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Abzugsumsätze


Begriff und rechtliche Einordnung der Abzugsumsätze

Als „Abzugsumsätze“ wird ein Begriff aus dem deutschen Umsatzsteuerrecht bezeichnet, der insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug (§ 15 Umsatzsteuergesetz, UStG) maßgebliche Relevanz besitzt. Abzugsumsätze sind solche Umsätze eines Unternehmens, die das Recht auf Vorsteuerabzug aus den dafür bezogenen Eingangsleistungen eröffnen. Die Unterscheidung zwischen abzugsfähigen und nicht abzugsfähigen Umsätzen ist bei der Bestimmung der abzugsfähigen Vorsteuer ein zentrales Kriterium.

Definition und Abgrenzung

Gesetzliche Grundlage

Abzugsumsätze sind gesetzlich nicht ausdrücklich definiert. Sie ergeben sich jedoch systematisch aus § 15 Abs. 2 ff. UStG und § 4 UStG in Verbindung mit § 12 UStG. Danach sind Abzugsumsätze diejenigen, die – entgegen ausdrücklich nicht Abzugsumsätze bildenden Umsätzen – das Recht auf Vorsteuerabzug gewähren. Hierzu gehören:

  • Umsätze, die nach allgemeinen Vorschriften des UStG steuerpflichtig sind,
  • steuerfreie Umsätze, bei denen das Recht auf Vorsteuerabzug ausdrücklich eingeräumt ist (insbesondere gemäß § 4 Nr. 8 bis 28 UStG, soweit dort auf § 15 Abs. 3 UStG verwiesen wird).

Abgrenzung zu Nichtabzugsumsätzen

Dem gegenüber stehen sogenannte Nichtabzugsumsätze. Das sind Umsätze, die aufgrund ihrer Steuerfreiheit und fehlender Verweisung keine Vorsteuerabzugsberechtigung vermitteln (§ 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG). Typische Beispiele sind steuerfreie Umsätze aus Vermietung und Verpachtung (§ 4 Nr. 12 UStG), wenn keine Option zur Steuerpflicht gewählt wird.

Funktion und Bedeutung im Umsatzsteuerrecht

Entstehung des Vorsteuerabzugs

Unternehmern wird grundsätzlich die auf Lieferungen und sonstige Leistungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer vergütet (§ 15 Abs. 1 S. 1 UStG). Voraussetzung ist, dass die Eingangsleistungen für Umsätze verwendet werden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (Abzugsumsätze). Die Bestimmung des Umfangs abzugsfähiger Vorsteuern ist insbesondere bei gemischt genutzten Leistungen (sogenannter Vorsteuerschlüssel bei gemischten Umsätzen) entscheidend: Nur der auf die Abzugsumsätze entfallende Teil der Vorsteuer ist abziehbar.

Bezug zu Steuerbefreiungen und Optionsrechten

Besonders relevant werden Abzugsumsätze, wenn ein Unternehmer sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Umsätze tätigt (sogenannter „gemischt tätiger Unternehmer“). Während der Vorsteuerabzug grundsätzlich für Umsätze mit Steuerbefreiungen ohne Optionsmöglichkeit ausgeschlossen ist, kann für bestimmte Umsätze – insbesondere bei Grundstücksumsätzen und Finanzdienstleistungen – zur Umsatzsteuer optiert werden (§ 9 UStG). In diesen Fällen werden ursprünglich nicht abzugsfähige Umsätze zu Abzugsumsätzen.

Rechtsprechung und Verwaltungspraxis

Europarechtlicher Hintergrund

Das deutsche Recht wurde durch die Vorgaben des Unionsrechts, insbesondere der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL – RL 2006/112/EG), geprägt. Nach Art. 168 MwStSystRL steht das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich nur für solche Umsätze zu, die der Besteuerung unterliegen. Die Interpretation des Abzugsumsatzbegriffs durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat die nationale Praxis wiederholt beeinflusst.

Anwendung in der Verwaltungspraxis

Die Finanzverwaltung konkretisiert die Anwendung der Abzugsumsätze in den Umsatzsteuer-Anwendungserlassen (UStAE), etwa in Abschnitt 15.2 UStAE. Unternehmer müssen durch entsprechende Aufzeichnungen und die Zuordnung von Eingangsleistungen sicherstellen, dass die Vorsteuer zutreffend zwischen Abzugsumsätzen und Nichtabzugsumsätzen aufgeteilt wird.

Typische Anwendungsbereiche

Unternehmereigene Nutzungen

Im Fall der unternehmenseigenen Verwendung von wirtschaftlichen Gütern muss der Unternehmer prüfen, ob diese ausschließlich für Abzugsumsätze verwendet werden oder (auch) für Nichtabzugsumsätze beziehungsweise für private Zwecke. Die Regelungen zur Vorsteueraufteilung greifen in solchen Konstellationen.

Immobilientransaktionen

Bei Vermietung und Verkauf von Grundstücken gelten verschiedene Regelungen zum Vorsteuerabzug, je nachdem, ob eine Option zur Steuerpflicht ausgeübt wird (§ 9 UStG). So kann der Bezug von Bau- oder Renovierungsleistungen zum Abzug der Vorsteuer berechtigen, wenn und soweit das Grundstück zur Ausführung von Abzugsumsätzen genutzt wird.

Vorsteueraufteilung und -berichtigung bei gemischten Umsätzen

Notwendigkeit der Aufteilung

Tätigt ein Unternehmer sowohl Abzugsumsätze als auch Nichtabzugsumsätze, ist er verpflichtet, die eingangsseitig gezahlte Vorsteuer aufzuteilen (§ 15 Abs. 4 UStG). Die Aufteilung kann nach dem Umsatzschlüssel oder in begründeten Fällen anhand objektiver Kriterien (etwa Flächenaufteilung) erfolgen.

Vorsteuerberichtigung

Ändert sich die Verwendungsabsicht von Eingangsleistungen im Nachhinein, etwa vom Einsatz für Abzugsumsätze hin zu Nichtabzugsumsätzen, ist eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG durchzuführen. Dies betrifft vor allem Wirtschaftsgüter mit längerfristiger Nutzung, wie Immobilien oder Anlagevermögen.

Zusammenfassung

Der Begriff „Abzugsumsätze“ bezeichnet im Umsatzsteuerrecht die Umsätze eines Unternehmers, die ihm nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen einen Anspruch auf Vorsteuerabzug verschaffen. Die rechtliche Abgrenzung zwischen Abzugsumsätzen und Nichtabzugsumsätzen bildet die Basis für die korrekte Anwendung und Abrechnung der Umsatzsteuer. Die rechtlichen Bestimmungen berücksichtigen die europarechtliche Systematik und finden im Alltag eine Vielzahl praktischer Anwendungsfälle. Die korrekte Identifikation und Dokumentation von Abzugsumsätzen ist sowohl für die steuerliche Planung als auch zur Vermeidung von Fehldeklarationen oder Vorsteuerberichtigungen unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Abzugsumsatz nach § 4 UStG vorliegt?

Ein Abzugsumsatz nach § 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) liegt vor, wenn ein Umsatz zwar steuerbar, aber nach einer Befreiungsvorschrift im Gesetz im Inland steuerfrei ausgeführt wird. Voraussetzung ist immer, dass es sich bei dem jeweiligen Umsatz konkret um eine der im Katalog des § 4 UStG aufgeführten Leistungen handelt, z. B. Leistungen im Bereich der Heilbehandlung, der Finanz- oder Versicherungsdienstleistungen sowie bestimmte Vermietungsumsätze. Die Steuerbefreiung muss genau auf die jeweilige Tätigkeit oder Lieferung zutreffen, die Steuerpflicht der Ausgangsdienstleistung ist also rechtstechnisch nachrangig, falls eine Befreiung greift. Zudem wird auf die Person des Leistenden (z. B. Arzt, Kreditinstitut) und ggf. die Art des Leistungsempfängers abgestellt. Zu beachten ist weiterhin: Der Abzugsumsatz darf nicht durch das Unternehmen freiwillig erfolgt sein, das heißt, eine Option zur Steuerpflicht ist-sofern sie gesetzlich vorgesehen ist-nicht in Anspruch genommen worden. Wichtig ist auch, dass für die Steuerbefreiung meist bestimmte formale Nachweise (Rechnungen, Dokumentationen) erforderlich sind, und dass der Umsatz tatsächlich im Inland erbracht wurde; im Ausland ausgeführte Leistungen sind nicht nach § 4 UStG, sondern in der Regel nach ausländischem Steuerrecht zu beurteilen.

Wie wirken sich Abzugsumsätze auf den Vorsteuerabzug aus?

Abzugsumsätze wirken sich in der Weise auf den Vorsteuerabzug aus, dass für bezogene Eingangsleistungen, die direkt oder anteilig in Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen nach § 4 UStG stehen, der Vorsteuerabzug grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Das heißt: Soweit ein Unternehmer Eingangsleistungen (z. B. den Einkauf von Waren, Dienstleistungen oder Betriebsmitteln) für Zwecke seiner steuerfreien Abzugsumsätze verwendet, darf er die ihm hierfür von Lieferanten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer geltend machen. Dieser Zusammenhang muss sowohl sachlich als auch wirtschaftlich zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz bestehen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn eine gesetzliche Option zur Steuerpflicht nach § 9 UStG ausgeübt wurde oder gesetzlich ein Vorsteuerausschluss ausdrücklich ausgeschlossen wurde, z. B. bei Umsätzen im Ausland oder bestimmten Ausfuhrlieferungen.

Gibt es Ausnahmen vom Vorsteuerausschluss bei Abzugsumsätzen?

Ja, wesentliche Ausnahmen vom allgemeinen Vorsteuerausschluss bei Abzugsumsätzen finden sich insbesondere bei Ausfuhrlieferungen (§§ 4 Nr. 1, 6 UStG), innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG), sowie Umsätzen, bei denen die Steuerbefreiung nicht auf § 15 Abs. 2 UStG verweist. Bei diesen Umsätzen bleibt der Vorsteuerabzug erhalten (sog. „echte“ Steuerbefreiung), weil sie im Wettbewerb nicht benachteiligt werden sollen. Anders als bei Umsätzen, für die typischerweise der Empfänger keine Vorsteuer ziehen kann (wie bei Bankdienstleistungen oder bestimmten Vermietungen), ist bei diesen Umsätzen ausdrücklich geregelt, dass der Leistende seine Eingangsumsatzsteuer abziehen kann. Beispielsweise bei der Ausfuhrlieferung ins Drittland sorgt diese Rechtslage dafür, dass sowohl Binnenumsätze als auch Exportumsätze gleich behandelt werden (Grundsatz der Wettbewerbsneutralität).

Wie ist der Zusammenhang zwischen Abzugsumsätzen und der sogenannten Vorsteueraufteilung zu bewerten?

Der Zusammenhang zwischen Abzugsumsätzen und der Vorsteueraufteilung ist insbesondere im Fall von Unternehmen relevant, die sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Umsätze erbringen (sogenannte „gemischt tätige Unternehmer“). Hier muss die anfallende Vorsteuer aufgeteilt werden, falls sie nicht eindeutig einem bestimmten Ausgangsumsatz zugeordnet werden kann. Ausgangspunkt bildet § 15 Abs. 4 UStG, wonach die abziehbare Vorsteuer dem Umfang der Verwendung für steuerpflichtige Umsätze entspricht. Das bedeutet: Wurde eine Eingangsleistung sowohl für abzugsberechtigte als auch für nicht abzugsberechtigte (also z. B. Abzugsumsätze) Umsätze genutzt, ist die Vorsteuer nach einem geeigneten Aufteilungsmaßstab, regelmäßig nach dem Umsatzschlüssel, aufzuteilen. Hierbei sind die zum Vorsteuerabzug berechtigenden und die nicht berechtigenden Umsätze ins Verhältnis zu setzen. Weitere Differenzierungen können nach Art, Umfang und Zweck der jeweiligen Eingangsleistung erforderlich sein.

Wie verhält sich die umsatzsteuerliche Behandlung von Abzugsumsätzen zu anderen Steuerarten?

Während das Konstrukt des Abzugsumsatzes ausschließlich im Rahmen der Umsatzsteuer eine Rolle spielt, finden sich im Bereich anderer Steuerarten (wie Einkommen-, Körperschaft- oder Gewerbesteuer) keine vergleichbaren Mechanismen. Die umsatzsteuerliche Steuerbefreiung eines Umsatzes (Abzugsumsatz) lässt die einkommensteuerliche oder körperschaftsteuerliche Behandlung grundsätzlich unberührt – Umsätze und Gewinne sind grundsätzlich weiterhin steuerbar und steuerpflichtig nach Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht. Lediglich hinsichtlich der Umsatzsteuer, speziell des Vorsteuerabzugs, führt ein Abzugsumsatz zu Besonderheiten. Ausnahmsweise kann die steuerliche Behandlung aber insoweit Auswirkungen zeigen, als eine Option zur Umsatzsteuerpflicht auch zur Gewerbesteuerpflicht führen kann, z. B. bei bestimmten Vermietungsumsätzen. Eine direkte Übernahme des USt-Rechtlichen Begriffs „Abzugsumsatz“ gibt es jedoch in anderen Steuerarten nicht.

Kann bei Abzugsumsätzen die Option zur Steuerpflicht ausgeübt werden und welche Rechtsfolgen hat dies?

Bei vielen nach § 4 UStG steuerbefreiten Umsätzen, etwa im Bereich der Grundstücksvermietung (§ 4 Nr. 12 UStG) oder bei gewissen Vermittlungsleistungen, besteht für den Unternehmer die Möglichkeit, freiwillig zur Steuerpflicht zu optieren (§ 9 UStG). Die Ausübung der Option hat zur Folge, dass der Umsatz umsatzsteuerpflichtig behandelt wird und daher die darauf entfallende Vorsteuer abgezogen werden kann. Grundvoraussetzung ist, dass der Leistungsempfänger selbst Unternehmer ist und die Leistung für sein Unternehmen bezieht. Die Option muss ausdrücklich und eindeutig gegenüber dem Leistungsempfänger erklärt werden, regelmäßig im Rahmen der Rechnungsstellung. Folglich entfällt in diesen Fällen der Vorsteuerausschluss für Eingangsleistungen, die diesen Umsatz betreffen, da nun ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Ausgangsumsatz vorliegt. Die Ausübung der Option ist zudem an gewisse Nachweis- und Dokumentationspflichten gebunden und kann unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend oder widerruflich sein.

Welche Nachweispflichten bestehen im Zusammenhang mit Abzugsumsätzen?

Die Nachweispflichten bei Abzugsumsätzen sind, je nach Befreiungstatbestand, sehr unterschiedlich und werden durch den jeweiligen Paragraphen im UStG sowie ergänzende Rechtsverordnungen konkretisiert. Grundsätzlich muss der Unternehmer im Streitfall zweifelsfrei belegen können, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung tatsächlich vorgelegen haben. Dies betrifft beispielsweise das Führen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs bei der innergemeinschaftlichen Lieferung, Empfangsbestätigungen oder Dokumentationspflichten bei Leistungen der Heilberufe oder der Kreditwirtschaft. Bei der Ausfuhrlieferung ist der Ausfuhrnachweis gegenüber dem Finanzamt zwingend zu führen (z. B. mittels Ausfuhrkassenzettel, Frachtbrief etc.). Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht nach, entfällt im Streitfall die Steuerbefreiung rückwirkend, und es kann zu Steuernachzahlungen kommen. Die Ordentlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Nachweise sind regelmäßig Gegenstand steuerlicher Außenprüfungen.

In welchen Fällen besteht trotz Abzugsumsatzes eine Steuerpflicht und was sind deren Rechtsfolgen?

Eine Steuerpflicht trotz Vorliegen eines potenziellen Abzugsumsatzes kann z. B. dann eintreten, wenn eine unzulässige Steuerbefreiung beansprucht oder die Option zur Steuerpflicht ausgeübt wurde. In solchen Fällen gilt der Umsatz als steuerpflichtig mit allen Folgen: Es entsteht Umsatzsteuerpflicht auf den Umsatz selbst, und der Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Eingangsleistungen wird ermöglicht. Zudem bestehen Anzeigepflichten hinsichtlich der ausgeübten Option und es greifen sämtliche formalen Anforderungen an die Rechnungserstellung und Umsatzsteuer-Voranmeldung. Fehlerhafte Deklarationen können zu Haftungsfolgen, Nachforderungen oder Sanktionen führen. Ebenso kann eine Steuerpflicht entstehen, wenn wesentliche Nachweispflichten nicht erfüllt wurden oder nachträglich entfallen. In jedem dieser Fälle wirkt sich die steuerliche Behandlung maßgeblich sowohl auf die Umsatzbesteuerung als auch auf die betriebliche Liquidität aus.