Begriff und rechtliche Grundlagen der Abgeltungssteuer
Die Abgeltungssteuer ist eine in Deutschland erhobene Quellensteuer auf Kapitalerträge. Sie wurde mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 eingeführt und gilt seit dem 1. Januar 2009. Die Abgeltungssteuer ist eine besondere Form der Einkommensbesteuerung, die insbesondere auf private Kapitalerträge Anwendung findet. Ziel ist es, die steuerliche Behandlung von Kapitaleinkünften zu vereinfachen und zu standardisieren.
Rechtsgrundlage der Abgeltungssteuer
Gesetzliche Verankerung
Die wesentlichen Regelungen zur Abgeltungssteuer finden sich im Einkommensteuergesetz (EStG), dabei insbesondere in den §§ 20, 32d und 43 EStG. Weitere Regelungen ergeben sich aus dem Investmentsteuergesetz (InvStG) und dem Körperschaftsteuergesetz (KStG). Die technischen Abläufe der Einbehaltung und Abführung sind in der Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung (KapEStDV) niedergeschrieben.
Steuerpflichtige Kapitalerträge
Die Abgeltungssteuer betrifft insbesondere folgende Kapitalerträge:
- Zinsen aus Bankguthaben und Anleihen
- Dividenden aus Aktien
- Erträge aus Investmentfonds
- Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanlagen
Diese Einkünfte unterliegen mit Einführung der Abgeltungssteuer einem einheitlichen Steuersatz, unabhängig von der Höhe der Einkünfte.
Höhe und Berechnung der Abgeltungssteuer
Steuersatz und Solidaritätszuschlag
Die Abgeltungssteuer wird pauschal mit 25 % auf die Erträge aus Kapitalvermögen erhoben. Hinzu kommen der Solidaritätszuschlag (5,5 % auf die Steuer) sowie gegebenenfalls die Kirchensteuer. Der effektive Steuersatz kann sich durch die Berücksichtigung dieser Zuschläge erhöhen.
Einbehaltung und Abführung
In der Praxis wird die Abgeltungssteuer direkt von der auszahlenden Stelle (z. B. Banken, Finanzdienstleister) einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Für Privatanleger besteht dadurch keine Verpflichtung zur Angabe dieser Einkünfte in der Einkommensteuererklärung, sofern die Steuer bereits abgezogen wurde und kein sogenannter Günstigerprüfung-Antrag gestellt wird.
Freistellungsauftrag und Sparer-Pauschbetrag
Jede steuerpflichtige Person hat Anspruch auf einen Sparer-Pauschbetrag (§ 20 Abs. 9 EStG). Dieser beträgt aktuell 1.000 Euro bei Ledigen bzw. 2.000 Euro bei zusammen veranlagten Ehegatten. Bis zu dieser Höhe können Kapitalerträge steuerfrei bezogen werden, sofern ein Freistellungsauftrag bei der jeweiligen Bank eingereicht wurde.
Umfang und Grenzen der Abgeltungssteuer
Steuerpflichtige und steuerfreie Erträge
Der Grundsatz der Abgeltungswirkung bezieht sich auf:
- Zinsen
- Dividenden
- Veräußerungsgewinne bestimmter Kapitalanlagen
Nicht erfasst sind insbesondere bestimmte betriebliche Einkünfte aus Kapitalvermögen, welche im Rahmen eines Gewerbebetriebes erzielt werden, sowie Zinsen aus Darlehen an nahe Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen.
Ausnahmen und Sonderfälle
Günstigerprüfung
Die sogenannte Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) ermöglicht es Steuerpflichtigen, eine individuelle Besteuerung zum persönlichen Einkommensteuersatz zu beantragen. Dies ist unter Umständen vorteilhaft, wenn der persönliche Steuersatz unter 25 % liegt.
Verlustverrechnung
Verluste aus Kapitalanlagen können ausschließlich mit Gewinnen aus Kapitalanlagen innerhalb desselben Kalenderjahres oder durch Vortrag in Folgejahre verrechnet werden. Eine Verrechnung mit anderen Einkunftsarten ist ausgeschlossen.
Kirchensteuer
Die Kirchensteuer auf die Abgeltungssteuer wird im automatisierten Verfahren berücksichtigt, sofern ein Kirchensteuerabzugsmerkmal vorliegt. Die Banken sind gesetzlich verpflichtet, die Kirchensteuer einzubehalten und abzuführen, sofern keine Sperrvermerke gesetzt wurden.
Internationale Aspekte der Abgeltungssteuer
Quellensteuer und Doppelbesteuerungsabkommen
Kapitalerträge, die von ausländischen Quellen stammen, können im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) einer ausländischen Quellensteuer unterliegen. In diesen Fällen ist eine Anrechnung oder Erstattung der ausländischen Steuer nach den Regeln des EStG (§ 34c EStG) möglich. Die ausländische Steuer wird bis zu einem bestimmten Höchstsatz auf die deutsche Abgeltungssteuer angerechnet, soweit das entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen dies vorsieht.
Anwendungsbereich auf Auslandskapital
Die Abgeltungssteuer ist grundsätzlich auch auf Kapitalerträge aus dem Ausland anzuwenden, sofern der Steuerzahler in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung müssen ausländische Kapitalerträge deklariert werden, falls die Steuer nicht bereits einbehalten wurde.
Kritik und Entwicklung der Abgeltungssteuer
Kritikpunkte
- Regressive Wirkung: Da der Steuersatz unabhängig vom Gesamteinkommen gilt, wird häufig kritisiert, dass die Abgeltungssteuer einen niedrigeren Steuersatz als hohe Arbeitseinkommen aufweist.
- Steuergerechtigkeit: Insbesondere die steuerliche Privilegierung von Kapitaleinkünften wird mit Bezug zur Belastung anderer Einkunftsarten diskutiert.
- Umgehungsmöglichkeiten: Der internationale Kapitalverkehr und unterschiedliche nationale Steuerregimes können Umgehungstatbestände erleichtern.
Reformüberlegungen
Immer wieder bestehen politische Diskussionen über die Abschaffung oder Reform der Abgeltungssteuer. Insbesondere die Rückkehr zur progressiven Besteuerung von Kapitaleinkünften ist wiederholt Gegenstand parlamentarischer Initiativen.
Abgeltungssteuer und Meldepflichten
Eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit der Abgeltungssteuer spielt das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG). Durch Regelungen wie das Common Reporting Standard (CRS) wird der Austausch von Bankdaten zwischen Staaten geregelt, um Kapitalflucht zu unterbinden.
Gesetzliche Vorschriften im Überblick
- Einkommensteuergesetz (EStG): §§ 20, 32d, 43
- Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung (KapEStDV)
- Investmentsteuergesetz (InvStG)
- Körperschaftsteuergesetz (KStG)
- Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG)
- Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
Fazit:
Die Abgeltungssteuer bildet ein zentrales Element der steuerlichen Erfassung von Kapitaleinkünften in Deutschland. Sie regelt einheitlich und pauschal die Besteuerung privater Kapitalerträge und wurde mit dem Ziel der Vereinfachung und Transparenz eingeführt. Der Anwendungsbereich, die Höhe sowie zahlreiche Detailregelungen und Ausnahmetatbestände machen eine genaue Befassung mit den einschlägigen gesetzlichen Regelungen erforderlich. Für die Bewertung und korrekte Anwendung der Abgeltungssteuer ist insbesondere die Berücksichtigung aktueller Gesetzesänderungen sowie der internationalen steuerlichen Rahmenbedingungen von Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist zur Abführung der Abgeltungssteuer verpflichtet?
Zur Abführung der Abgeltungssteuer sind grundsätzlich die inländischen Kreditinstitute verpflichtet, die als sog. „zahlende Stelle“ fungieren. Das bedeutet, Banken, Broker oder andere Finanzdienstleister, bei denen ein Anleger ein Depot oder Konto führt, sind gesetzlich dazu verpflichtet, die auf Kapitalerträge anfallende Abgeltungssteuer einzubehalten und direkt an das Finanzamt abzuführen. Dieser Einbehalt erfolgt automatisch bei Zufluss der Erträge, wie z.B. Dividenden, Zinsen oder Veräußerungsgewinnen. Ausländische Institute sind hingegen nicht verpflichtet, die Steuer abzuführen, womit in solch einem Fall der Steuerpflichtige selbst für die ordnungsgemäße Versteuerung verantwortlich ist. In seltenen Fällen kann der Steuerpflichtige die Kapitaleinkünfte in der Steuererklärung angeben, beispielsweise wenn der Freistellungsauftrag nicht ausgenutzt oder bereits überschritten wurde bzw. keine automatische Steuerabführung durch die Bank erfolgte.
Können Verluste aus Kapitalanlagen mit Gewinnen verrechnet werden?
Ja, Verluste aus Kapitalanlagen können mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen im Rahmen der Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 EStG verrechnet werden. Allerdings ist zu beachten, dass nur Verluste aus Kapitalvermögen mit positiven Einkünften aus derselben Einkunftsart verrechnet werden dürfen (sog. horizontaler Verlustausgleich). Verluste aus Aktienverkäufen können beispielsweise ausschließlich mit Gewinnen aus Aktienverkäufen (nicht mit Zinsen oder anderen Kapitaleinkünften) verrechnet werden. Banken führen hierfür Verlustverrechnungstöpfe, die entsprechend separat für Aktien und andere Kapitalanlagen geführt werden. Ein Ausgleich mit anderen Einkunftsarten (z.B. aus Vermietung oder nichtselbständiger Arbeit) ist nicht zulässig. Nicht verrechnete Verluste können ins nächste Steuerjahr vorgetragen werden.
Wird die Abgeltungssteuer auch auf ausländische Kapitalerträge erhoben?
Auch auf ausländische Kapitalerträge, wie Dividenden oder Zinsen aus dem Ausland, fällt grundsätzlich die deutsche Abgeltungssteuer an, sofern der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in Deutschland hat und damit unbeschränkt steuerpflichtig ist. Werden diese Erträge bei einem inländischen Kreditinstitut gutgeschrieben, erfolgt der automatische Steuerabzug wie bei inländischen Erträgen. Bei einem ausländischen Institut ist der Steuerpflichtige verpflichtet, die Erträge im Rahmen der Einkommensteuererklärung anzugeben. Eventuelle ausländische Quellensteuern können unter bestimmten Voraussetzungen auf die deutsche Abgeltungssteuer angerechnet werden, allerdings in der Regel nur bis zu einer Höhe von 15 % gemäß Doppelbesteuerungsabkommen.
Gibt es Ausnahmen von der Abgeltungssteuerpflicht?
Es bestehen verschiedene Ausnahmeregelungen von der Abgeltungssteuer. So sind natürliche Personen, deren zu versteuerndes Einkommen den Grundfreibetrag nicht überschreitet, auf Antrag von der Abgeltungssteuer ausgenommen. Ebenso sind Körperschaften, die nicht körperschaftsteuerpflichtig sind, wie z.B. gemeinnützige Organisationen, von der Besteuerung ausgenommen. Kapitalerträge aus bestimmten Altbeständen (z.B. Wertpapiere, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden und die seitdem im Bestand sind), unterliegen in einigen Fällen nicht der Abgeltungssteuer, sondern ggf. der alten Regelung der Spekulationsfrist. Zudem können Anleger durch einen Freistellungsauftrag Kapitalerträge bis zu einer bestimmten Höhe (Sparerpauschbetrag) von der Abgeltungssteuer befreien lassen.
Was passiert, wenn kein Freistellungsauftrag erteilt wurde?
Wird kein Freistellungsauftrag bei der Bank hinterlegt, wird die Abgeltungssteuer auf sämtliche Kapitalerträge einbehalten, unabhängig davon, ob der Sparerpauschbetrag bereits ausgeschöpft wurde oder nicht. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige im Rahmen der Einkommensteuererklärung eine Günstigerprüfung beantragen und die zu viel gezahlte Abgeltungssteuer über die Einkommensteuererklärung mit dem Sparerpauschbetrag verrechnen lassen. Die Rückerstattung erfolgt dann nach Abschluss der Veranlagung durch das zuständige Finanzamt. Fehlt die entsprechende Angabe, besteht keine automatische Rückerstattung der zu viel gezahlten Steuer.
Wie werden Ehegatten bei der Abgeltungssteuer behandelt?
Ehegatten können getrennte oder gemeinsame Freistellungsaufträge bis zum gemeinsamen Höchstbetrag des Sparerpauschbetrags (aktuell 2.000 Euro für zusammenveranlagte Ehegatten/Lebenspartner) erteilen. Grundsätzlich erfolgt die Besteuerung von Kapitalerträgen für gemeinsam veranlagte Ehegatten getrennt pro Person, es sei denn, die Kapitaleinkünfte stammen aus gemeinsam geführten Konten oder Depots, dann wird der Sparerpauschbetrag auf die gemeinsamen Erträge angewendet. Wird mehr Steuer als notwendig abgeführt, weil beispielsweise ein Depot ausschließlich auf einen Ehegatten läuft, kann der zu viel gezahlte Betrag im Wege der Einkommensteuerveranlagung erstattet werden.
Welche Informationspflichten bestehen gegenüber dem Finanzamt?
Die dem Steuerabzug unterliegenden Kapitalerträge werden von der jeweiligen Bank jährlich an das Bundeszentralamt für Steuern gemeldet. Der Steuerpflichtige ist allerdings verpflichtet, Kapitalerträge, die nicht automatisch der Abgeltungssteuer unterliegen (insbesondere Erträge aus ausländischen Depots oder Anlagen, für die keine Steuerbescheinigung vorliegt), eigenständig in der Einkommensteuererklärung anzugeben. Auch der Erhalt von Steuerbescheinigungen und die korrekte Führung von Nachweisen über Verlustverrechnungstöpfe sind Teil der gesetzlichen Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen. Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Unterlassung drohen Nachforderungen und ggf. steuerstrafrechtliche Konsequenzen.