Anspruch auf Ausfallhonorar bei abgesagten Auftritten – Entscheidung des AG München
Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 6. Oktober 2025 (Az. 222 C 15312/5) entschieden, dass eine Musikgruppe bei kurzfristiger Absage mehrerer vertraglich vereinbarter Auftritte keinen Anspruch auf ein sogenanntes Ausfallhonorar hat, sofern vertragliche Regelungen zur Absage durch den Auftraggeber fehlen. Die Entscheidung hebt zentrale Aspekte des Vertragsrechts in Bezug auf künstlerische Dienstleistungen hervor und unterstreicht die Bedeutung klarer Vereinbarungen über Rücktritt und Entschädigungsfolgen.
Sachverhalt und Hintergrund des Rechtsstreits
Eine Musikgruppe war für insgesamt vier Veranstaltungen einer Sommerfestreihe engagiert worden. Die Termine sollten im Juli 2022 im Freien stattfinden. Wenige Tage vor der ersten Veranstaltung informierte der Veranstalter die Musikgruppe über die Absage aller vier Aufführungen. Als Grund wurde ein durch unvorhersehbare Wetterbedingungen verursachter Wasserschaden am Veranstaltungsort genannt.
Die Musikgruppe beanspruchte daraufhin das vertraglich vereinbarte Honorar für alle abgesagten Termine, wobei sie sich auf den Charakter ihrer Buchung als Festvertrag bezog. Da sie durch die kurzfristigen Absagen keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, Ersatzaufträge anzunehmen, verlangte sie eine pauschale Vergütung in voller Höhe.
Die Entscheidung des Gerichts
Vertragliche Grundlagen und fehlende Ausfallhonorar-Klausel
Das Gericht stellte zunächst fest, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag keine ausdrückliche Regelung zu einer Vergütung im Fall einer Absage durch den Veranstalter enthielt. Insbesondere war kein Ausfallhonorar oder eine Stornopauschale vereinbart worden, wie sie in der Event- und Konzertbranche teilweise üblich ist. Somit war zu klären, ob ein Anspruch der Musikgruppe aus allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen, etwa aus § 615 Satz 1 BGB analog, hergeleitet werden könnte.
Kein Annahmeverzug des Veranstalters
Das Gericht verneinte einen Anspruch auf Vergütung wegen Nichtannahme der Leistung seitens des Veranstalters. Begründet wurde dies damit, dass ein Annahmeverzug im Sinne des § 293 BGB voraussetze, dass die Musikgruppe imstande war, ihre vertraglich geschuldete Leistung wie vereinbart zu erbringen. Da die Veranstaltung im Außenbereich durch den Wasserschaden unmöglich geworden war und dieser Umstand für beide Parteien offenkundig unvorhersehbar war, lag ein Fall der sogenannten „Leistungsbefreiung wegen Unmöglichkeit” im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB vor.
Keine analoge Anwendung des Annahmeverzugs
Weiter führt das Urteil aus, dass eine analoge Anwendung der Regeln über den Annahmeverzug bei unverschuldeten Absagen und fehlender vertraglicher Absprache nicht angezeigt ist. Die Musikgruppe trägt das Risiko einer fehlenden vertraglichen Absicherung ihrer Vergütungsinteressen, wenn der Vertrag keine ausdrückliche Regelung für den Fall von Absagen enthält. Das Gericht führte hierzu aus, dass die Parteien die Möglichkeit gehabt hätten, Ausfallklauseln in den Vertrag aufzunehmen, dies jedoch unterlassen haben.
Höhere Gewalt und Wegfall der Geschäftsgrundlage
Der Veranstalter berief sich zudem erfolgreich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) beziehungsweise höhere Gewalt. Das Gericht erkannte die wetterbedingte Zerstörung des Veranstaltungsortes als objektiv durchgreifenden Hinderungsgrund für die Erfüllbarkeit des Vertrages an und wies darauf hin, dass auch insoweit keine Ausgleichsansprüche der Musikgruppe gegeben seien.
Relevanz für Vertragspartner bei künstlerischen Engagements
Die Entscheidung des AG München verdeutlicht, dass künstlerisch Tätige sowie Veranstaltende bei der Vertragsgestaltung einen besonderen Fokus auf Regelungen über die Absage von Veranstaltungen und die Folgen für das Honorar legen sollten. In Abwesenheit ausdrücklicher Vereinbarungen verbleibt das Risiko der Leistungsstörung oder -unmöglichkeit regelmäßig bei der Partei, die die Ausführung der Leistung schuldet. Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Ausfallvergütung besteht in solchen Konstellationen in der Regel nicht.
Darüber hinaus weist das Urteil darauf hin, dass auch bei Dauerschuldverhältnissen und wiederkehrenden Leistungsverpflichtungen (wie mehreren vereinbarten Auftritten) sorgfältig geprüft werden muss, ob und inwieweit besondere vertragliche Risikoverteilungsmechanismen – etwa für Fälle höherer Gewalt oder kurzfristige Veranstaltungsabsagen – vorgesehen sind.
Auswirkungen auf die Praxis und Vertragsgestaltung
Das Urteil bietet Anlass, die bestehenden Verträge auf Regelungslücken hin zu überprüfen. Veranstaltende und künstlerisch Tätige sollten darauf achten, ihre vertraglichen Rechte und Pflichten einschließlich etwaiger Entschädigungsansprüche für Ausfallhonorare klar zu definieren. Ohne konkrete Vereinbarungen sind gerichtliche Ansprüche auf Vergütung bei Absage von Veranstaltungen mit erheblicher Unsicherheit behaftet.
Abgrenzung zu Anwendungsfällen des Annahmeverzugs und der Unmöglichkeit
In der Praxis ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs nur dann erfüllt sind, wenn der Auftraggeber die Tätigkeit des Künstlers trotz Leistungsbereitschaft grundlos ablehnt. Liegt jedoch ein objektiver Hinderungsgrund vor, kann regelmäßig nicht von einer einfachen Verweigerung oder Verzögerung gesprochen werden.
Branchenspezifische Besonderheiten
Insbesondere die Musik- und Veranstaltungsbranche ist durch wetterabhängige Events häufig mit der Problematik unverschuldeter Veranstaltungsabsagen konfrontiert. Hier empfiehlt sich eine vorausschauende Vertragsgestaltung, um spätere Streitigkeiten über Honorare und Schadensersatzansprüche zu vermeiden.
Schlussbemerkung
Die Entscheidung des Amtsgerichts München zeigt deutlich, wie wichtig eine sorgfältige Vertragsgestaltung im Bereich künstlerischer Dienstleistungen ist, insbesondere im Hinblick auf Vergütungsansprüche bei Veranstaltungsabsagen. Bei Fragen zu vertraglichen Regelungen rund um Veranstaltungsbuchungen oder Unsicherheiten hinsichtlich der Absicherung von Honoraren stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal Rechtsanwälte ihren Mandanten zur Verfügung.