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Abfangen von Daten


Abfangen von Daten: Rechtliche Definition und Einordnung

Das Abfangen von Daten ist ein zentraler Begriff des Datenschutzrechts und der strafrechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit der Informations- und Kommunikationstechnologie. Er beschreibt das unbefugte Erlangen, Überwachen oder Aufzeichnen von digitalen Informationen während ihrer Übermittlung oder aus einem Kommunikationsvorgang. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte ausführlich, ordnet den Begriff systematisch ein und stellt die maßgeblichen Regelungen und Rechtsfolgen dar.


Begriffsbestimmung: Was bedeutet Abfangen von Daten?

Technischer und rechtlicher Kontext

Unter dem Abfangen von Daten versteht man im rechtlichen Sinne das gezielte Erlangen von Daten beim Transport zwischen Sender und Empfänger, üblicherweise ohne Wissen oder Zustimmung der Kommunikationsparteien. Technisch erfolgt das Abfangen häufig mittels sogenannter „Sniffer“, Protokollanalysatoren oder ähnlicher Überwachungstechnologien, die Datenpakete aus laufenden Kommunikationsprozessen auslesen.

Abgrenzung zu anderen Handlungen

Das Abfangen von Daten unterscheidet sich vom Ausspähen von Daten oder einem bloßen Datenmissbrauch dadurch, dass es unmittelbar während der Übertragung erfolgen muss und regelmäßig einen Eingriff von außen in den Austauschvorgang darstellt. Die Erlangung von Daten aus bereits gespeicherten Quellen stellt demgegenüber keinen Fall des Abfangens, sondern andere Tatbestände wie das Ausspähen oder die unbefugte Datenverarbeitung dar.


Rechtliche Regelungen zur Datenabfangung in Deutschland

Strafrechtliche Vorschriften

§ 202b StGB: Abfangen von Daten

Den gesetzlichen Ausgangspunkt bildet § 202b Strafgesetzbuch (StGB). Danach macht sich strafbar, wer unbefugt Daten, die nicht für ihn bestimmt und gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, während ihrer nichtöffentlichen Übertragung oder Speicherung mit technischem Mitteln abfängt.

Tatbestandsmerkmale:

  • Unbefugtheit: Die Handlung muss ohne Berechtigung erfolgen.
  • Nicht für den Täter bestimmt: Die Daten sind für Dritte bestimmt bzw. nicht für die abfangende Person.
  • Besondere Sicherung: Es müssen Sicherungsmaßnahmen gegen den Zugang Unberechtigter bestehen (z. B. Verschlüsselung).
  • Nicht öffentliche Übertragung: Die Kommunikation erfolgt vertraulich, nicht für die Allgemeinheit bestimmt.

Das Gesetz schützt die Integrität und Vertraulichkeit elektronischer Kommunikationsvorgänge. Die Strafandrohung umfasst Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

Weitere relevante Normen

Neben § 202b StGB können je nach Einzelfall auch weitere Straftatbestände erfüllt werden, beispielsweise:

  • § 202a StGB – Ausspähen von Daten
  • § 202c StGB – Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten
  • § 303a StGB – Datenveränderung
  • § 303b StGB – Computersabotage

Datenschutzrechtliche Aspekte

Gemäß Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) stellt das Abfangen von personenbezogenen Daten regelmäßig einen Verstoß gegen den Grundsatz von Vertraulichkeit und Integrität dar. Unternehmen und öffentliche Stellen sind zu technischen und organisatorischen Maßnahmen verpflichtet, um ein Abfangen oder einen unbefugten Zugriff auszuschließen.

Betroffenenrechte: Kommt es zum unrechtmäßigen Abfangen personenbezogener Daten, können Betroffene u. a. Schadenersatzansprüche gemäß Art. 82 DSGVO und Informationsrechte geltend machen.

Gesetz zur Überwachung der Telekommunikation

Bestimmungen zum Abfangen von Daten finden sich auch im Telekommunikationsgesetz (TKG) und im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10). Diese normieren Voraussetzungen, unter denen staatliche Stellen etwa zum Zweck der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr Telekommunikation überwachen dürfen.

Erlaubnisvorbehalt: Eine gesetzliche Grundlage ist dabei zwingend notwendig; private Parteien dürfen grundsätzlich keine Telekommunikationsvorgänge abfangen.


Rechtliche Besonderheiten und Ausnahmen

Erlaubtes Abfangen: Zulässige Überwachung

Bestimmte gesetzliche Erlaubnistatbestände erlauben das Abfangen von Daten, z. B. im Rahmen:

  • Strafprozessualer Ermittlungen (§§ 100a, 100b Strafprozessordnung)
  • Nachrichtendienstlicher Tätigkeiten gemäß G10-Gesetz
  • Telekommunikationsüberwachung mit richterlicher Anordnung

Anforderungen: Voraussetzung sind immer ein hinreichender Anfangsverdacht, eine gerichtliche Anordnung und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.

Gewerbliche und arbeitsrechtliche Konstellationen

Das Abfangen von Daten im betrieblichen Umfeld – etwa zu Kontrollzwecken – unterliegt engen Vorgaben des Datenschutz- und Arbeitsrechts. Arbeitnehmer sind durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Fernmeldegeheimnis geschützt. Eingriffe sind ausschließlich im engen Rahmen des § 26 BDSG und auf Basis berechtigter Interessen zulässig.


Internationale Regelungen und Harmonisierung

Das Abfangen von Daten ist auch auf internationaler Ebene geregelt. Die Budapester Übereinkommen über Computerkriminalität (Cybercrime Convention) fordert von den Vertragsstaaten die Kriminalisierung des unbefugten Abfangens von Daten. Die EU-Richtlinien zur Datenschutz- und Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ePrivacy-Richtlinie) verpflichten ebenfalls zum Schutz vor unbefugtem Datenabfang.


Rechtsfolgen und Sanktionen

Strafrechtliche Konsequenzen

Unbefugtes Abfangen von Daten kann zur Strafverfolgung führen. Die möglichen Rechtsfolgen reichen von Geld- bis zu Freiheitsstrafen. Verschärfend wirken besonders schwere Fälle oder wenn sensible Daten (z. B. Kreditkartendaten) betroffen sind.

Zivilrechtliche und sonstige Folgen

Betroffene können auf Unterlassung, Beseitigung und Schadenersatz klagen. Außerdem drohen Sanktionen nach DSGVO wie hohe Bußgelder. Berufsrechtliche Konsequenzen, Reputationsschäden und die Verpflichtung zur Meldung von Datenschutzvorfällen sind weitere mögliche Folgen.


Schutzmaßnahmen gegen Datenabfangen

Technische Maßnahmen

  • Einsatz von Verschlüsselungstechnologien (z. B. TLS, VPN)
  • Sichere Authentifizierungsverfahren
  • Firewalls und Intrusion-Detection-Systeme

Organisatorische Maßnahmen

  • Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeitenden
  • Erstellung und Überprüfung von Sicherheitsrichtlinien
  • Regelmäßige Audits und Überwachung der IT-Infrastruktur

Fazit

Das Abfangen von Daten ist rechtlich vielschichtig geregelt. Während der unbefugte Zugriff im deutschen Recht unter Strafe gestellt ist, können im staatlichen und betrieblichen Kontext enge gesetzliche Ausnahmen greifen. Unternehmen und andere Datenverarbeiter sind verpflichtet, geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen, um Datenabfangen zu verhindern und Haftungsrisiken zu minimieren.


Relevante Gesetze und Vorschriften (Auswahl):

  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere § 202b
  • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
  • Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
  • Telekommunikationsgesetz (TKG)
  • Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10)
  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Übereinkommen über Computerkriminalität (Cybercrime Convention)

Hinweis: Die rechtlichen Vorgaben zum Abfangen von Daten unterliegen einer ständigen Fortentwicklung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der internen Prozesse und technischen Vorkehrungen ist empfehlenswert.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist das Abfangen von Daten nach deutschem Recht strafbar?

Das Abfangen von Daten ist in erster Linie durch § 202b Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Strafbar macht sich, wer unbefugt Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, mit technischen Mitteln aus einer nicht öffentlichen Datenübertragung abfängt. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass die betroffenen Daten zumindest gegen einfachen Zugriff geschützt sind, etwa durch Passwörter, Verschlüsselung oder vergleichbare technische Maßnahmen. Auch das Abfangen in offenen Netzwerken kann bereits strafbar sein, wenn eine individuell adressierte Kommunikation abgefangen wird (z. B. E-Mails im offenen WLAN). Die Strafe kann eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe sein. Zudem ist zu beachten, dass neben der strafrechtlichen auch eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit – etwa Schadensersatzansprüche oder Unterlassung – drohen kann.

Gibt es Ausnahmen, bei denen das Abfangen von Daten erlaubt ist?

Ja, das Gesetz sieht unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen vor. So kann das Abfangen von Daten erlaubt sein, wenn der Inhaber der Daten ausdrücklich eine Einwilligung erteilt hat. Ebenso sind behördliche Maßnahmen im Rahmen von Überwachungsmaßnahmen gemäß der Strafprozessordnung (StPO) unter strengen Voraussetzungen möglich. Behörden benötigen hierzu in der Regel einen richterlichen Beschluss, und die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein. Auch Administratoren dürfen im Rahmen ihrer Aufgaben Daten überwachen oder abfangen, wenn dies zur Wahrung der Funktionalität, Sicherheit oder zur Aufklärung von Störungen unabdingbar ist – dies setzt jedoch meist eine vorherige Information oder Zustimmung der Betroffenen voraus.

Wie verhält sich das Abfangen von Daten im Arbeitsverhältnis?

Im Arbeitsverhältnis ist das Abfangen von Daten problematisch und stark reglementiert. Arbeitgeber dürfen Datenströme ihrer Beschäftigten grundsätzlich nicht ohne deren Wissen und Einwilligung überwachen. Ausnahmen bestehen nur, wenn ein begründeter Verdacht auf eine strafbare Handlung besteht und mildere Mittel ausgeschöpft sind (Verhältnismäßigkeitsprinzip), oder wenn eine klare arbeitsvertragliche Regelung, Betriebsvereinbarung oder gesonderte Einwilligung vorliegt. Verstöße gegen diese Vorgaben können neben strafrechtlichen Konsequenzen auch arbeitsrechtliche, zivilrechtliche und datenschutzrechtliche Folgen für Unternehmen und verantwortliche Personen haben.

Welche Rolle spielt das Telekommunikationsgesetz (TKG) beim Abfangen von Daten?

Das Telekommunikationsgesetz (TKG) ergänzt die Regelungen des Strafgesetzbuchs und enthält umfangreiche Bestimmungen zum Schutz der Vertraulichkeit und Integrität von Telekommunikationsdaten. Insbesondere § 88 TKG normiert das Fernmeldegeheimnis und verbietet das unbefugte Abhören, Speichern oder Weitergeben von Telekommunikationsinhalten. Telekommunikationsanbieter sind daher besonders strengen gesetzlichen Vorgaben unterworfen und dürfen Daten – anders als Privatpersonen oder Unternehmen – praktisch nie abfangen, es sei denn, es liegt eine explizite gesetzliche Erlaubnis (z. B. im Rahmen von Ermittlungsverfahren) vor.

Welche zivilrechtlichen Konsequenzen drohen beim unbefugten Abfangen von Daten?

Neben der Strafverfolgung sind auch zivilrechtliche Sanktionen möglich. Geschädigte können Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Beseitigung geltend machen. Häufig wird der unbefugte Datenzugriff zudem als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder als Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewertet. Unter Umständen kommt auch ein Anspruch auf Herausgabe der erlangten Daten sowie auf Auskunft über die Herkunft und Weitergabe der Daten in Betracht. Außerdem können wettbewerbsrechtliche Ansprüche entstehen, etwa durch das Ausspähen von Geschäftsgeheimnissen gemäß dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG).

Gibt es Unterschiede beim Abfangen von privaten und geschäftlichen Daten?

Ja, im rechtlichen Kontext besteht ein bedeutender Unterschied zwischen privaten und geschäftlichen Daten. Während bei privaten Daten häufig das Persönlichkeitsrecht und das Datenschutzrecht dominieren, sind bei geschäftlichen Daten insbesondere das Geschäftsgeheimnisgesetz, das Wettbewerbsrecht und zivilrechtliche Ansprüche relevant. Das unbefugte Abfangen von Geschäftsgeheimnissen kann beispielsweise besonders schwerwiegende strafrechtliche und zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen. Bei beiden Arten von Daten gilt jedoch, dass das Einverständnis des Berechtigten eine zentrale Rolle spielt.

Welche Bedeutung hat die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beim Abfangen von Daten?

Die DSGVO verpflichtet jeden, der personenbezogene Daten verarbeitet, zu einem rechtmäßigen Umgang mit diesen. Das unbefugte Abfangen personenbezogener Daten stellt eine unzulässige Verarbeitung dar und kann erhebliche Bußgelder durch Aufsichtsbehörden nach sich ziehen. Die Betroffenen haben umfangreiche Rechte, etwa auf Auskunft, Löschung oder Schadensersatz. Auch Unternehmen sind angehalten, technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um das Abfangen von Daten – etwa durch Firewall- und Verschlüsselungstechnologien – zu verhindern. Verstöße können nicht nur zivil- und strafrechtliche Konsequenzen, sondern auch erhebliche Reputationsschäden nach sich ziehen.