Veröffentlichung von Fotografien urheberrechtlich geschützter Tapetenmotive im Internet – Neue Entwicklungen durch aktuelle BGH-Entscheidung
Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. September 2024 hat die urheberrechtliche Bewertung von Fotografien neu ausgelotet, auf denen Fototapeten mit Künstlerwerken abgebildet sind. Die Urteilsserie mit den Aktenzeichen I ZR 139/23, I ZR 140/23 und I ZR 141/23 gibt wertvolle Orientierungspunkte für den rechtssicheren Umgang mit Bildmaterial, das Werke Dritter zeigt. Im Folgenden analysiert MTR Legal Rechtsanwälte die maßgeblichen Aspekte der Urteile, beleuchtet die Auswirkungen auf Kreative, Unternehmen und Bildverwender und geht auf praxisrelevante Folgefragen ein. Die erörterten Fragestellungen basieren auf dem veröffentlichen Wortlaut der Entscheidungen (verfügbar unter urteile.news).
Hintergrund der BGH-Entscheidung
Ausgangssachverhalt
In den zugrundeliegenden Verfahren stand die Frage im Mittelpunkt, ob Fotografien von Räumlichkeiten, auf denen Fototapeten mit urheberrechtlich geschützten Werken abgebildet sind, im Internet veröffentlicht werden dürfen, ohne dass hierfür eine Erlaubnis der Rechteinhabenden der abgebildeten Werke erforderlich ist. Kläger in den Verfahren waren Rechteinhabende an den auf den Tapeten dargestellten Werken. Die Beklagten hatten Fotografien der tapezierten Räume auf ihren Internetpräsenzen veröffentlicht. Die Rechteinhabenden sahen hierdurch Ihre urheberrechtlich geschützten Rechte beeinträchtigt und verlangten Unterlassung sowie Schadensersatz.
Prozessverlauf und bisherige Rechtsprechung
Die Instanzgerichte hatten im Kern uneinheitlich geurteilt: Während teilweise angenommen wurde, schon die nicht genehmigte Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes auf einer Fotografie stelle eine Verletzung des Vervielfältigungs- und/oder des öffentlichen Zugänglichkeitsrechts dar (§ 16, § 19a UrhG), sahen andere Gerichte Raum für Ausnahme- und Schrankenregelungen. Insbesondere die Regelung des § 57 UrhG stand im Zentrum der rechtlichen Diskussion.
Zentrale Erwägungen des BGH
Technische Reproduzierbarkeit und Werkbegriff
Der BGH hat klargestellt, dass bereits die bloße fotografische Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes nicht zwangsläufig eine Verletzung des Urheberrechts nach sich zieht. Erforderlich sei stets eine Abwägung unter Heranziehung der sachlichen und normativen Rahmenbedingungen des Urheberrechtsgesetzes (UrhG).
Privilegierung nach § 57 UrhG – „Unwesentliches Beiwerk“
Ein Hauptargument der BGH-Entscheidung ist die Anwendung der sogenannten „Beiwerksklausel“ des § 57 UrhG. Danach ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines Werkes zulässig, sofern dieses lediglich als „unwesentliches Beiwerk“ neben dem eigentlichen Gegenstand der Darstellung erscheint. Im konkreten Fall waren die Tapetenmotive nicht Hauptfokus der Fotografie, sondern lediglich Teil des Raumbildes. Die Werke gaben damit Anlass, § 57 UrhG als Schranke anzuwenden.
Interessenabwägung und Schutzzweck des Urheberrechts
Der BGH betont die Bedeutung des urheberrechtlichen Interessenausgleichs. Wird das geschützte Werk lediglich als unwesentliches Element neben anderen Darstellungsgegenständen genutzt, tritt der Schutz des Werkes zurück. Die maßgebliche Interessenlage unterscheidet sich etwa deutlich von Fällen, in denen das Werk zum prägenden Hauptgegenstand einer kommerziellen Nutzung gemacht wird.
Auswirkungen für Rechteinhabende und Bildverwender
Grenzen der Schutzwirkung für gestaltete Gebrauchsgegenstände
Die Entscheidungen verdeutlichen, dass Inhaber von Urheberrechten an künstlerisch gestalteten Gebrauchsgegenständen, wie es bei Design-Tapeten häufig der Fall ist, nicht in jedem Fall Unterlassungs-, Auskunfts- oder Schadensersatzansprüche geltend machen können, wenn das Werk lediglich als Nebensache auf einem Foto erscheint, das beispielsweise zum Zweck der Raumausstattung, Werbung oder Berichterstattung veröffentlicht wird.
Abgrenzung zu klaren Verletzungsfällen
Nicht erfasst werden hiervon Konstellationen, in denen das Werk im Zentrum der Aufnahme steht, also die fotografische Nutzung eng mit der künstlerischen Schöpfung und deren wirtschaftlicher Verwertung verknüpft ist. Ebenso bleibt unberührt, dass gewerbliche Verwender stets eine eigenständige Prüfung vornehmen sollten, ob die konkrete Bildnutzung nicht doch Rechte tangiert – etwa durch den gezielten Einsatz eines bestimmten Werkes als Werbemittel.
Verhältnis zu anderen Schutzrechten
Zu beachten bleibt auch, dass neben urheberrechtlichen Fragestellungen gegebenenfalls weitere Rechte (z.B. Markenrechte, Designrechte, Persönlichkeitsrechte abgebildeter Personen) berührt sein können. Die besprochene Entscheidung adressiert ausschließlich urheberrechtliche Fragestellungen und entfaltet keine Wirkung auf andere Schutzrechtsbereiche.
Einordnung der Entscheidung und aktuelle Praxisauswirkungen
Rechtssicherheit im Umgang mit Werken des täglichen Lebens
Die Urteile schaffen für Unternehmen und Privatpersonen, die etwa Immobilien, Einrichtungen oder dekorative Produkte ins rechte Licht setzen möchten, eine tragfähige Basis für die Bildnutzung. Dennoch verbleiben Grenzfälle, bei denen eine eingehende Bewertung der Umstände erforderlich ist. Das Urteil gibt hierzu einen deutlichen Orientierungsrahmen, lässt aber Spielraum für richterliche Einzelfallentscheidungen.
Offene Fragen und Entwicklungen
Es bleibt abzuwarten, wie die Instanzgerichte die durch den BGH gesetzten Leitplanken konkret umsetzen werden. Die Entscheidung unterstreicht die fortlaufende Entwicklung der Rechtsprechung im Bereich der urheberrechtlichen Werkabbildung – insbesondere im Zeitalter digitaler Veröffentlichungen.
Quelle: urteile.news, BGH, Urteile vom 12.09.2024, I ZR 139/23, I ZR 140/23, I ZR 141/23.
Unternehmen, Rechteinhabende sowie Kreative, die mit der Veröffentlichung von Innenraumfotografien oder anderen bildlichen Darstellungen von urheberrechtlich geschützten Gegenständen befasst sind, stehen weiterhin vor komplexen Herausforderungen. Für weitergehende Einschätzungen zu diesem Themenkomplex und zur rechtlichen Durchsetzbarkeit von Schutzpositionen bietet MTR Legal Rechtsanwälte fundierte Unterstützung.