Ordnungsmittel bei Unterlassungsverpflichtungen: Keine Wiederholungsgefahr erforderlich
Das Kammergericht Berlin hat sich am 29. Februar 2024 (Az. 5 W 140/23) erneut mit der Rechtsfrage befasst, ob für die Verhängung von Ordnungsmitteln wegen eines Verstoßes gegen eine Unterlassungsverpflichtung das Fortbestehen einer Wiederholungsgefahr notwendig ist. Die Entscheidung trägt zur weiteren Klärung des Zusammenspiels zwischen Vollstreckungsrecht und Unterlassungsansprüchen bei.
Ausgangslage: Unterlassungsverpflichtung und Ordnungsmittel
Im Mittelpunkt stand die Situation, in der ein Schuldner nach einer Unterlassungsverfügung gegen seine Verpflichtung verstößt und der Gläubiger zur Durchsetzung des gerichtlichen Verbots auf Mittel der Zwangsvollstreckung zurückgreift. Nach §§ 890, 891 ZPO kann das zuständige Gericht bei Verletzung einer Unterlassungsanordnung Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, verhängen.
Die rechtliche Diskussion drehte sich um die Frage, ob für die Anordnung eines Ordnungsmittels auch nach dem erstmaligen Verstoß weiterhin eine Wiederholungsgefahr bestehen muss – ein Erfordernis, das nach allgemeiner Auffassung maßgeblich ist für die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen auf materiell-rechtlicher Ebene.
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin
Das Kammergericht Berlin befasste sich mit dem Argument, wonach eine Wiederholungsgefahr auch für die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO nötig sei. Das Gericht erteilte dieser Ansicht eine Absage. Es stellte klar, dass im Vollstreckungsverfahren die Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen die untersagte Handlung ausreichend ist. Die Wiedergabe weitergehender subjektiver Voraussetzungen – etwa die Fortwirkung der Wiederholungsgefahr – sei nicht erforderlich.
Begründung der Entscheidung
Das Gericht argumentierte, bezogen auf die Systematik des Zwangsvollstreckungsrechts, dass das Ziel von Ordnungsmitteln in erster Linie darin liege, die Durchsetzung gerichtlicher Verbotsverfügungen sicherzustellen und weiteren Zuwiderhandlungen vorzubeugen. Mit dem erstmaligen Verstoß gegen die gerichtliche Anordnung werde nach Sinn und Zweck der Vorschriften die Notwendigkeit einer gesonderten Darlegung einer fortbestehenden Wiederholungsgefahr überflüssig.
Die vom Schuldner etwa vorgebrachte „Wiederholung” der Tat stehe im Rahmen des konkret vollstreckten Verbots nicht zur Diskussion. Es werde bei der Ahndung ausschließlich auf die bereits festgestellte Zuwiderhandlung abgestellt.
Rechtliche Einordnung im Gesamtzusammenhang
Abgrenzung zwischen materiell-rechtlicher und prozessualer Ebene
Das Kammergericht betont die Unterschiede zwischen der erstmaligen Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs und der Durchsetzung eines bereits titulierten Verbots über das Vollstreckungsverfahren. Während die Wiederholungsgefahr für die Begründung des materiellen Anspruchs unabdingbar ist, gilt sie im Rahmen der Ordnungsmittelvollstreckung nicht als Voraussetzung. Maßgeblich bleibt dort der Schuldvorwurf, der sich aus der nachweislichen Zuwiderhandlung gegen die Anordnung ergibt.
Praxisfolgen und Bedeutung
Durch die Entscheidung wird klargestellt, dass Schuldner sich bei einem erstmaligen Verstoß nicht darauf berufen können, die Gefahr der Wiederholung sei entfallen. Die Hemmschwelle für die Sanktionierung wird somit nicht künstlich erhöht, was die Wirksamkeit gerichtlicher Unterlassungstitel stärkt. Gerichte haben damit weiterhin das erforderliche Instrumentarium zur Hand, um Verstöße unabhängig von der Frage der Wiederholungsgefahr effektiv zu sanktionieren.
Fazit und Ausblick
Mit dem Beschluss schließt sich das Kammergericht der überwiegenden Literatur und Rechtsprechung an. Die Behandlung der Wiederholungsgefahr als ausschließlich materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung, nicht aber als Kriterium für die Anordnung von Ordnungsmitteln im Vollstreckungsverfahren, erhöht die Rechtssicherheit für Gläubiger und sorgt zugleich für eine praktikable Handhabe von Unterlassungstiteln.
Hinweis auf laufende oder vergleichbare Verfahren
Aufgrund der fortschreitenden Entwicklung in diesem Rechtsgebiet können zukünftig weitere Konkretisierungen durch die Rechtsprechung erfolgen. Die Ausführungen des Kammergerichts sind ausdrücklich auf die im Beschluss beurteilte Konstellation bezogen. Was ausnahmsweise in besonders gelagerten Fällen gilt, bleibt weiterhin einer Einzelfallbetrachtung vorbehalten.
Quellenangabe
Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 29.02.2024, Az. 5 W 140/23; veröffentlicht unter www.urteile.news.
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