Unterstützungsstreik und gemeinsamer Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit

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Hintergrund und Bedeutung des Unterstützungsstreiks

Ein Unterstützungsstreik stellt eine spezifische Form des Arbeitskampfes dar, bei dem Arbeitnehmergruppen in Solidarität mit einer anderen tariffähigen Partei in den Arbeitskampf treten, um deren Verhandlungsposition zu stärken oder eine Einigung zu begünstigen. Im Fokus der aktuellen Diskussion steht die Frage, inwieweit ein solcher Unterstützungsstreik – insbesondere im Zusammenhang mit einem gemeinsamen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nach § 5 TVG – arbeitsrechtlich zulässig ist.

Mit Urteil vom 9. Oktober 2024 (Az.: 8 SLa 582/24) hat das Landesarbeitsgericht Köln einen bedeutsamen Akzent gesetzt. Das Gericht hat die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Unterstützungsstreiks zugunsten eines gemeinsamen Antrags auf Allgemeinverbindlichkeit einer näheren Überprüfung unterzogen und dabei insbesondere die Zweckrichtung, die Tariffähigkeit der Beteiligten und das Verhältnis von Arbeitskampf und Tarifautonomie berücksichtigt.

Rechtliche Rahmenbedingungen für Arbeitskampfmaßnahmen

Tarifautonomie und Arbeitskampf

Die Tarifautonomie, geschützt durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz, bildet den normativen Rahmen des Arbeitskampfrechts. Sie erlaubt es den Tarifvertragsparteien, Arbeitskämpfe als ultima ratio zur Durchsetzung kollektivrechtlicher Ziele einzusetzen. Klassischerweise zielen Streiks darauf ab, Tarifabschlüsse herbeizuführen oder bestimmte Forderungen – z.B. Lohn- und Arbeitszeitregelungen – durchzusetzen.

Abgrenzung: Unterstützungsstreik und Hauptarbeitskampf

Im Gegensatz zum Hauptarbeitskampf, der unmittelbar auf eigene tarifpolitische Ziele abstellt, ist der Unterstützungsstreik ein aktives Beistandsinstrument für eine andere Gewerkschaft oder Beschäftigtengruppe und besitzt eine subsidiäre Funktion. Die Zulässigkeit eines Unterstützungsstreiks hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, etwa davon, ob ein tariffähiger Tarifzweck verfolgt wird und eine Arbeitskampflage vorliegt.

Fokus: Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit

Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags gemäß § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) ist ein zentraler Hebel der Flächentarifbindung in Deutschland. Mit einem solchen Antrag kann erreicht werden, dass wesentliche Tarifinhalte auch auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausstrahlen. Für die Zulässigkeit eines Unterstützungsstreiks mit dem Ziel, einen gemeinsamen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit herbeizuführen, ist entscheidend, ob dieses Ziel als von der Tarifautonomie erfasst und als legitimes Arbeitskampfziel angesehen werden kann.

Zentrale Erwägungen des LAG Köln

Das Landesarbeitsgericht Köln hat in dem genannten Beschluss besondere Maßstäbe zur rechtlichen Beurteilung von Unterstützungsstreiks entwickelt:

Legitimes Arbeitskampfziel

Nach der Rechtsprechung muss ein Streik regelmäßig ein tariflich regelbares Ziel verfolgen. Ein gemeinsamer Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung steht dem formal gegenüber, da er nicht zwingend auf eine Änderung des Tarifvertragsinhalts, sondern auf dessen rechtliche Ausweitung zielt. Das Gericht prüft daher, ob die Erweiterung des Geltungsbereichs – als Mittel, die Wirksamkeit eines Tarifvertrags zu sichern – als ausreichend tariffähiges Ziel gelten kann.

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Zentraler Prüfungsmaßstab bleibt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein Unterstützungsstreik muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Dabei kommt es insbesondere auf die Auswirkungen des Streiks auf Drittbetroffene und auf das Maß der Beeinträchtigung der unternehmerischen Betätigungsfreiheit an.

Keine Umgehung der Tariffähigkeit

Maßgeblich ist ferner, dass der Arbeitskampf nicht als Vehikel zur Umgehung tarifrechtlicher Voraussetzungen missbraucht wird. Zwingend ist, dass der Unterstützungsstreik nicht eigenständige, außerhalb der Tarifautonomie liegende Zwecke verfolgt, sondern klar im Kontext eines tariffähigen Gesamtziels steht.

Auswirkungen auf Praxis und Tarifpartnerschaft

Die Entscheidung des LAG Köln präzisiert die Voraussetzungen, unter denen ein Unterstützungsstreik im Kontext eines gemeinsamen Antrags auf Allgemeinverbindlichkeit zulässig sein kann. Sie stärkt die Bedeutung der Tarifautonomie, stellt aber zugleich klar, dass Arbeitskampfmaßnahmen auf einen hinreichend bestimmten, tarifrechtlich relevanten Zweck ausgerichtet sein müssen. Für Arbeitgeber und Gewerkschaften bedeutet dies, dass Unterstützungsstreiks sorgfältig auf ihre Zielrichtung und ihre Rechtsgrundlage hin überprüft werden müssen.

Zudem unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, die Grenze zwischen legitimen Arbeitskampfmitteln und rechtsmissbräuchlichen Streikformen scharf zu ziehen. Somit schafft die Entscheidung einen wichtigen Orientierungsrahmen für künftige Tarifauseinandersetzungen, in denen die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen eine tragende Rolle einnimmt.

Bedeutung für Unternehmen und Arbeitnehmer

Unternehmen sind gut beraten, die Entwicklung im Arbeitskampfrecht und die Rechtsprechung zur Allgemeinverbindlichkeit aufmerksam zu beobachten, da sich dies direkt auf betriebliche Abläufe, Personalstrategien sowie auf die Planung und Durchführung von Tarifverhandlungen auswirken kann. Auch für Arbeitnehmer und ihre Interessenvertretungen eröffnet die Entscheidung neue Perspektiven für kollektive Auseinandersetzungen im Rahmen der tariflichen Ordnung.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung des LAG Köln verdeutlicht, dass die Zulässigkeit von Unterstützungsstreiks mit dem besonderen Ziel eines gemeinsamen Antrags auf Allgemeinverbindlichkeit einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung unterliegt und von mehreren Voraussetzungen abhängt. Insbesondere die Vereinbarkeit mit der Tarifautonomie, ein klar umrissenes Arbeitskampfziel und die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stehen im Mittelpunkt der rechtlichen Bewertung.

Diese Präzisierung der arbeitskampfrechtlichen Rahmenbedingungen schafft sowohl für Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite einen verlässlicheren Orientierungsmaßstab für die Organisation und Beurteilung von Unterstützungsstreiks in der tariflichen Praxis.

Für Unternehmen, Arbeitnehmervertretungen und sonstige Tarifbeteiligte empfiehlt es sich aufgrund der vielschichtigen rechtlichen Fragestellungen, aktuelle Entwicklungen fortlaufend zu verfolgen und bei weitergehenden Fragen eine qualifizierte rechtliche Prüfung vorzunehmen.

Für den Fall, dass Sie vertiefte Informationen oder individuelle rechtliche Erörterungen zu arbeitskampfrechtlichen Aspekten und deren Auswirkungen auf Ihr Unternehmen wünschen, stehen Ihnen die Rechtsanwälte bei MTR Legal gerne zur Verfügung.

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