Zulässigkeit von Übersetzungen durch nicht vereidigte Personen aus dem Umfeld einer Partei im Schiedsverfahren
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 3. August 2022 (Az.: 26 Sch 19/21) eine praxisrelevante Entscheidung zur Übersetzung von Zeugenaussagen im Rahmen schiedsgerichtlicher Verfahren getroffen. Streitgegenstand war die Frage, ob es zulässig ist, wenn eine Person, die einer der am Schiedsverfahren beteiligten Parteien zuzurechnen ist und nicht allgemein beeidigt wurde, die Übersetzung der Aussage eines Zeugen während des Schiedsverfahrens übernimmt. Die Entscheidung verdeutlicht die Flexibilität und Eigenständigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrensrechts im Hinblick auf die Verfahrensgestaltung und wirft für Parteien und deren Organvertreter neue Überlegungen auf.
Schiedsverfahren: Autonomie und Verfahrensgrundsätze
Eigenständige Gestaltungsmöglichkeiten
Die Verfahrensautonomie zählt zu den prägenden Merkmalen des Schiedsverfahrens. Parteien und Schiedsrichterkollegien können weite Teile des Prozessablaufes selbst bestimmen. Das betrifft auch die Auswahl von Übersetzerinnen und Übersetzern für Zeugenaussagen, sofern keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen oder Interessenkonflikte offensichtlich werden. Das OLG Frankfurt hat in seiner Entscheidung bestätigt, dass bei der Übersetzung von Zeugenaussagen nicht zwingend auf allgemein beeidigte Dolmetscherinnen oder Dolmetscher zurückgegriffen werden muss, sondern auch parteinahe Personen eingesetzt werden dürfen.
Gewährleistung des rechtlichen Gehörs
Ein zentraler Baustein des Schiedsverfahrens bleibt jedoch die Sicherstellung des rechtlichen Gehörs. Auch bei flexibler Verfahrensgestaltung muss sichergestellt sein, dass alle Verfahrensbeteiligten substantiell in der Lage sind, den wesentlichen Inhalt der Zeugenaussagen zu erfassen und Stellung zu nehmen. Das OLG Frankfurt betonte insoweit die Bedeutung der sogenannten „Verfahrensfairness“. Sollten Zweifel an der Korrektheit der Übersetzung bestehen oder der Verdacht unsachlicher Einflussnahme aufkommen, ist es geboten, dass das Schiedsgericht angemessene Maßnahmen – wie etwa die Hinzuziehung eines neutralen Dolmetschers – in Erwägung zieht.
Grenzen der Parteiautonomie: Keine starre Bindung an gerichtliche Praxis
Unterschied zum staatlichen Gerichtsverfahren
Die Entscheidung hebt hervor, dass das Schiedsverfahrensrecht von den prozessualen Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) abweicht, die für staatliche Gerichtsverfahren maßgeblich sind. Während in gerichtlichen Verfahren überwiegend auf öffentlich bestellte und vereidigte Übersetzer zurückgegriffen wird, kann im Schiedsverfahren von diesem Grundsatz bewusst abgewichen werden. Hier liegt die Priorität auf einer an die Besonderheiten des Einzelfalls angepassten und von den Parteien mitgestalteten Lösung. Die Parteien haben es selbst in der Hand, auf die Unparteilichkeit und Qualifikation eines Übersetzers hinzuwirken.
Kontrollmöglichkeiten im Nachgang
Das staatliche Gericht, das nach Abschluss des Schiedsverfahrens etwa im Aufhebungsverfahren mit einbezogen wird, überprüft lediglich, ob grundlegende Prinzipien – insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren – gewahrt wurden. Eine umfassende Kontrolle der Einzelheiten, wie der Auswahl und Bestellung des Übersetzers, findet grundsätzlich nicht statt, solange keine schwerwiegenden Verfahrensverstöße oder erkennbare Missbrauchsgefahr vorliegen. Das OLG Frankfurt ließ in seiner Entscheidung keine Anhaltspunkte für eine relevante Verletzung der Parteirechte erkennen.
Auswirkungen auf die schiedsgerichtliche Praxis und Verfahrensbeteiligte
Praktische Flexibilität und Risiken
Für Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen, die häufig Partei in nationalen oder internationalen Schiedsverfahren sind, eröffnet die Entscheidung einen erweiterten Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Verfahrens. Auch Personen aus dem Umfeld der Beteiligten – etwa Angestellte oder andere Vertrauenspersonen – können so Übersetzungen vornehmen, soweit das Schiedsgericht keine Bedenken hinsichtlich Unparteilichkeit und Korrektheit sieht. Dies kann sowohl Kosten- als auch Zeitersparnisse mit sich bringen.
Auf der anderen Seite sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass eine allzu weite Flexibilisierung auch mit Unsicherheiten verbunden sein kann. Gerade in grenzüberschreitenden Sachverhalten oder bei besonders strittigen Parteienkonstellationen bestehen mitunter erhöhte Anforderungen an die Transparenz und Integrität der Verfahrensführung. Schiedsgerichte bleiben daher gehalten, die Rahmenbedingungen im Lichte der verfassungsrechtlichen Grundsätze und des internationalen Schiedsverfahrensrechts zu prüfen.
Weiterführende rechtliche Einordnung
Die Entscheidung ist bislang rechtskräftig, es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen entwickeln wird. Für Parteien empfiehlt es sich, bei der Abfassung von Schiedsvereinbarungen und im Vorfeld geplanter Verfahren ihre Vorstellungen zur Übersetzung und Dolmetschung explizit im Verfahren zu adressieren sowie auf eine sorgfältige Dokumentation zu achten. Damit lassen sich potenzielle Auslegungskonflikte im Nachgang vermeiden.
Fazit
Das Urteil des OLG Frankfurt am Main unterstreicht die spezifische Eigenständigkeit schiedsgerichtlicher Verfahren im Verhältnis zu staatlichen Gerichtsprozessen und stärkt die Verfahrensautonomie der Parteien. Die Möglichkeit, parteinahe Personen zur Übersetzung von Zeugenaussagen heranzuziehen, kann das Verfahren flexibler, aber auch risikobehafteter gestalten, sofern das Schiedsgericht seinen Überwachungspflichten nicht gerecht wird. Maßgeblich bleibt letztlich stets die Gewährleistung eines fairen und für alle Beteiligten nachvollziehbaren Verfahrensablaufs.
Sollten im Zusammenhang mit der Durchführung schiedsgerichtlicher Verfahren Unsicherheiten zum Umgang mit Übersetzungen, Verfahrensgestaltung oder weiteren relevanten Strukturen entstehen, stehen die Rechtsanwälte bei MTR Legal mit umfassender Erfahrung in nationalen und internationalen Verfahren für eine vertrauliche Besprechung zur Verfügung.