Veröffentlichte Beiträge und ihre Aktualität – Rechtliche Grenzen bei der Löschung und Nachtragspflichten
Die Dynamik von Informationen im Internet wirft insbesondere im Hinblick auf rechtsbezogene Veröffentlichungen auf Kanzlei-Webseiten zahlreiche Fragen auf. Dies betrifft nicht nur Mandanten, sondern auch im Fokus der Berichterstattung stehende Personen oder Unternehmen. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main (Az. 16 U 255/21, veröffentlicht am 01.02.2023; Quelle: urteile.news) konkretisiert die rechtlichen Anforderungen an Informationspflichten und mögliche Ansprüche auf Entfernung oder Nachtrag von Beiträgen, die ihren Aktualitätsbezug verloren haben.
Ausgangssituation: Veröffentlichte Entscheidung verliert Aktualitätsbezug
Im zugrundeliegenden Fall hatte eine Kanzlei auf ihrer Internetpräsenz eine Meldung über ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren und einen Eröffnungsbeschluss gegen eine Einzelperson eingestellt. Die Veröffentlichung stützte sich auf die zum Veröffentlichungszeitpunkt vorliegenden amtlichen Verfahren. Später wurde das betreffende Verfahren eingestellt – jedoch wurde diese Information nicht auf der Seite aktualisiert oder ergänzt.
Die betroffene Person wandte sich daraufhin an die veröffentlichende Kanzlei mit der Aufforderung, den Beitrag zu löschen oder zumindest einen klarstellenden Hinweis zur späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu ergänzen.
Zentrale Rechtsfragen: Löschungsanspruch vs. Nachtragsanspruch
Löschungsanspruch
Das OLG Frankfurt am Main hat den Anspruch auf vollständige Löschung der Meldung abgelehnt. Ausschlaggebend war dabei, dass die Berichterstattung im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung zutreffend war und sich auf öffentlich zugängliche Informationen stützte. Für die Frage der Zulässigkeit der Veröffentlichung sei maßgeblich, dass die Meldung mit dem damals gegebenen Stand der Ermittlungen übereinstimmte und keine persönlichen Rechte der Betroffenen verletzt wurden. Die reine Tatsache, dass der Beitrag später nicht mehr dem aktuellen Stand entsprach, begründe demnach allein noch keinen Anspruch auf nachträgliche Löschung.
Darüber hinaus betonte das Gericht die Bedeutung der Meinungs- und Informationsfreiheit, die grundsätzlich auch die Veröffentlichung rechtmäßiger, vergangenheitsbezogener Tatsachen umfasst. Die Entscheidung stellt klar, dass eine nachträgliche Entwicklung – hier die Einstellung des Verfahrens – nicht automatisch dazu verpflichtet, zuvor rechtmäßig veröffentlichte Inhalte rückwirkend ungeschehen zu machen.
Nachtragsanspruch
Das Gericht prüfte weiter, ob zumindest ein Anspruch auf nachträgliche Ergänzung – etwa einen klarstellenden Hinweis auf die mittlerweile erfolgte Einstellung des Verfahrens – besteht. Hierzu verwies das OLG darauf, dass ein solcher Anspruch im Allgemeinen nur bei fortwirkenden erheblichen Nachteilen oder einer Gefahr von Irreführung des Publikums in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall sah das Gericht keine Anhaltspunkte dafür, dass das Ausbleiben eines Nachtrags zu spürbaren Rechtsverletzungen führt.
Das Gericht argumentierte zudem, dass von Lesern erwartet werden könne, den zeitlichen Kontext einer älteren Berichterstattung zu erkennen. Eine Pflicht zur Aktualisierung oder nachträglichen Ergänzung vor dem Hintergrund eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts wurde daher abgelehnt, sofern nicht erkennbare Reputationsschäden oder tatsächliche Auswirkungen auf das Schutzgut der betroffenen Person bestehen.
Bewertungsmaßstab: Anerkannte Pressegrundsätze auf Kanzlei-Webseiten
Relevanz für Rechtsanwaltskanzleien und Informationsanbieter
Das Urteil differenziert zwischen der Pflicht klassischer Medien, bei wesentlichen Entwicklungen einen Nachtrag oder eine Richtigstellung vorzunehmen, und der Veröffentlichung von rechtlichen Informationen auf einer Kanzlei-Homepage und ähnlichen Informationsseiten. Zwar könne auch für solche Informationsangebote grundsätzlich eine Pflicht zur Aktualisierung entstehen, jedoch setzt diese eine fortdauernde Reputationsgefährdung oder unwahre Tatsachenbehauptung voraus.
Im zugrundeliegenden Fall war eine solche Gefahr aus Sicht des Gerichts nicht gegeben, da der Beitrag den Sachstand zum Veröffentlichungszeitpunkt korrekt wiedergegeben hatte und keine Verknüpfung mit fortdauernden stigmatisierenden oder rufschädigenden Aussagen bestand.
Schutz des Persönlichkeitsrechts – Abwägung mit der Meinungsfreiheit
Das Persönlichkeitsrecht schützt vor unwahren oder rufschädigenden Berichten vor allem dann, wenn sie geeignet sind, das öffentliche Bild einer Person nachhaltig zu beeinträchtigen. Die Rechte von Betroffenen sind stets gegen das Recht des Informationsanbieters auf Meinungs- und Pressefreiheit abzuwägen. Da der Beitrag im Zeitpunkt der Veröffentlichung zutreffend war, waren nach Ansicht des Gerichts die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person nachträglich nicht in einer Weise betroffen, die ein Einschreiten erforderlich gemacht hätte.
Bedeutung für Veröffentlichungen auf anwaltlichen Internetseiten
Das Urteil des OLG Frankfurt am Main bietet insbesondere Betreibern von Kanzlei-Webseiten und vergleichbaren Informationsplattformen eine gewisse Rechtssicherheit hinsichtlich der Veröffentlichung vergangener Ereignisse. Solange Beiträge sich auf den wahrheitsgemäßen Stand der damaligen Zeit beziehen und keine nachwirkende, konkrete Reputationsgefährdung für die betroffene Person darlegen, besteht weder ein Löschungs- noch ein verbindlicher Nachtragsanspruch.
Dennoch empfiehlt es sich, bei der Veröffentlichung oder Pflege älterer Beiträge verstärkt den Kontext, den Gegenstandsbezug sowie die potenziellen Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Im Einzelfall können besondere Umstände, etwa außergewöhnliche Medienwirkung oder nachweisbarer Schaden für die betroffene Person, je nach Sachlage weitergehende Pflichten begründen.
Für Gesellschaften, Unternehmen, Investoren oder Einzelpersonen, die im Rahmen von Online-Veröffentlichungen mit vergleichbaren Fragestellungen konfrontiert sind, können sich zahlreiche Folgefragen zur rechtlichen Zulässigkeit und den Grenzen der Veröffentlichung ergeben. Die Rechtsanwälte von MTR Legal beraten zu allen Facetten des Medien-, Persönlichkeits- und Äußerungsrechts und stehen für eine einzelfallbezogene Klärung gerne zur Verfügung.