Keine Mithaftung für Autokredit bei finanzieller Überforderung durch Ex-Partne

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Mitverpflichtung bei Kfz-Finanzierung: Entscheidung des OLG Oldenburg zur Übernahmepflicht bei wirtschaftlicher Überforderung

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat am 26. Juli 2023 (Az. 8 U 172/22) einen bedeutsamen Beschluss über die Mithaftung von Darlehensnehmern im Kontext von Kfz-Finanzierungen gefällt und sich dabei ausführlich mit den Grenzen einer Mitverpflichtung bei wirtschaftlicher Überforderung auseinandergesetzt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine Haftung als Mitdarlehensnehmerin für den Kredit eines Lebenspartners unter bestimmten Umständen sittenwidrig und somit unwirksam sein kann.

Hintergrund der Entscheidung

Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte eine Bank einer Kundin die gesamtschuldnerische Haftung für ein Darlehen auferlegt, das primär dem damaligen Lebensgefährten der Frau zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs diente. Die Frau hatte den Kreditvertrag mitunterzeichnet, obwohl die Finanzierung nach Überzeugung des Gerichts von vornherein ihre finanziellen Möglichkeiten überschritt und sie offenkundig keine nennenswerten Vorteile aus der Darlehenssumme zog.

Der Darlehensvertrag wurde mehrere Jahre bedient, bevor die Beziehung endete und der PKW im Besitz des Lebensgefährten verblieb. Nach Trennung und ausbleibender Zahlung seitens des Hauptschuldners verlangte die Bank, gestützt auf die vertragliche Mitverpflichtung, die weitere Rückzahlung von der ehemaligen Lebensgefährtin.

Rechtliche Bewertung durch das OLG Oldenburg

Maßstäbe zur Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB

Das OLG Oldenburg legte dar, dass die Übernahme einer gesamtschuldnerischen Haftung für fremde Verpflichtungen dann als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einzustufen ist, wenn die Mitverpflichtung, objektiv betrachtet, zu einer finanziellen Überforderung des Unterzeichners führt und diese Person aus der Kreditgewährung keinen selbständigen wirtschaftlichen Vorteil zieht. Insbesondere in derartigen Konstellationen, in denen emotionale Bindungen zu einer Unterschrift verleiten, müsse sorgsam geprüft werden, ob das Kreditinstitut seine wirtschaftlich stärkere Position missbraucht habe.

Eigeninteresse und wirtschaftliche Belastung

Das Gericht ermittelte, dass die Mitdarlehensnehmerin offenkundig keinerlei maßgeblichen Nutzen aus der Fahrzeugfinanzierung erlangte: Der PKW wurde ausschließlich vom Partner genutzt und verblieb nach Trennung auch weiter in dessen Obhut. Die Mitübernahme des Kredits wirkte sich stattdessen im Falle einer Trennung als eine erhebliche und letztlich nicht tragbare wirtschaftliche Last ohne erkennbaren Gegenwert aus.

Informations- und Prüfungspflichten der Bank

Hervorzuheben ist die Feststellung des Gerichts, dass Banken gehalten sind, die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Kreditaufnahme durch Mitverpflichtete – insbesondere bei engen persönlichen Verbindungen – sorgfältig zu prüfen. Kommt eine solche Überprüfung nicht hinreichend zustande und ist die Überforderung des Mitunterzeichnenden erkennbar oder naheliegend, kann sich das Kreditinstitut gegebenenfalls nicht auf die Wirksamkeit der so begründeten Mithaftung berufen. Auch ein bloß formaler Mitnutzerstatus – zum Beispiel als gelegentlicher Fahrer des Fahrzeugs – genügt nicht, um eine hinreichende Eigeninteressebegründung entstehen zu lassen.

Konsequenzen für Kreditinstitute und Verbraucher

Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht die Grenzen des Schutzbereichs für Verbraucher, die in einer emotionalen Beziehung gesamtschuldnerische Darlehensverträge mitunterzeichnen und finanziell überfordert werden. Kreditinstitute bewegen sich in diesen Situationen in einem rechtlich sensiblen Bereich: Wird einem Unterzeichner ohne eigenen wirtschaftlichen Vorteil eine erhebliche Zahlungsverpflichtung auferlegt, können Gerichte von einer sittenwidrigen Benachteiligung ausgehen – besonders dann, wenn eine sogenannte familiäre Verantwortungsübernahme erkennbar ausgenutzt wurde. Dem Missverhältnis zwischen Haftungsübernahme und möglichem Vorteil kommt zentrale Bedeutung zu.

Darüber hinaus unterstreicht das Urteil die Relevanz einer individualisierten Kreditwürdigkeitsprüfung und einer sorgfältigen Vertragsgestaltung, um spätere Streitigkeiten um die Wirksamkeit von Mitverpflichtungen möglichst auszuschließen.

Einordnung und Ausblick

Die Rechtsprechung des OLG Oldenburg steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Linie zu sogenannten Ehegatten- oder Partnerbürgschaften, die in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand vertraglicher Auseinandersetzungen waren. Besonders relevant bleibt die grenzwertige Zulässigkeit der Haftungsübernahme, wenn der Unterzeichnende wirtschaftlich erheblich schwächer gestellt ist, keinen eigenen Nutznießervorteil erlangte und sich in einer emotional gebundenen Lebenssituation befand – als potentielle Grundlage für eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB.

Zukünftig dürfte die Entscheidung Anknüpfungspunkt für zahlreiche weitere Fälle im Bereich der Konsumentendarlehen, insbesondere bei Kfz-Krediten, sein. Kreditgeber sind gut beraten, die Pflicht zur umfassenden Information und Prüfung der Kreditwürdigkeit aller Vertragspartner zu beachten, um die Wirksamkeit von Mitverpflichtungen zu sichern und eine Anfechtbarkeit wegen Sittenwidrigkeit zu vermeiden. Die Kriterien der wirtschaftlichen Überforderung sowie des persönlichkeitsschutzrechtlichen Ausgleichs werden auch weiterhin im Mittelpunkt stehen.


Für weitere Informationen im Zusammenhang mit Mitverpflichtungen bei Darlehensverträgen und zur rechtlichen Einordnung individueller Sachverhalte stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal als Ansprechpartner zur Verfügung.

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