewerbungen auf Positionen, für die keinerlei Qualifikation vorliegt,
  • verspäteter oder ausbleibender Rückmeldung auf Einladungen zum Vorstellungsgespräch.

Abwehrmöglichkeiten für Arbeitgeber und Unternehmen

Prävention durch rechtssichere Stellenausschreibungen

Unternehmen und Organisationen wird empfohlen, Stellenausschreibungen neutral und AGG-konform zu formulieren, um Angriffspunkte zu vermeiden. Typische Diskriminierungsmerkmale sind auszulassen, und bei Unsicherheiten sollten Formulierungen wie „(w/m/d)“ oder geschlechtsneutrale Bezeichnungen Verwendung finden.

Dokumentation des Auswahlprozesses

Eine ausführliche Dokumentation des Bewerbungsverfahrens kann im Streitfall Beweismittel gegen eine behauptete Diskriminierung sein und Indizien für ein fehlendes ernsthaftes Interesse des Bewerbenden liefern.

Verteidigung durch Geltendmachung von Rechtsmissbrauch

Im Falle einer Entschädigungsforderung sollte geprüft werden, ob Anhaltspunkte für einen Missbrauch vorliegen und im Prozess entsprechend vorgebracht werden können.


Gesellschaftliche und rechtspolitische Bewertung

Kritik am Vorgehen von AGG-Hoppern

Das Vorgehen von AGG-Hoppern wird in der arbeitsrechtlichen Diskussion vielfach kritisiert. Zwar ist das AGG zum Schutz wirklicher Benachteiligungen konzipiert, durch missbräuchliche Nutzung werden jedoch Rechtsinstitute überdehnt, was letztlich das Vertrauen in Gleichbehandlungsgesetze schwächen kann.

Diskussion zu Gesetzesreformen

Es werden immer wieder legislative Anpassungen gefordert, um AGG-Hoppern wirksam begegnen zu können, etwa durch Präzisierungen im Gesetzestext hinsichtlich der Anforderungen an ein ernsthaftes Bewerbungsinteresse.


Zusammenfassung

Ein AGG-Hopper nutzt systematisch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen ohne ernsthaftes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle oder dem Angebot. Das deutsche Recht bietet mit dem Rechtsmissbrauchseinwand geeignete Mittel zur Versagung solcher Ansprüche, die Gerichte entwickeln hierzu fortlaufend Kriterien. Für Unternehmen ist eine AGG-konforme Gestaltung von Bewerbungsprozessen und Stellenausschreibungen essenziell, um Angriffspunkte zu minimieren. Die Praxis von AGG-Hoppern stellt eine Herausforderung für die gerichtliche und gesetzgeberische Handhabung des Diskriminierungsschutzes dar.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Risiken bestehen für Arbeitgeber beim Einsatz von AGG-Hoppern?

Arbeitgeber stehen beim Umgang mit sogenannten AGG-Hoppern, also Personen, die gezielt auf eine Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) spekulieren, vor erheblichen rechtlichen Risiken. Wird ein Bewerbungsverfahren nicht diskriminierungsfrei geführt oder enthält eine Stellenausschreibung unzulässige Formulierungen, können AGG-Hopper hieraus Ansprüche auf Entschädigung oder Schadenersatz geltend machen, auch wenn von vornherein keine ernsthafte Arbeitsaufnahme beabsichtigt war. Arbeitgeber müssen deshalb sämtliche Vorgänge – von der Formulierung der Stellenanzeige bis zur Dokumentation des Auswahlverfahrens – so ausgestalten, dass sie einer juristischen Überprüfung standhalten. Dies beinhaltet insbesondere die strikte Einhaltung der §§ 1, 7, 11 AGG. Zudem kann die fehlende oder fehlerhafte Begründung einer Absage das Risiko erhöhen, da AGG-Hopper in Gerichtsverfahren regelmäßig Beweiserleichterungen genießen. Zwar erkennt die Rechtsprechung in Ausnahmefällen ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen von AGG-Hoppern an (§ 242 BGB), die Beweisführung hierfür ist jedoch sehr anspruchsvoll und liegt beim Arbeitgeber. Im Falle eines festgestellten Verstoßes droht neben finanziellen Sanktionen zudem ein enormer Reputationsschaden.

Welche Rolle spielt der Nachweis des Rechtsmissbrauchs im Zusammenhang mit AGG-Hoppern?

Ein zentrales Element beim Umgang mit AGG-Hoppern ist der Nachweis eines Rechtsmissbrauchs. Obwohl das AGG grundlegend keine subjektiven Motive für eine Bewerbungsabsicht voraussetzt, können Entschädigungsansprüche nach § 15 AGG in Fällen rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung abgelehnt werden. Laut ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie des Europäischen Gerichtshofs liegt eine solche Missbräuchlichkeit vor, wenn offensichtlich ist, dass nicht das Interesse an der ausgeschriebenen Stelle, sondern allein das Erstreiten einer Entschädigung im Vordergrund steht. Indizien hierfür können etwa eine Vielzahl ähnlicher Bewerbungen nach gleichem Muster, fehlende Eignung für die ausgeschriebene Position oder widersprüchliche Angaben im Bewerbungsverfahren sein. Allerdings sind die Anforderungen an den Arbeitgeber bei der Beweisführung sehr hoch; die Gerichte verlangen eine umfassende Darlegung und oftmals sogar konkrete Nachweise. Eine pauschale Behauptung genügt nicht, vielmehr müssen Indizien für das Fehlen eines echten Beschäftigungsinteresses möglichst konkret vorgetragen und belegt werden.

Inwieweit schützt das AGG Unternehmen vor missbräuchlicher Geltendmachung durch AGG-Hopper?

Das AGG selbst enthält keine ausdrücklichen Schutzmechanismen gegen die missbräuchliche Geltendmachung. Es normiert vielmehr einen weitreichenden Diskriminierungsschutz für Bewerber und Arbeitnehmer, wobei das subjektive Bewerbungsinteresse nicht explizit zum Tatbestandsmerkmal gemacht wird. Der Schutz von Unternehmen gegen rechtsmissbräuchliches Verhalten ergibt sich daher im Wesentlichen aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, insbesondere § 242 BGB (Treu und Glauben), und wird durch die Rechtsprechung konkretisiert. Das bedeutet im Ergebnis, dass es immer einer Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung der Umstände und Indizien bedarf, um einen Missbrauch feststellen zu können. Effektiv geschützt ist ein Arbeitgeber somit lediglich, wenn ein eindeutiger Missbrauch – etwa durch systematisches Vorgehen ohne ernsthaftes Interesse an der konkreten Stelle – nachweisbar ist. Zusätzliche Schutzmechanismen, wie eine generelle Ausschlussklausel im AGG für AGG-Hopper, existieren bislang nicht.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Arbeitgeber, gegen AGG-Hopper vorzugehen?

Arbeitgeber können sich gegen AGG-Hopper grundsätzlich nur im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung zur Wehr setzen. Die Hauptmöglichkeit besteht darin, im Streitfall Rechtsmissbrauch substantiiert vorzutragen und zu beweisen. Häufig dokumentieren Arbeitgeber daher jede Bewerbung und deren Bearbeitung detailliert, um im Bedarfsfall belegen zu können, dass die Auswahlentscheidung sachlich gerechtfertigt war oder tatsächlich ein Missbrauch des Bewerbungsverfahrens durch den Bewerber vorlag. Darüber hinaus können Arbeitgeber bei vorsätzlich falschen Angaben oder Betrugsverdacht zivilrechtliche Schritte – beispielsweise Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Anspruchsgeltendmachung – und unter Umständen auch strafrechtliche Konsequenzen prüfen. In gerichtlichen Verfahren bleibt es aber oft schwierig, den unerlaubten und ausschließlich auf Entschädigungsforderungen gerichteten Charakter der Bewerbung überzeugend darzulegen.

Wie beeinflusst die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den Umgang mit AGG-Hoppern?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Zusammenhang mit AGG-Hoppern mehrfach festgestellt, dass ein Rechtsmissbrauch dann vorliegt, wenn keine ernsthafte Arbeitsaufnahme beabsichtigt ist, sondern allein auf finanzielle Kompensation spekuliert wird. Der EuGH hat in mehreren Urteilen klargestellt, dass Personen, die offensichtlich nicht tatsächlich eine Beschäftigung aufnehmen wollen, sich nicht auf den unionsrechtlichen Diskriminierungsschutz berufen können. Die nationale Rechtsprechung, insbesondere das Bundesarbeitsgericht, hat sich dieser Linie angeschlossen und erkennt die Möglichkeit an, AGG-Ansprüche von sogenannten Testbewerbern abzulehnen, sofern der Nachweis eines Missbrauchs gelingt. Dies erhöht zwar die Rechtssicherheit für Arbeitgeber geringfügig, entbindet sie aber nicht davon, sämtliche Antidiskriminierungsvorgaben konsequent einzuhalten und den Bewerbungsprozess lückenlos zu dokumentieren, um nicht unbegründeten Ansprüchen ausgesetzt zu sein.

Welche Pflichten bestehen für Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren zur Prävention von Konflikten mit AGG-Hoppern?

Arbeitgeber sind verpflichtet, das Antidiskriminierungsrecht in allen Phasen des Einstellungsprozesses strikt zu befolgen. Insbesondere müssen Stellenanzeigen neutral formuliert werden (§ 11 AGG), das Auswahlverfahren muss diskriminierungsfrei ablaufen und sämtliche Entscheidungen müssen nachvollziehbar und sachlich begründet dokumentiert werden. Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeitenden im Recruiting zum AGG schulen, eindeutige Standards für Bewerbungen und Absagen etablieren sowie jeden Bewerbungsprozess sorgfältig archivieren. Im Konfliktfall kann nur so nachgewiesen werden, dass die Auswahlentscheidung auf objektiven Gründen basierte und kein Verstoß gegen das AGG vorlag. Auch bei Verdacht auf einen AGG-Hopper darf der Arbeitgeber keinesfalls unbedacht reagieren oder pauschale Verdachtsmomente äußern, da dies selbst wiederum eine Diskriminierung darstellen könnte. Die Präventionspflichten beschränken sich damit allerdings auf die Vermeidung von Diskriminierungen und die Schaffung transparenter Auswahlmechanismen – weitergehende Schutzvorkehrungen gegen AGG-Hopper sind gesetzlich nicht vorgesehen.