Gesetzliche Einordnung von Schenkkreisen und Schneeballsystemen
Sogenannte Schenkkreise, die als Variante eines klassischen Schneeballsystems auftreten, stoßen in der Rechtsprechung regelmäßig auf erhebliche Bedenken. Solche Modelle zielen darauf ab, dass Teilnehmer zunächst eine Zahlung leisten, die nach Beitritt weiterer Personen an mehrere Mitglieder ausgeschüttet wird. Die Teilnahmebedingungen sind eng mit der Akquise neuer Mitglieder verknüpft – der Fortbestand des Systems hängt damit maßgeblich von der ständigen Zuführung neuer Teilnehmer ab.
Zivilrechtliche Würdigung: Rückforderungsansprüche
Die Frage, ob und inwieweit Teilnehmer, die sich an einem solchen Schenkkreis beteiligt und Zahlungen geleistet haben, einen Anspruch auf Rückerstattung dieser Beträge geltend machen können, ist Gegenstand zahlreicher zivilgerichtlicher Auseinandersetzungen. Im Zentrum steht regelmäßig die Einordnung der geleisteten Zahlungen und deren Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Im konkreten Fall vor dem Landgericht Oldenburg (Urteil vom 17.06.2008, Az.: 2 S 127/08) wurde die Rückzahlung eines Geldbetrags verlangt, den die Klägerin im Rahmen eines Schneeballsystems, getarnt als „Schenkkreis“, an die Beklagte gezahlt hatte. Die Zahlungsverpflichtung wurde dabei nicht isoliert betrachtet, sondern im Kontext der rechtlichen Anforderungen an Schenkungen nach § 516 BGB und der Grundsätze zur Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) sowie zur ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) analysiert.
Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit der Vereinbarung
Schenkkreise bewegen sich regelmäßig im Grenzbereich der Sittenwidrigkeit. Sie sind insbesondere dann sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB, wenn die Fortführung des Systems zwangsläufig voraussetzt, dass spätere Teilnehmer keinerlei reale Aussicht auf Gegenleistungen oder Auszahlungen haben. Aufgrund dieses Konstruktionsprinzips sind Erfolge für neue Teilnehmer faktisch ausgeschlossen, sobald das Wachstum stagniert. Viele Gerichte bewerten derartige Vereinbarungen daher als nichtig.
Die Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung hat zur Folge, dass Rechtsgrundlagen für die empfangenen Zuwendungen entfallen. Nach gefestigter Rechtsprechung liegt eine Leistung ohne Rechtsgrund (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) vor, da keine wirksame Schenkungsabrede existiert. Empfänger von Zahlungen können damit grundsätzlich zur Rückgewähr verpflichtet sein.
Verbotene Schneeballsysteme im Lichte des Straf- und Wettbewerbsrechts
Über den zivilrechtlichen Kontext hinaus sind Schneeballsysteme regelmäßig auch strafrechtlich relevant. Nach § 16 Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist das Betreiben oder Bewerben von Vertriebssystemen untersagt, bei denen die Aussicht auf wirtschaftlichen Vorteil im Wesentlichen von der Anwerbung weiterer Teilnehmer abhängt. Die Strafbarkeit (§ 16 UWG) und die Sanktionierung durch Aufsichtsbehörden können weitere zivilrechtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen, etwa im Rahmen von Rückzahlungs- und Schadensersatzklagen.
Zwar betreffen diese Bestimmungen insbesondere gewerbliche Anbieter, doch auch rein private „Schenkmodelle“ können unter bestimmten Umständen als irreführender Wettbewerb oder strafbare Handlung eingeordnet werden.
Erstattungspflichten und Ausnahmen
Die Rückabwicklung von Zahlungen ist nach §§ 812 ff. BGB an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Im Einzelfall sind insbesondere Ausschlussgründe zu prüfen, etwa wenn der Leistende seinerseits mit sittenwidrigem Verhalten befasst war (Stichwort: „in pari delicto“ – Mitverschulden auf beiden Seiten). In der Rechtsprechung wird nicht selten diskutiert, ob der Rückzahlungsanspruch ausgeschlossen ist, wenn der Teilnehmer bewusst an einem System teilgenommen hat, das für Außenstehende als sittenwidrig erkennbar war. Im Vordergrund steht hier die Frage nach der Schutzbedürftigkeit des Leistenden.
Andererseits dürfen Rückzahlungsansprüche nicht pauschal verweigert werden, selbst wenn der Leistende Kenntnis von der Systematik hatte, da das Hauptaugenmerk dem Schutz der Allgemeinheit und insbesondere der Integrität des Rechtsverkehrs gilt.
Fazit und Ausblick
Die Beteiligung an Schenkkreisen und Schneeballsystemen führt regelmäßig zu Auseinandersetzungen rund um Rückforderungsansprüche und die Frage der Sittenwidrigkeit der zugrundeliegenden Vereinbarungen. Die zivilrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen und strafrechtlichen Aspekte überschneiden sich dabei vielfach. Gerade die komplexe Rechtslage und die Vielzahl an möglichen Einzelfallkonstellationen machen eine differenzierte Betrachtung unabdingbar.
Sollte sich der Bedarf an einer individuellen rechtlichen Einschätzung ergeben, stehen die Anwältinnen und Anwälte von MTR Legal mit weitreichender Erfahrung im Handels-, Gesellschafts- und Zivilrecht gerne zur Verfügung.