Ausgangssituation: Auseinandersetzungen um Musiklizenzierung bei TikTok
Im Rahmen der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen TikTok und dem Rechteverwerter, vertreten durch die GEMA, hat das Landgericht München I durch Urteil vom 15. Februar 2024 (Az. 42 O 10792/22) eine bedeutsame Entscheidung im Kontext der Musiknutzung auf Social-Media-Plattformen getroffen. Hintergrund des Streits war die Frage, unter welchen Bedingungen TikTok urheberrechtlich geschützte Musikwerke auf seiner Plattform zugänglich machen durfte.
Sachverhalt
Die Streitigkeit entstand aus dem Umstand, dass TikTok von dem betroffenen Rechteverwerter keine weiterreichenden Lizenzen für bestimmte Musikwerke erworben hatte. Dennoch wurden diese Werke auf der Plattform für Nutzer bereitgestellt, sodass urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne Einwilligung der Rechteinhaber verwendet werden konnten. Dieses Vorgehen führte zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Nutzung sowie die Verpflichtung zur Unterlassung und Schadensersatz.
Entscheidung des Landgerichts München I
Das Landgericht München I stellte fest, dass TikTok die streitgegenständlichen Musikwerke öffentlich zugänglich gemacht hatte, ohne sich hinreichende Nutzungsrechte gesichert zu haben. Dem Rechteverwerter wurden Unterlassungsansprüche zugesprochen, da die erforderlichen Lizenzen nicht vorlagen und somit eine rechtswidrige Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke vorlag.
Begründung des Gerichts
Das Gericht führte aus, dass bereits dadurch, dass Nutzer die Musikwerke auf TikTok hochladen und einem unbegrenzten Nutzerkreis zugänglich machen können, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 19a UrhG vorliege. Die Verfügungsgewalt über die Plattform und deren Inhalte werde TikTok zugerechnet, sodass keine rein technische Mittlerrolle bestand. Das Gericht wies darauf hin, dass TikTok als Plattformbetreiber für die Bereitstellung der fiskalierten Werke haftet, sofern keine entsprechende Lizenz erteilt wurde.
Einschätzung der urheberrechtlichen Verantwortlichkeit
Im Einklang mit der zuvor ergangenen nationalen und europäischen Rechtsprechung wurde dem Verhalten von TikTok nicht der Charakter eines neutralen Plattformbetreibers zugebilligt. Vielmehr erkannte das Gericht an, dass durch die Funktionsweise der Plattform, welche Nutzern gezielt die Einbindung von Musikstücken ermöglicht, die Schwelle zur öffentlichen Wiedergabe überschritten wurde. Ein Freistellungsanspruch aufgrund einer behaupteten Haftungsprivilegierung lehnte das Gericht ab. Die maßgeblichen urheberrechtlichen Vorschriften sehen nach Auffassung der Kammer eine weitreichende Verantwortung des Plattformbetreibers vor, wenn eine musikrechtlich relevante Nutzung ermöglicht oder gefördert wird.
Verfahrensstand und Ausblick
Das Urteil des Landgerichts München I ist nicht rechtskräftig. TikTok bleibt der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit der Berufung auf die nächsthöhere Instanz grundsätzlich eröffnet. Die tatsächlichen und rechtlichen Implikationen des Urteils könnten daher auch im Rahmen einer Berufungsinstanz überprüft und neu bewertet werden. Es gilt die Unschuldsvermutung bis zum Abschluss aller anhängigen Rechtsmittelverfahren. Die vollständigen Entscheidungsgründe finden Sie unter urteile.news.
Bedeutung für Rechteinhaber und Plattformbetreiber
Die Entscheidung hat eine praxisrelevante Signalwirkung sowohl für Urheber und Rechteverwerter als auch für Anbieter digitaler Dienste, die ihren Nutzern den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten ermöglichen. Die Auseinandersetzung unterstreicht, in welchem Maße Lizenzen für Inhalte auf nutzergenerierten Plattformen unerlässlich sind und welche Haftungsrisiken ohne hinreichende Rechteklärung entstehen können. In der Folge ist mit einer weiterhin hohen Sensibilität im Bereich der Musiklizenzierung auf digitalen Plattformen zu rechnen.
Abschließend ist festzustellen, dass Fragen zum Umfang von Nutzungsrechten oder zur Haftung bei urheberrechtlich relevanten Sachverhalten eine erhebliche praktische und wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Für vertiefende Anliegen empfiehlt es sich, eine professionelle Rechtsberatung im Urheberrecht in Anspruch zu nehmen, um die individuellen Implikationen zu eruieren und passgenaue Absicherungsstrategien zu identifizieren.