Begriff und Rechtsgrundlagen des Abrechnungsbescheids
Der Abrechnungsbescheid ist ein im deutschen Verwaltungsrecht gebräuchlicher Verwaltungsakt, mit dem eine Behörde eine bereits getätigte Zahlung abschließend abrechnet und hierzu verbindlich feststellt, welcher Zahlungsbetrag geschuldet oder zu erstatten ist. Der Abrechnungsbescheid ist insbesondere im Zusammenhang mit öffentlichen Abgaben, Fördermitteln, Sozialleistungen sowie im Steuerrecht von Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen für die Erteilung von Abrechnungsbescheiden finden sich im jeweiligen Fachrecht, etwa im Sozialgesetzbuch (SGB), in den Abgabenordnungen oder im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).
Abgrenzung zu anderen Verwaltungsakten
Der Abrechnungsbescheid unterscheidet sich von anderen Verwaltungsakten wie dem Leistungs- oder Bewilligungsbescheid. Während der Bewilligungsbescheid einen Anspruch auf Zahlung erst begründet, erfolgt der Abrechnungsbescheid in der Regel nach Auszahlung oder nachdem aufgrund eines Leistungsbescheides Zahlungen erfolgt sind. Ziel ist die abschließende Prüfung und Feststellung, ob zu viel, zu wenig oder die richtige Höhe ausgezahlt wurde. Häufig gehen ihm Änderungs- oder Aufhebungsbescheide voraus.
Rechtsnatur des Abrechnungsbescheids
Verwaltungsakt mit Regelungswirkung
Der Abrechnungsbescheid stellt einen Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG dar, da er eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ist und unmittelbare Rechtswirkung nach außen besitzt. Mit ihm wird festgestellt, in welcher Höhe ein Anspruch besteht, ein Erstattungsbetrag verlangt werden kann oder eine Forderung erlischt.
Bindungswirkung und Bestandskraft
Gegen einen Abrechnungsbescheid kann der betroffene Adressat die üblichen Rechtsbehelfe, etwa Widerspruch oder Klage, einlegen. Er wird mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist in Bestandskraft erworben und erhält damit Verbindlichkeit. Aufgrund der Regelungswirkung entfaltet der Abrechnungsbescheid Bindungswirkung für die Beteiligten und die ausstellende Behörde.
Anwendungsbereiche des Abrechnungsbescheids
Steuerrecht
Im Steuerrecht tritt der Abrechnungsbescheid insbesondere bei der Feststellung auf, wie geleistete Zahlungen auf verschiedene Steuerarten, Zeiträume oder Schulden angerechnet werden (§ 218 AO). Er bestimmt die Reihenfolge und Verrechnung von geleisteten Zahlungen und kann überzahlte Beträge zur Erstattung freigeben oder eine noch offene Steuerforderung bestätigen.
Sozialrecht
Im Sozialrecht, etwa nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), dient der Abrechnungsbescheid der abschließenden Feststellung und Abrechnung bereits gewährter vorläufiger Leistungen. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums erfolgt die endgültige Feststellung der tatsächlichen Leistungsansprüche auf Basis der im Abrechnungszeitraum realisierten Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 41a SGB II; § 328 SGB III). Zu viel gezahlte Beträge können zurückgefordert, Differenzen nachgezahlt werden.
Fördermittel, Subventionen und Zuwendungen
Bei öffentlichen Fördermitteln, Subventionen oder Zuwendungen gemäß § 44 BHO oder den Landeshaushaltsordnungen erfolgt ein Abrechnungsbescheid typischerweise nach Abschluss des Förderzeitraums. Er stellt bindend fest, in welchem Umfang die Fördersumme zweckentsprechend verwendet und abgerechnet wurde. Nicht verbrauchte oder nicht zweckgebundene Beträge sind in der Regel zu erstatten.
Inhalt und formale Anforderungen des Abrechnungsbescheids
Ein Abrechnungsbescheid muss den formalen Vorgaben des § 37 VwVfG (Bestimmtheit und Begründung) entsprechen. Er enthält insbesondere
- die klare Bezeichnung der abrechnungspflichtigen Maßnahme oder Leistung,
- den festgestellten Erstattungs- oder Nachzahlungsbetrag,
- eine nachvollziehbare Berechnung oder Abrechnung (ggf. Beifügung einer Zahlungsübersicht),
- eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung.
Im Steuerrecht gelten daneben die speziellen Formvorschriften der Abgabenordnung, im Sozialrecht die Vorschriften des SGB über Verwaltungsakte.
Rechtsfolgen und Wirkungen des Abrechnungsbescheids
Erstattungsansprüche und Rückforderungen
Mit Erlass eines negativen Abrechnungsbescheids kann ein Erstattungsanspruch der Behörde gegenüber dem Bürger entstehen, wenn feststeht, dass zu viel gezahlt wurde. Umgekehrt besteht ein Anspruch auf Nachzahlung, wenn zu wenig ausbezahlt wurde. Der Abrechnungsbescheid ist Vollstreckungstitel im Sinne der §§ 249 ff. AO bzw. nach sozialrechtlichen Vorschriften.
Ausschlusswirkung und Rechtskraft
Der Abrechnungsbescheid entfaltet Ausschlusswirkung für die abgerechneten Sachverhalte. Nach Eintritt der Bestandskraft ist eine erneute Abrechnung für den betreffenden Zeitraum grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, spezielle Vorschriften erlauben Rücknahme oder Widerruf ausnahmsweise, etwa bei Täuschung, Drohung oder Irrtum nach §§ 48, 49 VwVfG oder § 44 SGB X.
Unterscheidungen und Sonderformen
Vorläufige und endgültige Abrechnung
Im Sozial- und Steuerrecht werden oft zunächst vorläufige Zahlungen bewilligt, die nach Ablauf eines Zeitraums durch einen endgültigen Abrechnungsbescheid überprüft und abgeschlossen werden. Die endgültige Abrechnung entfaltet Bindungswirkung hinsichtlich des Leistungszeitraums.
Aufhebungs- und Änderungsbescheide
Der Abrechnungsbescheid ist von Aufhebungs- und Änderungsbescheiden abzugrenzen, die den Leistungs- oder Bewilligungsbescheid im laufenden Zeitraum anpassen oder aufheben. Erst nach Abschluss eines Zeitraums schließt der Abrechnungsbescheid die rechtliche Überprüfung der Zahlungsansprüche ab.
Rechtsschutz gegen den Abrechnungsbescheid
Betroffene können gegen den Abrechnungsbescheid Widerspruch einlegen oder Klage vor dem Verwaltungsgericht, Finanzgericht oder Sozialgericht erheben. Maßgeblich sind die Rechtsbehelfsfristen und Zuständigkeiten nach VwGO, AO oder SGG. Unabhängig vom Ergebnis des Abrechnungsverfahrens können Rechtsbehelfe genutzt werden, um etwa Berechnungsfehler, unzutreffende Tatsachen oder Rechtsauslegung anzufechten.
Literatur- und Rechtsprechungsquellen
Für eine vertiefende Beschäftigung mit Abrechnungsbescheiden sind die jeweiligen Gesetzestexte, einschlägige Fachkommentare und aktuelle Rechtsprechung zu konsultieren. Bedeutung erlangt insbesondere die Kommentierung zur Abgabenordnung (§ 218 AO), zum SGB II (§ 41a SGB II) sowie einschlägige Urteile der Verwaltungs- und Sozialgerichte.
Hinweis: Dieser Beitrag berücksichtigt die geltende Rechtslage bis Juni 2024. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient der Information im Rahmen eines Rechtslexikons.
Häufig gestellte Fragen
Welche Fristen müssen bei der Anfechtung eines Abrechnungsbescheids beachtet werden?
Ein Abrechnungsbescheid ist ein Verwaltungsakt, gegen den – gemäß § 355 Abs. 1 AO (bei steuerlichen Bescheiden) oder der jeweils einschlägigen verwaltungsrechtlichen Vorschriften – Rechtsmittel eingelegt werden können. Die maßgebliche Frist zur Einlegung eines Widerspruchs beziehungsweise Einspruchs beträgt in der Regel einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheids. Die Bekanntgabe gilt grundsätzlich mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als erfolgt, sofern keine abweichende Zustellung, beispielsweise durch förmliche Zustellung, stattfindet. Innerhalb dieser Frist muss die Anfechtung (z.B. in Form eines schriftlichen Einspruchs oder Widerspruchs) bei der Erlassbehörde eingegangen sein. Wird die Frist versäumt, wird der Abrechnungsbescheid grundsätzlich bestandskräftig. In Ausnahmefällen kann jedoch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden, falls die Frist ohne Verschulden versäumt wurde. Hierfür müssen triftige Gründe dargelegt und nachgewiesen werden; der Antrag ist unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.
Welche rechtlichen Anforderungen muss ein Abrechnungsbescheid erfüllen?
Ein Abrechnungsbescheid muss den formellen Anforderungen eines Verwaltungsakts genügen, wie sie im Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 35 VwVfG) und in den Spezialgesetzen (z.B. § 218 Abs. 2 AO bei Steuerbescheiden) geregelt sind. Dazu zählt insbesondere die hinreichende Bestimmtheit; das bedeutet, der Adressat muss eindeutig erkennen können, für welchen Sachverhalt und für welchen Zeitraum die Regelung gilt. Der Bescheid muss den Adressaten klar benennen, den Regelungsgegenstand präzise ausweisen und eine nachvollziehbare Begründung enthalten, in der die maßgeblichen rechtlichen sowie tatsächlichen Erwägungen dargelegt werden. Zudem sind eine Rechtsbehelfsbelehrung und das Ausstellungsdatum erforderlich. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, kann dies zur Anfechtbarkeit oder gar Nichtigkeit des Bescheids führen.
Welche Bedeutung hat die Bestandskraft eines Abrechnungsbescheids?
Erreicht ein Abrechnungsbescheid Bestandskraft, das heißt, er wird unanfechtbar, entfaltet er in rechtlicher Hinsicht Bindungswirkung für alle Beteiligten. Das bedeutet, dass die festgestellten Rechtsfolgen zwingend umzusetzen sind und nicht mehr durch einfache Rechtsmittel korrigiert werden können. Bestandskraft tritt regelmäßig nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ein, sofern kein zulässiger und begründeter Einspruch oder Widerspruch erhoben wurde. Nach Eintritt der Bestandskraft ist eine Änderung des Bescheids grundsätzlich nur noch im Wege besonderer Korrekturvorschriften möglich, etwa bei Vorliegen von offenbaren Unrichtigkeiten, neuer Tatsachen oder bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes (wie etwa nach den §§ 129 ff. AO bei Steuerbescheiden).
Welche rechtlichen Wirkungen entfaltet ein Abrechnungsbescheid gegenüber Dritten?
Die rechtliche Bindungswirkung eines Abrechnungsbescheids erstreckt sich grundsätzlich nur auf diejenigen, an die der Bescheid adressiert ist. Dritte werden durch den Bescheid im Grundsatz nicht unmittelbar verpflichtet oder berechtigt, es sei denn, der Bescheid entfaltet Verwaltungsaktscharakter mit Drittwirkung, wie beispielsweise bei Gesamtgläubiger- oder Gesamtschuldnerverhältnissen, in denen der Abrechnungsbescheid auch Klarheit über die Verpflichtungen oder Berechtigungen der Dritten verschafft. In diesen Fällen kann Dritten ein eigenes Anfechtungsrecht zustehen. Im Übrigen ist jedoch die unmittelbare Rechtswirkung auf den Adressatenkreis beschränkt.
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Abrechnungsbescheid aufgehoben oder geändert werden?
Ein Abrechnungsbescheid kann aus rechtlichen Gründen aufgehoben oder geändert werden, sofern materielle oder formelle Fehler vorliegen oder neue Tatsachen bekannt werden, die eine Korrektur rechtfertigen. Rechtsgrundlagen hierfür finden sich im Verwaltungsverfahrensrecht (z.B. §§ 48, 49 VwVfG für die Rücknahme und den Widerruf rechtswidriger bzw. rechtmäßiger Verwaltungsakte) sowie in spezialgesetzlichen Korrekturvorschriften wie § 130 AO (Berichtigung von offenbaren Unrichtigkeiten in Steuerbescheiden) oder § 172 ff. AO (Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen). Innerhalb bestimmter Fristen kann die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen tätig werden. Voraussetzungen sind regelmäßig das Vorliegen eines Fehlergrundes, eine ordnungsgemäße Antragstellung und gegebenenfalls die Wahrung von Fristen.
Welche Möglichkeiten bestehen bei fehlerhafter Zustellung eines Abrechnungsbescheids?
Wird ein Abrechnungsbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt, entfaltet er keine oder zumindest keine rechtmäßigen Wirkungen gegenüber dem Adressaten. Der Zugang des Bescheids ist Voraussetzung für den Fristenlauf der Rechtsbehelfsfrist. Wird die Zustellung nicht nachgewiesen, beginnt die Rechtsbehelfsfrist nicht zu laufen, was dazu führt, dass der Bescheid auch über einen längeren Zeitraum hinweg anfechtbar bleibt. Kommt es zur streitigen Auseinandersetzung, trägt die Behörde die Nachweispflicht für die ordnungsgemäße Zustellung (z.B. durch Postzustellungsurkunde). Fehlerhafte Zustellungen können somit zur Unwirksamkeit der Fristsetzung und gegebenenfalls zur Unanwendbarkeit der Bestandskraftregelungen führen.
Welche Rechtsmittel stehen gegen einen Abrechnungsbescheid zur Verfügung?
Je nach Rechtsgebiet und konkretem Verwaltungsakt stehen dem Adressaten verschiedene Rechtsmittel offen. Im Steuerrecht ist der Einspruch das maßgebliche außergerichtliche Rechtsmittel (§ 347 AO), das innerhalb eines Monats bei der erlassenden Behörde einzulegen ist. Im allgemeinen Verwaltungsrecht kann gegen einen Abrechnungsbescheid regelmäßig Widerspruch (§ 68 ff. VwGO) eingelegt werden. Nach erfolglosem Vorverfahren beziehungsweise bei unzulässigem oder unbegründetem Einspruch/Widerspruch steht der Klageweg zum zuständigen Verwaltungsgericht offen. Die jeweils einschlägige Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Bescheids gibt darüber Auskunft, welche Rechtsmittel innerhalb welcher Fristen zulässig sind. Ein fehlerhafter Hinweis kann zur Verlängerung der Rechtsbehelfsfrist auf bis zu ein Jahr führen.