Insolvenzrechtlicher Rang des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Tätigkeit unter dem starken vorläufigen Insolvenzverwalter
Hintergründe zur Einordnung im Insolvenzverfahren
Die insolvenzrechtliche Einordnung von Urlaubsabgeltungsansprüchen wirft vor allem bei der Beschäftigung im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung komplexe Fragestellungen auf. Dies gilt insbesondere, wenn der sogenannte „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt die betriebliche Leitung übernimmt und die Arbeitsleistung weiterhin in Anspruch nimmt. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30. November 2021 (Az. 6 AZR 94/19) hat die maßgeblichen Kriterien für die insolvenzrechtliche Qualifizierung dieser Ansprüche näher beleuchtet.
Sachverhalt und verfahrensrechtliche Ausgangslage
Der Entscheidung lag die Situation einer Arbeitnehmerin zugrunde, deren Arbeitsverhältnis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Kündigung beendet worden war und für die anschließend ein Urlaubsabgeltungsanspruch bestand. Während des Eröffnungsverfahrens hatte ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt die Verfügungsbefugnis inne und die Arbeitsleistung in Anspruch genommen. Die zentrale Fragestellung betraf die Qualifikation des Urlaubsabgeltungsanspruchs im Sinne der Insolvenzordnung, konkret dessen Rangzuordnung als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 2 InsO).
Rechtliche Einordnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anspruchsentstehung
Für die insolvenzrechtliche Bewertung kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht. Das Bundesarbeitsgericht hat erneut klargestellt, dass die Urlaubsabgeltung mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird, sofern Resturlaub nicht mehr gewährt werden kann. Folglich hängt der Rang des Anspruchs maßgeblich davon ab, ob das Arbeitsverhältnis vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet.
Bedeutung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters
Im vorliegenden Fall übernahm der starke vorläufige Insolvenzverwalter die Kontrolle über das Vermögen der Schuldnerin im Eröffnungsverfahren, erlangte hierdurch allerdings noch keine Masse. Ebenso wenig wurden bereits Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO begründet. Bis zur Verfahrenseröffnung bleibt das schuldnerische Vermögen nicht Teil der Insolvenzmasse, weshalb Verbindlichkeiten grundsätzlich noch der Insolvenzquote unterliegen.
Ergebnis der Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung entsteht, im Regelfall als Insolvenzforderung nach § 38 InsO zu qualifizieren ist. Nur wenn der Anspruch auf Abgeltung nach Verfahrenseröffnung entsteht, liegt eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 InsO vor. Die bloße Inanspruchnahme der Arbeitsleistung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter während des Eröffnungsverfahrens hebt diese Rangordnung nicht auf.
Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidung betont, dass die Anwendung der insolvenzrechtlichen Rangzuordnung strikt nach dem Zeitpunkt der Anspruchsentstehung erfolgt. Auch eine Betriebsfortführung unter einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter führt nicht automatisch zur Begründung von Masseverbindlichkeiten für abgeltungsreife Urlaubsansprüche. Das Spannungsfeld zwischen Gläubigerschutz und Arbeitnehmerinteressen bleibt damit weiterhin von der Fristenordnung der Insolvenzordnung geprägt.
Sofern im konkreten Einzelfall weiterführende rechtliche Fragestellungen rund um arbeitsrechtliche Ansprüche während des Insolvenzverfahrens entstehen, empfiehlt sich eine eingehende Prüfung und Klärung durch versierte Rechtsberater im Bereich des Insolvenzrechts. Weitere Informationen und eine fundierte Rechtsberatung im Insolvenzrecht finden Sie unter https://www.mtrlegal.com/offices/deutschland/insolvenzrecht/.