Einführung in die Vorfälligkeitsentschädigung
Die Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Gebühr, die von der Bank erhoben wird, wenn ein Kreditnehmer seinen Kredit vor Ablauf der vereinbarten Zinsbindungsfrist vollständig zurückzahlt. Hintergrund ist, dass Banken bei einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens auf einen Teil der fest eingeplanten Zinserträge verzichten müssen. Um diesen finanziellen Verlust auszugleichen, verlangen Banken eine Entschädigung – die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung.
Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung hängt von mehreren Faktoren ab. Entscheidend sind vor allem die Restschuld des Kredits, die verbleibende Restlaufzeit bis zum regulären Ablauf der Zinsbindung sowie der im Darlehensvertrag vereinbarte Zinssatz. Auch die Höhe der entgangenen Zinseinahmen und die aktuelle Zinsentwicklung am Markt spielen eine Rolle. Je länger die Restlaufzeit und je höher der Zinssatz, desto höher fällt in der Regel die Vorfälligkeitsentschädigung aus.
Für Kreditnehmer ist es daher besonders wichtig, die Bedingungen ihres Darlehensvertrages genau zu kennen. Wer plant, seinen Kredit vorzeitig abzulösen, sollte sich frühzeitig über die möglichen Kosten informieren und die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen können. So lassen sich unerwartete Gebühren vermeiden und die finanzielle Belastung besser einschätzen.
BGH-Urteil: Sparkasse verliert Anspruch auf Entschädigung – Az. XI ZR 22/24
Eine Sparkasse hat ihren Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung verloren, weil ihre in dem Kreditvertrag verwendete Klausel zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung für den Darlehensnehmer nicht hinreichend klar und verständlich ist. Der Darlehensnehmer kann nun die Rückzahlung seiner bereits geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Nach den gesetzlichen Regeln muss der Kreditgeber bestimmte Vorgaben einhalten, damit die Bank eine Entschädigung verlangen darf. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 20. Mai 2025 entschieden (Az. XI ZR 22/24).
Für die vorzeitige Ablösung eines Immobiliendarlehens können Banken und Sparkassen grundsätzlich eine Vorfälligkeitsentschädigung als Ausgleich für die entgangenen Zinsen verlangen, sofern der Bank durch die vorzeitige Rückzahlung tatsächlich ein Schaden entsteht. Die Bank darf eine Vorfälligkeitsentschädigung jedoch nur dann verlangen, wenn die gesetzlichen Regeln und Voraussetzungen erfüllt sind. Dieser Anspruch kann jedoch entfallen, wenn das Kreditinstitut den Darlehensnehmer über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht ausreichend aufgeklärt hat. So hat der BGH mit Urteil vom 3. Dezember 2024 entschieden, dass eine Volksbank ihren Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung verloren hat, weil die verwendete Klausel zur Berechnung der Entschädigung unzureichend ist (Az. XI ZR 75/23). Ähnlich erging es nun einer Sparkasse, so die Wirtschaftskanzlei MTR Legal Rechtsanwälte, die u.a. im Bankrecht berät.
Immobiliendarlehen vorzeitig zurückgezahlt
In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Verbraucher ein Immobiliendarlehen bei einer Sparkasse über rund 135.000 Euro aufgenommen – diese Kreditsumme wurde später vorzeitig zurückgezahlt. Dieser Fall ist ein Beispiel für einen Ausstieg aus einem Immobiliendarlehen durch vorzeitige Rückzahlung. Die Sparkasse verlangte daraufhin die vertraglich vereinbarte Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von rund 7.600 Euro für den entgangenen Zinsgewinn. Der Darlehensnehmer zahlte die Vorfälligkeitsentschädigung unter Vorbehalt, klagte jedoch später auf Rückzahlung, weil er die in dem Vertrag verwendete Klausel zur Berechnung der Entschädigung für intransparent hielt.
Gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann ein Kreditinstitut nur dann eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, wenn es im Vertrag „klar und verständlich“ darlegt, wie diese berechnet wird. Im konkreten Fall monierte der Darlehensnehmer, dass die Sparkasse in ihrer Vertragsklausel keine konkreten Angaben zur Berechnungsweise gemacht habe. Insbesondere seien die Angaben zur Ermittlung des Schadens und zur Berechnung des Restbetrags (auch als Restschuld bezeichnet) nicht ausreichend.
Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht hinreichend transparent dargestellt
Der BGH gab dem Kläger recht. Die Karlsruher Richter entschieden, dass die verwendete Klausel den gesetzlichen Anforderungen nicht genügte. Sie sei zu allgemein und lasse wesentliche Informationen vermissen, die für den Verbraucher erforderlich seien, um die wirtschaftlichen Folgen einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens zu erkennen. Im Darlehensvertrag werde unter dem Punkt 10.2 zwar erläutert, dass zur Berechnung die sog. Aktiv/Passiv-Methode angewendet werde und die vorzeitig zurückgezahlte Darlehenssumme in sichere Kapitalmarkttitel wie z.B. Pfandbriefe der Deutschen Bundesbank angelegt werde. Es gibt jedoch verschiedene Arten der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, wie etwa die Aktiv-Aktiv-Methode, bei der das Kreditinstitut den entgangenen Zinsschaden anhand alternativer Anlagemöglichkeiten berechnet. Bei der vorzeitigen Rückzahlung eines Darlehens können zudem Vorfälligkeitszinsen anfallen, die zusätzlich zur eigentlichen Entschädigung zu zahlen sind. Allerdings werde nicht klar und verständlich dargelegt, wie sich der Zinsschaden berechnet und wie Faktoren wie Zinsdifferenzen, Sondertilgungsrechte oder Risikoabschläge bei der Berechnung berücksichtigt werden.
Die Klausel verletze damit das Transparenzgebot und sei im Ergebnis unwirksam. Als Folge entfalle die Grundlage für den Anspruch der Sparkasse auf die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, so dass der Darlehensnehmer den gezahlten Betrag zurückverlangen könne, entschied der BGH. Um die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung im eigenen Fall besser einschätzen zu können, empfiehlt sich die Nutzung eines Vorfälligkeitsrechners, der die Berechnung vereinfacht und Transparenz schafft.
Aufklärungspflicht der Banken und Sparkassen
Die Karlsruher Richter machten deutlich, dass es nicht ausreicht, wenn pauschal auf eine Rechenmethode zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung hingewiesen wird. Vielmehr müsse ein durchschnittlicher Verbraucher ohne juristische oder finanzmathematische Vorkenntnisse nachvollziehen können, welche Faktoren in die Berechnung einfließen und welche finanziellen Auswirkungen eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens für ihn haben kann.
Seit dem 21. März 2016 sind Kreditinstitute verpflichtet, ihre Kunden über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sowie über die Laufzeit des Darlehens und das Kündigungsrecht der Kreditnehmer aufzuklären. Bei Baufinanzierungen und Immobilienfinanzierungen mit einer Laufzeit von mehr als zehn Jahren besteht nach Ablauf von zehn Jahren ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht, das eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vorsieht, sodass eine Kündigung ohne Vorfälligkeitsentschädigung möglich ist. Machen sie dazu keine ausreichenden Angaben, verlieren sie ihren Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung bei einer vorzeitigen Ablösung des Darlehens. Das zeigen die Urteile des BGH zu Klauseln, die Volksbanken bzw. Sparkassen zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung verwendet haben, deutlich. Darüber hinaus können auch andere Kreditinstitute ähnliche unzureichende Klauseln verwendet haben.
Vorfälligkeitsentschädigung und Steuern
In bestimmten Fällen kann die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung steuerlich geltend gemacht werden. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn ein Kreditnehmer eine vermietete Immobilie verkauft und den zugehörigen Kredit vorzeitig ablöst. In solchen Situationen kann die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzt werden. Dadurch mindert sich die steuerliche Belastung, da die gezahlte Entschädigung die zu versteuernden Einnahmen reduziert.
Allerdings gelten hierbei strenge steuerliche Vorgaben. Die Vorfälligkeitsentschädigung kann nur dann abgesetzt werden, wenn der Kredit tatsächlich im Zusammenhang mit der vermieteten Immobilie stand und die Zahlung im Rahmen der vorzeitigen Kreditablösung erfolgte. Für selbstgenutzte Immobilien ist ein steuerlicher Abzug in der Regel nicht möglich.
Kreditnehmer sollten daher die steuerlichen Regelungen sorgfältig prüfen und im Zweifel einen Steuerberater oder Finanzexperten hinzuziehen. So lässt sich sicherstellen, dass die Vorfälligkeitsentschädigung korrekt in der Steuererklärung berücksichtigt wird und keine steuerlichen Vorteile verloren gehen.
Für Darlehensnehmer bedeutet die Rechtsprechung des BGH, dass sie ggf. keine Vorfälligkeitsentschädigung bei der vorzeitigen Ablösung des Darlehens zahlen müssen bzw. eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückfordern können.
MTR Legal Rechtsanwälte berät zu Darlehen, Vorfälligkeitsentschädigung und weiteren Themen des Bankrechts. Ein Vergleich verschiedener Angebote bei der Immobilienfinanzierung oder Baufinanzierung kann helfen, bessere Konditionen zu finden.
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