Versorgungsausgleich bei schwerer Körperverletzung mit Erblindung

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Versorgungsausgleich: Ausschluss bei gravierenden ehebedingten Straftaten

Die Frage, ob der Versorgungsausgleich im Falle schwerwiegender ehewidriger Handlungen ausgeschlossen werden kann, beschäftigt regelmäßig die Familiengerichte. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart (Az.: 11 UF 222/24, veröffentlicht am 22. Juli 2025) befasst sich mit einer Konstellation, die insbesondere die Grenzen des Versorgungsausgleichs bei erheblichem Fehlverhalten eines Ehegatten neu ausleuchtet.

Hintergrund des Versorgungsausgleichs

Der Versorgungsausgleich bezweckt, bei einer Ehescheidung die während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf eine Alters- oder Invaliditätsversorgung zwischen den Ehepartnern zu teilen. Die gesetzlichen Regelungen im Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) basieren auf dem Gedanken des ehelichen Ausgleichs und der solidarischen Partnerschaft.

Im Ausnahmefall kann gemäß § 27 VersAusglG der vollständige oder teilweise Ausschluss des Versorgungsausgleichs erfolgen, wenn die Durchführung für den ausgleichspflichtigen Ehegatten grob unbillig wäre. Die Anwendung dieses Ausschlusstatbestands ist an besonders hohe Anforderungen gebunden.

Der Fall: Körperverletzung mit schwerwiegender Folge

Dem OLG Stuttgart lag die Beschwerde eines Ehemannes zugrunde, dessen Ehefrau im Verlauf der Ehe durch eine schwere Körperverletzung auf einem Auge erblindete. Die Tat hatte strafrechtliche Relevanz; der Ehemann war infolgedessen strafrechtlich verurteilt worden. Nach Einleitung des Scheidungsverfahrens begehrte die Ehefrau vollen Versorgungsausgleich unter Verweis auf die gemeinsame Ehezeit.

Das Amtsgericht hatte den Ausgleich zunächst ausgeschlossen. Im Beschwerdeverfahren musste das OLG Stuttgart beurteilen, inwieweit die schwere Tat das Eheprinzip der Solidarität derart erschüttert, dass ein finanzieller Ausgleich nicht mehr zu rechtfertigen ist.

Maßstäbe der Unbilligkeit im Versorgungsausgleich

Abwägung der Einzelfallumstände

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Prüfung des § 27 VersAusglG eine sorgfältige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. In Betracht kommen insbesondere schwere Vergehen, die sich unmittelbar gegen den anderen Ehegatten richten und geeignet sind, das Vertrauensverhältnis zwischen den Ehepartnern nachhaltig zu zerstören.

Im vorliegenden Fall waren eine erhebliche, mit einer schweren dauerhaften Beeinträchtigung einhergehende Gewaltanwendung, die nachhaltige psychische und physische Folgen für die Ehefrau hatte, das maßgebliche Kriterium.

Relevanz des Strafverfahrens

Das Strafverfahren hatte die Schuldfrage bereits mit hinreichender rechtsstaatlicher Gewissheit geklärt. Nach Ansicht des OLG ist das Vorliegen einer schweren Körperverletzung mit bleibendem Schaden (Erblindung auf einem Auge) eine Verfehlung von solcher Intensität, dass die Grundvoraussetzungen für einen Versorgungsausgleich nicht mehr erfüllt sind.

Folgen für den Versorgungsausgleich

Das OLG Stuttgart bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und stellte klar, dass eine gravierende Verletzung mit lebenslangen Folgen – wie im Streitfall – den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG rechtfertigen kann. Dabei sei nicht nur auf die strafrechtliche Wertung abzustellen, sondern vor allem auf die konkreten ehelichen Verhältnisse und das daraus abgeleitete Maß der Unzumutbarkeit für den ausgleichspflichtigen Ehegatten.

Keine automatische Anwendung

Es ist jedoch auch nach einer schweren Straftat stets eine Abwägung erforderlich. Der Versorgungsausgleich ist kein Belohnungs- oder Strafmechanismus für eheliche Verfehlungen, sondern ein Ausgleich für gemeinsam Erworbenes. Nur bei besonders krassen Fällen, bei denen das Verhalten eines Ehegatten einer endgültigen Zerstörung der ehelichen Solidarität gleichkommt, kann der Ausschluss gerechtfertigt sein.

Bewertung und Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil des OLG Stuttgart unterstreicht die hohe Schwelle für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs und verdeutlicht, dass ausschließlich schwerste Verfehlungen mit nachhaltigen Folgen für das Opfer diese Ausnahme begründen können. Zugleich wird deutlich, dass die Familiengerichte gehalten sind, sämtliche Umstände, insbesondere auch die genauen Auswirkungen auf das Opfer, umfassend zu berücksichtigen.

Durch diese Entscheidung wird der Grundsatz der ehelichen Solidarität gewahrt, ohne den Schutzzweck des Gesetzes zu unterlaufen. Für Betroffene in ähnlich gelagerten Fällen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, die besondere Schwere und die konkreten Folgen der ehelichen Verfehlung sorgfältig darzulegen.

Einzelfallbezogene Betrachtung im Fokus

Es bleibt dabei: Die Beurteilung, ob der Versorgungsausgleich in extremen Konfliktfällen ausgeschlossen werden kann, ist immer an den Umständen des konkreten Einzelfalls zu messen. Die Gerichte haben einen weiten Abwägungsspielraum, der jedoch durch die hohe Eingriffsintensität dieses Ausnahmetatbestands begrenzt wird.


Für Fragen im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich, den gesetzlichen Möglichkeiten eines Ausschlusses sowie bei der rechtlichen Einschätzung besonderer Einzelfallkonstellationen stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal gerne als Anlaufstelle zur Verfügung, um die maßgeblichen Gesichtspunkte gemeinsam zu erfassen und den sicheren Umgang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen zu unterstützen.

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