Absetzung für Substanzverringerung (AfS)
Die Absetzung für Substanzverringerung (AfS) stellt einen zentralen Begriff im deutschen Einkommensteuerrecht dar. Sie ist eine steuerliche Abschreibungsmöglichkeit für abnutzbare und nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter, deren Wert durch Substanzverringerung – etwa durch Abbau oder Nutzung – gemindert wird. Die Regelungen zur AfS finden sich insbesondere in den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) und betreffen vor allem Wirtschaftsgüter des Anlagenvermögens, deren Substanz im Rahmen der betrieblichen oder steuerpflichtigen Nutzung tatsächlich verringert wird.
Rechtsgrundlagen und Anwendungsbereich
Gesetzliche Grundlage
Die Absetzung für Substanzverringerung ist in § 7 Abs. 6 EStG geregelt. Die Norm erlaubt es, den aus der Substanz eines Wirtschaftsguts gezogenen Wertabgang steuerlich geltend zu machen, sofern eine tatsächliche Substanzverringerung vorliegt. Hierzu zählen vor allem Wirtschaftsgüter, deren Wesen darin besteht, dass sie durch zweckentsprechende Nutzung aufgebraucht oder abgebaut werden.
Anwendungsbereich
Die AfS findet Anwendung auf Wirtschaftsgüter, bei denen der Werteverzehr nicht auf eine zeitliche Abnutzung zurückzuführen ist, wie etwa bei der gewöhnlichen Absetzung für Abnutzung (AfA), sondern auf einen tatsächlichen Verbrauch der Substanz. Typische Anwendungsbeispiele sind:
- Bodenschätze (z.B. Kies, Sand, Ton, Kalk, Erdöl, Erdgas, Torf)
- Abbaubare Vorräte (z.B. Schottergruben, Steinbrüche)
- Waldbestände bei planmäßiger Nutzung, insoweit sie auf Substanzverringerung beruhen
Von der allgemeinen AfA (Absetzung für Abnutzung), die den Werteverzehr durch Zeitablauf und Gebrauch abbildet, ist die AfS klar abzugrenzen, da sie ausschließlich die unmittelbare Minderung der physischen Substanz als Bemessungsgrundlage hat.
Voraussetzungen der Anerkennung
Wirtschaftsgüter mit abbaubarer Substanz
Voraussetzung für die Absetzung für Substanzverringerung ist, dass das betroffene Wirtschaftsgut eine klar bestimmbare und abbaubare Substanz aufweist. Entscheidend ist, dass der Werteverzehr nicht unabhängig vom Substanzabbau eintritt, sondern diesem unmittelbar zuzuordnen ist.
Nachweis und Dokumentationspflichten
Für die steuerliche Geltendmachung der AfS ist eine lückenlose Dokumentation des Substanzverbrauchs erforderlich. Dabei sind folgende Nachweise vorzuhalten:
- Ermittlung des Gesamtabbauvorrats (bei Bodenschätzen z.B. durch geologische Gutachten)
- Aufzeichnung des laufenden Abbaus (Ausbeuteberichte, Förderlisten)
- Zeitliche Zuordnung des Abbauprozesses im Wirtschaftsjahr
Ein Grundsatz lautet hierbei, dass nur der tatsächlich abgebaute und verwertete Anteil der Substanz steuerlich abgeschrieben werden kann.
Bemessungsgrundlage und Berechnung der AfS
Ermittlung des abschreibungsfähigen Betrags
Die Bemessungsgrundlage für die Absetzung bildet der Anschaffungs- bzw. Herstellungswert, der auf die abbau- oder verbrauchsfähige Substanz entfällt. Dieser Betrag wird nicht gleichmäßig, sondern entsprechend dem tatsächlichen Substanzverbrauch abgeschrieben.
Formel:
Abgesetzter Betrag = (Abgebaute Menge im Wirtschaftsjahr / Gesamtabbauvorrat) × Anschaffungs- oder Herstellungswert
Beispielsberechnung
Hat ein Unternehmen einen Steinbruch erworben, dessen abbauwürdiger Vorrat 400.000 Tonnen beträgt, und entfallen auf die Substanz Anschaffungskosten in Höhe von 2.000.000 EUR, kann bei einer Jahresförderung von 20.000 Tonnen folgende AfS erfolgen:
AfS im Jahr = (20.000 / 400.000) × 2.000.000 EUR = 100.000 EUR
Abschreibungsdauer
Die Dauer der Abschreibung richtet sich ausschließlich nach Geschwindigkeit und Umfang des tatsächlichen Abbaus. Es besteht keine Mindest- oder Höchstdauer; maßgeblich ist der Zeitraum, in dem die Substanz tatsächlich genutzt und damit verringert wird.
Besonderheiten und Abgrenzungsfragen
Unterschied zur AfA
Im Gegensatz zur AfA, die auf die Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts abstellt, steht bei der AfS der fortschreitende Verbrauch oder Abbau im Vordergrund. Daher ist die AfS typischerweise nicht planmäßig-linear, sondern wird nach Maßgabe des jeweiligen Substanzverbrauchs individuell ermittelt.
Besonderheiten bei Grundstücken und Gebäuden
Gebäude und Grund und Boden kommen in der Regel für die AfS nicht in Betracht, da hier eine übliche Abnutzung oder Wertminderung nicht aufgrund von Substanzverringerung, sondern durch Nutzung und Zeitablauf erfolgt. Ausnahmen können sich bei außergewöhnlichen Konstellationen ergeben, etwa bei Abraumhalden oder Deponien.
Steuerliche Behandlung bei Veräußerung
Wird das Wirtschaftsgut veräußert, bevor der gesamte Vorrat abgebaut wurde, ist der verbleibende Buchwert nach den speziellen Regelungen des EStG zu behandeln. Dabei ist insbesondere § 16 EStG bei Betriebsveräußerung zu beachten; Rückstellungen sind regelmäßig nicht zulässig, da der Werteverzehr individuell und anhand der tatsächlichen Nutzung festzustellen ist.
Bilanzielle Behandlung
Passivierung und Bewertung
Im Rahmen der Bilanzierung ist die AfS als Korrekturposten auf der Aktivseite auszuweisen. Das Wirtschaftsgut vermindert sich im Wert um den steuerlich geltend gemachten Substanzverzehr. Der verbleibende Bestand ist im Anlagevermögen mit dem fortgeführten Buchwert auszuweisen.
Einfluss auf Gewinnermittlung
Die Vornahme der Absetzung beeinflusst das steuerliche Ergebnis des Betriebes, indem die jährliche AfS den steuerpflichtigen Gewinn im jeweiligen Wirtschaftsjahr entsprechend mindert. Dies führt zu einer periodengerechten Zuordnung von Aufwendungen an die Wirtschaftsjahre, in denen der Substanzverzehr tatsächlich erfolgt.
Zusammenfassung
Die Absetzung für Substanzverringerung (AfS) ist ein komplexes Instrument der steuerlichen Gewinnermittlung. Sie dient der zutreffenden Abbildung des Werteverzehrs bei bestimmten Wirtschaftsgütern, deren Abnutzung nicht durch Zeitablauf, sondern durch Substanzverbrauch erfolgt. Die AfS setzt eine detaillierte Dokumentation des Abbaus sowie eine genaue Berechnung der Bemessungsgrundlage voraus und ist insbesondere bei Unternehmen aus Bergbau, Baustoffgewinnung und ähnlichen Branchen von praktischer Bedeutung. Die gesetzliche Regelung stellt auf eine Einzelbewertung ab und verlangt, dass lediglich die tatsächlich verbrauchte Substanz als Aufwand abziehbar ist. In der Bilanz wird der fortgeführte Buchwert des Wirtschaftsguts ausgewiesen, während die AfS den steuerlichen Gewinn im jeweiligen Jahr mindert.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Inanspruchnahme der Absetzung für Substanzverringerung (AfS) erfüllt sein?
Für die Inanspruchnahme der Absetzung für Substanzverringerung (AfS) ist zunächst erforderlich, dass es sich beim betroffenen Vermögensgegenstand um ein abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens handelt, das nicht der regulären, sondern der außerordentlichen Abschreibung unterliegt. Nach den Vorschriften des deutschen Einkommensteuerrechts, insbesondere §§ 7 Abs. 1, 7 Abs. 6 sowie § 7g EStG, ist AfS lediglich bei Wirtschaftsgütern zulässig, deren Substanz durch bestimmungsgemäße Nutzung abnimmt, ohne dass diese Vermögensminderung bilanziell durch gewöhnliche Abschreibungen erfasst wird. Typische Beispiele sind bestimmte Bodenschätze wie Sandgruben, Steinbrüche oder Torfstiche. Die rechtliche Voraussetzung umfasst insbesondere den Nachweis der Eigentümerstellung respektive des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 AO), das Vorliegen einer konkreten und nachweisbaren Substanzverminderung sowie die ordnungsgemäße buchhalterische Erfassung dieser Werte. Darüber hinaus wird verlangt, dass die Verminderung der Substanz entweder aus steuerrechtlich anerkannten Gründen entweder physikalisch messbar oder zumindest plausibel schätzbar ist, wobei die Grundlagen der Schätzung nachvollziehbar zu dokumentieren sind.
Welche Nachweispflichten bestehen für Steuerpflichtige bezüglich der AfS?
Im Rahmen der Absetzung für Substanzverringerung trifft den Steuerpflichtigen eine erweiterte Nachweispflicht. Hierzu ist eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation der Substanzentnahme, -verminderung oder -veräußerung unabdingbar. Gesetzlich ist dies weder im EStG noch in den Einkommensteuer-Richtlinien abschließend geregelt, jedoch ergeben sich die Anforderungen aus dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Buchführung (§§ 140-148 AO). In der Praxis bedeutet dies die Verpflichtung, geeignete Unterlagen über die Lagerstätten, die jährlichen Abbautätigkeiten, produktions- und verkaufsbezogene Unterlagen sowie eventuell vorhandene geologische Gutachten vorzulegen. Die Genauigkeit der Nachweisführung muss derart gestaltet sein, dass sowohl die tatsächliche Förderung als auch der verbleibende Vorrat an Substanz jederzeit überprüfbar ist. Im Zweifelsfall liegt die Beweislast bei dem Steuerpflichtigen, sodass Schätzungen durch das Finanzamt zulasten des Steuerpflichtigen ausfallen können, wenn die Nachweiserbringung mangelhaft ist (§ 162 AO).
Wie verhält sich die AfS zur regulären Abschreibung nach § 7 EStG?
Die Absetzung für Substanzverringerung (AfS) steht rechtssystematisch neben der normalen linearen oder degressiven Abschreibung nach § 7 EStG, ersetzt diese aber nicht. Werden beispielsweise Aufwendungen auf Bodenschätze getätigt, für die weder die lineare noch die degressive Abschreibung einschlägig ist, kann die AfS berücksichtigt werden. Die reguläre AfA (Absetzung für Abnutzung) ist bei nicht abbaubaren, beweglichen Wirtschaftsgütern anzuwenden. Bei Substanzwerten (besonders Lagerstätten) kann jedoch ausschließlich die AfS beansprucht werden, weil die Vermögensminderung nicht in der Nutzung, sondern im tatsächlichen Substanzverlust liegt. Eine parallele Anwendung von AfA und AfS auf dasselbe Wirtschaftsgut ist ausgeschlossen.
Sind Zukäufe oder Veränderungen der Lagerstätten nachträglich zu berücksichtigen?
Rechtlich ist jeder Zugang oder Veränderung des Substanzwertes – zum Beispiel durch den Erwerb weiterer Bereiche einer Lagerstätte, Zusammenlegungen oder Abspaltungen von Abbaurechten – fortlaufend zu dokumentieren und im Rahmen der AfS zu berücksichtigen. Das Steuerrecht verlangt, dass die Berechnungsgrundlage für die Substanzverringerung jeweils an die aktuelle Datenlage angepasst wird. Hierzu zählt die unmittelbare Anpassung von Bewertungsgrundlagen infolge geologischer Neufeststellungen, zusätzlicher Gutachten oder tatsächlich erfolgter Veränderungen am genutzten Substanzvorrat. Jeder Zugang oder Abgang muss im Jahr des tatsächlichen Vollzugs bilanziell berücksichtigt werden (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB Anwendung über § 5 Abs. 1 EStG).
Welche besonderen Fallkonstellationen sind aus rechtlicher Sicht problematisch?
Probleme treten insbesondere bei Lagerstätten auf, deren Substanzvorrat mangels genauer geologischer Daten nur schwer bestimmbar ist. Auch komplexe Eigentumsverhältnisse (etwa bei mehreren Miteigentümern) oder Fälle, in denen Nutzungsrechte (anstatt Eigentum) vorliegen, bringen Unsicherheiten mit sich. Aus rechtlicher Sicht sind hier vertragliche Vereinbarungen über die Nutzung und Aufteilung der AfS zu hinterlegen und steuerrechtlich geltend zu machen. Bei Streitigkeiten um Eigentumsverhältnisse entscheidet in der Regel die Zivilgerichtsbarkeit über die Zuordnung von wirtschaftlichem Eigentum. Ferner können behördliche Auflagen oder nachträgliche Enteignungen Auswirkungen auf die Anspruchsgrundlage für die AfS haben und sind gesondert zu beurteilen.
Können Substanzentnahmen rückwirkend für vergangene Jahre geltend gemacht werden?
Eine rückwirkende Inanspruchnahme der AfS ist nur im Rahmen der allgemeinen steuerlichen Korrekturvorschriften möglich. Analog zu den Vorschriften des § 173 AO (Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel) kann eine AfS für vergangene Veranlagungszeiträume nur dann anerkannt werden, wenn entsprechende Nachweise nachträglich erbracht werden und der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist. Liegen entsprechende Nachweise bereits zum Zeitpunkt der Steuererklärung nicht oder nur unzureichend vor, ist eine nachträgliche Berücksichtigung regelmäßig ausgeschlossen, sofern keine neuen Tatsachen oder Fehler seitens des Finanzamts vorliegen. Die Anlaufhemmung und die Festsetzungsfristen der §§ 169 ff. AO sind hierbei zu beachten.