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Abwicklungsfonds


Begriff und Definition des Abwicklungsfonds

Der Abwicklungsfonds ist ein bedeutendes Instrument im Bereich der Restrukturierung und Abwicklung von Finanzinstituten. Er bezeichnet einen rechtlich institutionalisierten Fonds, der zur Finanzierung der Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen eingerichtet wurde. Ziel ist es, die Stabilität des Finanzsystems durch geordnete Abwicklungsmechanismen zu sichern und Steuerzahler vor den Kosten von Bankenrettungen zu schützen.

Die rechtliche Grundlage für den europäischen Abwicklungsfonds bildet die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen (SRM-Verordnung). Für Deutschland ist zudem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) einschlägig.

Grundlagen des Abwicklungsfonds

Rechtsrahmen und Zweck

Der Abwicklungsfonds verfolgt das Ziel, im Falle der Abwicklung eines Instituts die erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen, um eine ordnungsgemäße Durchführung der Abwicklungsmaßnahmen sicherzustellen. Dies umfasst insbesondere die Bereitstellung von Finanzmitteln für:

  • Verlustdeckung und Rekapitalisierung von Instituten,
  • Bereitstellung von Garantien auf Vermögenswerte,
  • Genussrechte oder sonstige Finanzierungsinstrumente,
  • Stabilisierung betroffener Einrichtungen.

Der Abwicklungsfonds dient als zentrale Finanzierungsquelle für die Abwicklungsbehörden (z. B. die einheitliche Abwicklungsbehörde auf europäischer Ebene, den Einheitlichen Abwicklungsausschuss [Single Resolution Board, SRB]).

Finanzierungsquellen

Der Abwicklungsfonds wird aus Beiträgen der in seinem Zuständigkeitsbereich tätigen Kreditinstitute und Wertpapierfirmen gespeist. Im europäischen Kontext leistet jedes Institut an den einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) regelmäßige Beiträge, die unter Berücksichtigung der individuellen Risikosituation und Höhe bestimmter Bilanzpositionen berechnet werden.

Abgrenzung zu anderen Fonds

Eine klare Abgrenzung besteht insbesondere zum Einlagensicherungsfonds, welcher vorrangig die Sicherung der Einlagen der Kontoinhaber verfolgt. Der Abwicklungsfonds hingegen ist nicht zur Einlagensicherung, sondern ausschließlich zur Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen eingerichtet.

Rechtlicher Rahmen des europäischen Abwicklungsfonds

Die SRM-Verordnung als Grundlage

Die SRM-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 806/2014) enthält in den Artikeln 67 ff. die zentralen Vorschriften zur Schaffung und Funktionsweise des europäischen Abwicklungsfonds. Der Fonds nimmt eine Schlüsselstellung im Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) ein, der neben dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) als zweite tragende Säule der europäischen Bankenunion fungiert.

Aufbau und Verwaltung

Der SRF wird vom Einheitlichen Abwicklungsausschuss verwaltet. Er ist als „Sondervermögen“ ausgestaltet, d. h., die Mittel sind von den Vermögenswerten und Verbindlichkeiten anderer Unionsorgane getrennt. Rechtlich besteht eine Treuhandstruktur.

Die Mittel des SRF sind für Abwicklungsmaßnahmen als letztmögliche Finanzierungsoption reserviert („Backstop-Funktion“) und dürfen nur in strikter Beachtung des Bail-in-Prinzips eingesetzt werden.

Das Bail-in-Prinzip

Gemäß dem Bail-in-Prinzip müssen zunächst Anteilseigner und Gläubiger eines Institutes zur Verlusttragung herangezogen werden, bevor der Abwicklungsfonds zum Einsatz kommt. Der Einsatz des Fonds steht damit als „ultima ratio“ zur Verfügung. Dies entspricht dem Grundsatz, dass die Kosten einer Bankenabwicklung zunächst von den Eigentümern und Gläubigern und nicht von der Allgemeinheit getragen werden sollen.

Beitragspflicht und Bemessungsgrundlage

Die SRM-Verordnung regelt in Art. 70 die Beitragspflicht betroffener Institute, deren Berechnungsgrundlage sich an dem Betrag der gedeckten Einlagen und deren Risikoprofil orientiert. Die Beiträge sind jährlich zu entrichten und müssen so bemessen sein, dass das Zielniveau – mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller Institute des Bankenunionsraums – innerhalb von acht Jahren erreicht wird.

Zielvermögen

Das Zielvermögen des SRF beträgt mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller Institute der teilnehmenden Mitgliedstaaten. Dies stellt sicher, dass im Krisenfall ausreichende Mittel zur Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Deutscher Rechtsrahmen: Abwicklungsfonds nach dem SAG

Das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz

In Deutschland wurde zur Umsetzung der europäischen Vorgaben das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) geschaffen. Die dort enthaltenen Vorschriften regeln unter anderem die Errichtung des Restrukturierungsfonds (inzwischen als nationales Segment des SRF).

Aufgaben und Zweck

Der nationale Abwicklungsfonds (ehemals Restrukturierungsfonds) diente zur Finanzierung von Abwicklung und Restrukturierung von notleidenden Banken nach nationalen Regelungen. Mit Einführung des einheitlichen europäischen Abwicklungsfonds wurde der deutsche Restrukturierungsfonds als nationales Segment in diesen überführt.

Verwaltung und Kontrolle

Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA, jetzt Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung als Teil der BaFin) ist mit der Verwaltung des nationalen Fonds betraut. Sie erhebt von den Instituten risikogerechte Jahresbeiträge und führt diese dem nationalen Fonds zu, der wiederum in den europäischen SRF eingespeist wird.

Einsatz und Bedeutung in der Bankenaufsicht

Funktionsweise im Abwicklungsfall

Kommt es zur Abwicklung einer Bank, werden zunächst alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft, bevor auf den Fonds zurückgegriffen wird. Der Fonds leistet Zahlungen an Abwicklungsbehörden, kann Institute rekapitalisieren oder zur Finanzierung einer „Brückenbank“ oder einer Vermögensverwaltungsgesellschaft genutzt werden.

Rechtsschutz und Kontrolle

Die Berechnung und Heranziehung zu Beiträgen wird von den betroffenen Instituten regelmäßig rechtlich überprüft. Hier bestehen verwaltungsrechtliche Beschwerde- und Klagemöglichkeiten gegen Beitragsbescheide.

Bedeutung für die Finanzmarktstabilität

Der Abwicklungsfonds stellt ein zentrales Element im europäischen Krisenmanagement dar und wurde mit dem Ziel geschaffen, die Auswirkungen von Bankenkrisen effizient zu bewältigen, ohne auf öffentliche Mittel zurückgreifen zu müssen.

Zusammenfassung

Der Abwicklungsfonds ist ein rechtlich klar definiertes Instrument zur Finanzierung von Bankenabwicklungen im europäischen und deutschen Bereich. Seine Einrichtung und Funktionsweise sind detailliert gesetzlich geregelt und dienen dem Zweck, die Stabilität des Finanzsystems zu sichern und die Kosten von Bankenabwicklungen vorrangig von den Instituten selbst tragen zu lassen. Durch den engen Zusammenhang mit den europäischen Regelwerken und die Einbindung in die Bankenunion besitzt der Abwicklungsfonds erhebliche praktische und rechtliche Bedeutung im Rahmen der europäischen Finanzmarktarchitektur.

Häufig gestellte Fragen

Welche Regelungen gelten für die Errichtung eines Abwicklungsfonds nach europäischem Recht?

Die Errichtung von Abwicklungsfonds erfolgt auf Basis der Verordnung (EU) Nr. 806/2014, die den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) innerhalb der Europäischen Union regelt. Sie setzt Rahmenbedingungen zur Funktionsweise, Verwaltung und Finanzierung des einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF). Dabei werden die teilnehmenden Kreditinstitute verpflichtend in die Finanzierung einbezogen. Die Abwicklung erfolgt unter der Federführung der einheitlichen Abwicklungsbehörde (Single Resolution Board, SRB). Die EU-Verordnung enthält detaillierte Vorgaben zu Beitragserhebung, zur Aufteilung erhobener Beiträge sowie zur Nutzung und Verwaltung der Fondsbeträge. Die Fonds dürfen ausschließlich für die Finanzierung von Abwicklungsinstrumenten und -instrumentarien nach der BRRD (Bank Recovery and Resolution Directive, Richtlinie 2014/59/EU) verwendet werden, insbesondere zur Rekapitalisierung, Verlustübernahme oder Übertragung von Vermögenswerten. Nationale Rechtsakte wie das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) setzen die europäischen Vorgaben in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten in nationales Recht um und schaffen Mechanismen zur Zusammenarbeit mit EU-Institutionen.

Wer ist zur Zahlung in den Abwicklungsfonds verpflichtet und wie erfolgt die Beitragserhebung rechtlich?

Zur Entrichtung von Beiträgen in den Abwicklungsfonds sind nach dem SAG und der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 grundsätzlich alle Kreditinstitute verpflichtet, die einer Bankenaufsicht innerhalb der teilnehmenden Mitgliedsstaaten unterliegen, mit Ausnahme bestimmter Anbieter von Zahlungsdiensten und kleiner Institute, die Mindestgrößen unterschreiten. Die Beitragspflicht entsteht unmittelbar kraft Gesetzes; die Gelder müssen jährlich entrichtet werden. Die Berechnung der Beiträge erfolgt auf Grundlage des Risikoprofils und der Bilanzsumme der Institute, wobei der europäische Rechtsrahmen detaillierte Vorgaben zur Ermittlung der risikoadjustierten Beiträge enthält. Die Höhe sowie die Berechnungs- und Erhebungsmodalitäten werden in delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten weiter präzisiert, um EU-weite Einheitlichkeit zu gewährleisten. Streitigkeiten über Beitragspflichten und deren Höhe unterliegen Rechtsmitteln nach dem EU-Vertrags- und Verwaltungsrecht.

Wie sind die Mittelverwendung und der Zugriff auf den Abwicklungsfonds rechtlich begrenzt?

Die Mittel des Abwicklungsfonds dürfen ausschließlich zur Umsetzung von Abwicklungsmaßnahmen nach den Vorgaben des SRM und der BRRD verwendet werden. Dies schließt insbesondere die Überbrückung von Finanzierungsengpässen, die Verlustübernahme, die Bereitstellung von Eigenmitteln für Brückenbanken oder die Unterstützung von Asset Management Vehicles (Bad Banks) ein. Die Verwendung muss zwingend mit einem formellen Abwicklungsbeschluss der zuständigen Behörde, insbesondere des SRB, verknüpft sein. Eine anderweitige Nutzung, beispielsweise zur Rettung von Aktionären, Gläubigern oder zur direkten Bankenrettung ohne Abwicklungsverfahren, ist gesetzlich ausgeschlossen. Außerdem gibt es strikte Anforderungen an die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Mittelverwendung. Jede Auszahlung erfolgt rechtsförmlich auf Basis eines Antrags der nationalen Abwicklungsbehörde und bedarf der Genehmigung durch das SRB.

Welche Anforderungen bestehen an die Verwaltung und Kontrolle des Abwicklungsfonds?

Die Verwaltung des SRF liegt beim Single Resolution Board, das als eigenständige europäische Behörde agiert. Das SRB ist rechtlich verpflichtet, Vermögen und Mittel des Fonds getrennt von eigenen Haushaltsmitteln und im Interesse der Beitragszahler zu verwalten. Es bestehen strikte Vorgaben hinsichtlich Buchführung, Rechnungslegung und regelmäßiger Berichterstattung an EU-Institutionen und den Europäischen Rechnungshof. Die Kontrolle erfolgt durch interne und externe Prüforgane, einschließlich unabhängiger Abschlussprüfer und des Europäischen Rechnungshofs. Darüber hinaus ist das SRB verpflichtet, einen jährlichen Geschäftsbericht über die Verwendung des Fonds zu erstellen und diesen öffentlich zugänglich zu machen. Die Verwaltung unterliegt zudem den allgemeinen europäischen Vorschriften zum Schutz vor Interessenkonflikten, Korruption und Missbrauch von Fondsvermögen.

Wie ist die Haftungsverteilung zwischen Abwicklungsfonds, Banken und Staat bei etwaigen Verlusten geregelt?

Rechtlich ist die Haftung klar gestaffelt: Das Bail-in-Prinzip schreibt vor, dass Aktionäre und Gläubiger einer Bank vor Inanspruchnahme des Fonds herangezogen werden müssen (Gläubigerbeteiligung). Erst wenn diese Mittel vollständig ausgeschöpft sind, darf der SRF genutzt werden. Eine direkte Haftung der Steuerzahler ist ausdrücklich ausgeschlossen, solange Fonds- und Privateinlegermittel noch zur Verfügung stehen und die regelkonforme Anwendung der Gläubigerbeteiligung gewährleistet ist. Die Haftung des Fonds ist auf das im Fonds vorhandene Vermögen begrenzt. Etwaige weitere staatliche Unterstützungsmaßnahmen können erst nach Erschöpfung des Fonds und nur in engen gesetzlich geregelten Ausnahmen erfolgen, die wiederum strengen EU-beihilferechtlichen Vorschriften unterliegen.

Welche rechtlichen Folgen entstehen für Institute bei Verstößen gegen Beitragspflichten zum Abwicklungsfonds?

Bei Nichterfüllung oder verspäteter Erfüllung der Beitragspflicht sieht das SAG und die SRM-Verordnung verschiedene rechtliche Sanktionen vor. Dazu zählen insbesondere die Verhängung von Zwangsgeldern, Bußgeldern sowie notfalls Zwangsmaßnahmen zur Einziehung rückständiger Beiträge. Die zuständige Abwicklungsbehörde ist zudem verpflichtet, solche Verstöße festzustellen und weiterzuleiten. Rechtsmittel gegen Beitragserhebungen stehen grundsätzlich offen, müssen aber bei den jeweils zuständigen Verwaltungsgerichten bzw. im Rahmen europarechtlicher Verfahren (z.B. beim EuG oder EuGH) geltend gemacht werden. Wiederholte oder schwerwiegende Verstöße können zu aufsichtsrechtlichen Konsequenzen, insbesondere zur Einschränkung der Geschäftstätigkeit oder im Extremfall zum Entzug der Banklizenz führen.

Wie ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Nutzung und Verwaltung des Abwicklungsfonds rechtlich ausgestaltet?

Die SRM-Verordnung sieht explizit einen europarechtlichen Kooperationsmechanismus vor, der auf horizontaler und vertikaler Ebene funktioniert. Institutionen der teilnehmenden Staaten, nationale Abwicklungsbehörden und das SRB sind rechtlich verpflichtet, bei überregionalen Banken eng zu kooperieren, Informationen auszutauschen und Maßnahmen gemeinsam abzustimmen. Verfahren zur Streitbeilegung und Kooperationspflichten sind abschließend geregelt, um Interessenkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Für Drittstaaten gelten besondere bilaterale Abkommen, die spezifische Anforderungen an Informationsaustausch und gegenseitige Pflichten festlegen. Die Einhaltung dieser rechtlichen Vorgaben wird regelmäßig durch die Europäische Kommission und den Europäischen Rechnungshof überprüft.