Abmahnung im Arbeitsrecht
Die Abmahnung spielt im Arbeitsrecht eine zentrale Rolle und dient als wesentliches Instrument zur Wahrung arbeitsvertraglicher Disziplin. Sie ist eine formale Rüge des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer und verfolgt mehrere rechtliche Funktionen und Konsequenzen. Ziel dieser ausführlichen Darstellung ist es, sämtliche Aspekte der Abmahnung im Arbeitsverhältnis aus arbeitsrechtlicher Sicht umfassend und verständlich zu beleuchten.
Begriff und Funktion der Abmahnung
Die Abmahnung stellt im deutschen Arbeitsrecht eine ausdrückliche Beanstandung eines konkreten vertragswidrigen Verhaltens eines Arbeitnehmers dar. Sie ist rechtlich als Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung bedeutsam und erfüllt sowohl eine Hinweis- als auch eine Warnfunktion. Durch eine Abmahnung wird der Arbeitnehmer auf ein Fehlverhalten aufmerksam gemacht und gleichzeitig vor weiteren Konsequenzen bis hin zur Kündigung gewarnt.
Hinweisfunktion
Mit der Abmahnung wird dem Arbeitnehmer klargemacht, welches konkrete Verhalten vom Arbeitgeber als Pflichtverletzung angesehen wird. Der Arbeitgeber fordert mit der Abmahnung zur Unterlassung des beanstandeten Verhaltens auf und verlangt zugleich die künftig vertragsgemäße Erfüllung der Arbeitsaufgaben.
Warnfunktion
Die Abmahnung dient darüber hinaus als formelle Warnung. Damit wird der Arbeitnehmer ausdrücklich informiert, dass bei einer erneuten gleichartigen Pflichtverletzung arbeitsrechtliche Konsequenzen, insbesondere die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, drohen.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Vorgaben zur Abmahnung finden sich nicht ausdrücklich im Gesetz, sondern ergeben sich aus allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts sowie aus der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Sie leiten sich vor allem aus § 314 Absatz 2 BGB sowie § 626 BGB (außerordentliche Kündigung) ab.
Voraussetzungen einer wirksamen Abmahnung
Eine Abmahnung ist rechtlich wirksam, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllt:
- Konkrete Bezeichnung des Fehlverhaltens
Die Pflichtverletzung muss eindeutig, nachvollziehbar und konkret bezeichnet werden. Verallgemeinerte oder pauschale Hinweise reichen nicht aus.
- Rügefunktion
Die Abmahnung muss als ausdrückliche Rüge verstanden werden. Ein bloßes Gespräch oder allgemein gehaltene Kritik genügt nicht.
- Aufforderung zur künftigen Vertragstreue
Es muss deutlich werden, dass der Arbeitgeber die Einhaltung arbeitsvertraglicher Pflichten für die Zukunft erwartet.
- Androhung weiterer arbeitsrechtlicher Maßnahmen
Die Androhung weiterer Konsequenzen, insbesondere einer Kündigung bei Wiederholung, ist erforderlich.
Formen und Zugang der Abmahnung
Eine Abmahnung kann grundsätzlich formfrei, das heißt auch mündlich, erfolgen. Aus Beweisgründen wird jedoch in der Praxis die Schriftform empfohlen. Die Abmahnung muss dem Arbeitnehmer zugehen; bei persönlicher Übergabe sollte der Empfang dokumentiert werden. Bei postalischem Versand empfiehlt sich ein Zugangsnachweis, etwa durch Einwurfeinschreiben.
Inhaltliche Anforderungen
Eine ordnungsgemäße Abmahnung muss detailliert folgende Angaben enthalten:
- Name des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers
- Datum der Abmahnung
- Beschreibung und Zeitpunkt der Pflichtverletzung (Wer? Was? Wann? Wo?)
- Benennung der verletzten Vertragspflicht
- Forderung, das Verhalten abzustellen bzw. künftig zu unterlassen
- Hinweis auf drohende Folgen bei Wiederholung
Abgrenzung zu Ermahnung und Verwarnung
Die Abmahnung ist von der Ermahnung und Verwarnung abzugrenzen. Die Ermahnung bleibt ohne die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen. Die Verwarnung wiederum hat – schwerpunktmäßig im öffentlichen Dienst – eine vergleichbare Funktion, ist jedoch im arbeitsrechtlichen Sinne rechtlich weniger verbindlich als die Abmahnung.
Bedeutung im Kontext der Kündigung
Insbesondere im Rahmen der verhaltensbedingten Kündigung ist die Abmahnung von maßgeblicher Bedeutung. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) verlangt, vor Ausspruch einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung in der Regel eine einschlägige Abmahnung. Sie dokumentiert die Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten und räumt dem Arbeitnehmer die Chance zur Verhaltensänderung ein.
Wiederholungsfall
Kommt es nach erfolgter Abmahnung erneut zu einem gleichartigen Verstoß, kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung nach sich ziehen.
Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte
Der betroffene Arbeitnehmer kann die Entfernung einer unberechtigten oder unwirksamen Abmahnung aus der Personalakte verlangen, insbesondere wenn diese:
- zu Unrecht erfolgt ist,
- auf unzutreffenden Tatsachen beruht,
- formale Fehler aufweist oder
- nicht mehr relevant ist (z. B. bei Zeitablauf und beanstandungsfreiem Verhalten).
Dieser Anspruch kann ggf. gerichtlich durchgesetzt werden.
Verjährung und Wirkung einer Abmahnung
Für die Wirksamkeit einer Abmahnung gibt es keine gesetzliche Verfallfrist. Sie verliert jedoch nach längerer Zeit ohne erneuten Pflichtverstoß an Bedeutung und kann ihre Warnfunktion einbüßen. Die genaue Dauer hängt von Art und Schwere des abgemahnten Verstoßes sowie von der weiteren Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ab.
Rechte des Arbeitnehmers nach Erhalt einer Abmahnung
Dem Arbeitnehmer stehen bei Erhalt einer Abmahnung verschiedene Möglichkeiten offen:
- Schriftliche Gegendarstellung zur Personalakte
- Geltendmachung eines Anspruchs auf Entfernung
- Klage auf Entfernung vor dem Arbeitsgericht
- Reaktion durch Gespräche oder Einigung mit dem Arbeitgeber
Mehrfache Abmahnung und Wiederholungstat
Grundsätzlich ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung keine zeitliche oder mengenmäßige Beschränkung hinsichtlich der Anzahl der Abmahnungen vorgeschrieben. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann aber auch eine einzige Abmahnung ausreichend sein.
Fazit
Die Abmahnung im Arbeitsrecht ist ein unverzichtbares Instrument zur Regelung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie dient der Sicherstellung des Arbeitsfriedens, der Wahrung von Pflichten und der Vermeidung ungerechtfertigter Kündigungen. Eine sorgfältige Handhabung der Abmahnung trägt maßgeblich zur Rechtssicherheit und Klarheit im Arbeitsverhältnis bei und ist für beide Seiten von erheblicher Bedeutung.
Schlagworte: Abmahnung, Arbeitsrecht, Personalakte, Pflichtverletzung, Kündigung, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Pflichtverletzung, Entfernung, Warnfunktion
Häufig gestellte Fragen
Kann eine Abmahnung auch mündlich ausgesprochen werden?
Grundsätzlich ist eine Abmahnung aus arbeitsrechtlicher Sicht auch mündlich möglich. Das Gesetz schreibt keine bestimmte Form für die Abmahnung vor. Sie dient dazu, den Arbeitnehmer auf ein vertragswidriges Verhalten hinzuweisen und ihm für zukünftiges pflichtgemäßes Verhalten eine Warnung auszusprechen. Allerdings ist aus Beweisgründen dringend zu empfehlen, die Abmahnung schriftlich zu erteilen. Im Falle eines späteren Rechtsstreits, beispielsweise im Zusammenhang mit einer verhaltensbedingten Kündigung, muss der Arbeitgeber nachweisen können, dass und mit welchem Inhalt die Abmahnung ausgesprochen wurde. Eine mündliche Abmahnung ist somit zwar rechtlich wirksam, bietet dem Arbeitgeber aber unter Beweislastgesichtspunkten erhebliche Nachteile.
Muss eine Abmahnung bestimmte inhaltliche Anforderungen erfüllen?
Ja, eine Abmahnung muss bestimmte Mindestinhalte aufweisen, damit sie die arbeitsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Sie muss zunächst das konkrete Fehlverhalten des Arbeitnehmers detailliert beschreiben, sodass dieser erkennen kann, welches Verhalten beanstandet wird. Allgemeine oder pauschale Vorwürfe genügen nicht. Darüber hinaus muss die Abmahnung eindeutig darauf hinweisen, dass ein bestimmtes Verhalten nicht toleriert wird, und eine deutliche Warnfunktion enthalten, das heißt der Arbeitnehmer muss erkennen können, dass ihm im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Kündigung, drohen. Zusätzlich sollte dem Arbeitnehmer die Gelegenheit gegeben werden, sein Verhalten in Zukunft zu ändern.
Welche Fristen gelten für das Aussprechen einer Abmahnung?
Für das Aussprechen einer Abmahnung gelten keine gesetzlichen Fristen. Arbeitgeber sind jedoch gehalten, eine Abmahnung zeitnah nach Bekanntwerden des Fehlverhaltens auszusprechen. Wird eine Abmahnung erst lange Zeit nach der Pflichtverletzung ausgesprochen („verfristet“), kann dies unter Umständen dazu führen, dass sie ihre Rüge- und Warnfunktion verliert und im Fall einer späteren Kündigung vom Arbeitsgericht nicht (mehr) berücksichtigt wird. Die Rechtsprechung empfiehlt daher, den Sachverhalt und die Abmahnung nicht „liegen zu lassen“, sondern zeitnah zu reagieren. Allerdings kann je nach den Umständen des Einzelfalls auch eine später ausgesprochene Abmahnung noch wirksam sein.
Kann ein Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung vorgehen?
Ja, ein Arbeitnehmer kann sich gegen eine unberechtigte oder fehlerhafte Abmahnung wehren. Er hat das Recht, eine sogenannte Gegendarstellung zu verfassen, die zur Personalakte genommen werden muss. Alternativ oder zusätzlich kann der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte einreichen. Ein Anspruch auf Entfernung besteht insbesondere dann, wenn die Abmahnung inhaltlich ungenau, unbegründet, formell fehlerhaft oder nicht gerechtfertigt ist, weil das abgemahnte Verhalten tatsächlich keinen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellt. Auch Verfahrensfehler (z.B. mangelnde Anhörung) können ein Entfernungsverlangen begründen.
Verliert eine Abmahnung nach einer bestimmten Zeit ihre Wirkung?
Eine Abmahnung unterliegt grundsätzlich keinem Verfallsdatum und bleibt so lange wirksam, wie das Arbeitsverhältnis besteht. Allerdings verliert sie mit zunehmenden Zeitablauf an Bedeutung, insbesondere dann, wenn sich der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei verhält. Nach gängiger Rechtsprechung geht man davon aus, dass eine einmal ausgesprochene Abmahnung nach etwa zwei bis drei Jahren, abhängig von der Schwere des abgemahnten Verhaltens, für eine spätere Kündigung kaum noch herangezogen werden kann. Arbeitnehmer haben dann ggf. auch einen Anspruch darauf, dass eine „veraltete“ Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird.
Ist vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung immer eine Abmahnung erforderlich?
Im Arbeitsrecht gilt das sog. Ultima-Ratio-Prinzip, wonach die Kündigung als letztes Mittel zu betrachten ist. Vor einer verhaltensbedingten Kündigung muss in aller Regel eine Abmahnung ausgesprochen werden, da dem Arbeitnehmer die Chance gegeben werden muss, sein Verhalten zukünftig zu ändern. Eine vorherige Abmahnung kann nur dann entfallen, wenn es sich entweder um ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten handelt, bei dem eine Verhaltensänderung auch bei nochmaliger Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder wenn das Vertrauensverhältnis ohnehin irreparabel erschüttert ist (z.B. bei Straftaten zum Nachteil des Arbeitgebers). In allen anderen Fällen ist eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung in der Regel unwirksam.