Gutscheinregelung bei pandemiebedingt abgesagten Kulturveranstaltungen: Entscheidung des Amtsgerichts München
Mit Urteil vom 14. April 2021 (Az.: 154 C 6021/20) hat das Amtsgericht München eine zentrale Frage im Kontext der zahlreichen Veranstaltungsabsagen während der COVID-19-Pandemie behandelt: Ist es rechtmäßig, statt einer Erstattung des Eintrittspreises für ein abgesagtes Kulturevent einen Gutschein auszustellen? Die Entscheidung gibt wesentliche Orientierung für Veranstalter und Karteninhaber gleichermaßen und verdeutlicht die Auswirkungen gesetzgeberischer Maßnahmen auf bestehende Vertragsverhältnisse.
Hintergrund: Masshafte Veranstaltungsabsagen und Gesetzgeberische Antworten
Pandemiebedingte Herausforderungen für Unternehmen und Verbraucher
Die allgemeine Eindämmung des öffentlichen Lebens im Zuge der Pandemie hat insbesondere die Veranstaltungswirtschaft vor erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten gestellt. Wegen staatlicher Kontaktbeschränkungen mussten zahlreiche Kultur-, Sport- und Freizeitveranstaltungen abgesagt oder verschoben werden. Für bereits erworbene Tickets forderten viele Besucher die unmittelbare Rückzahlung des Eintrittspreises. Veranstalter stießen angesichts einer enormen Rückforderungswelle zunehmend an liquiditätsbedingte Belastungsgrenzen.
Gesetzliche Regelung zur Abmilderung der Rückforderungswelle
Um eine branchenweite Insolvenzgefahr zu vermeiden, hat der Gesetzgeber – befristet für pandemiebedingte Absagen – mit dem COVID-19-Rückerstattungs-Gesetz (Art. 240 § 5 EGBGB) eine sogenannte “Gutscheinlösung” eingeführt. Danach konnten Veranstalter anstelle der Rückzahlung einen Gutschein über den Ticketwert ausstellen. Dieses Instrument sollte die massiven wirtschaftlichen Risiken für Anbieter abfedern und gleichwohl die berechtigten Interessen der Verbraucher bewahren. Die Gutscheinlösung galt ausschließlich für aufgrund von COVID-19 abgesagte Veranstaltungen.
Rechtliche Prüfung im Einzelfall: Das AG München zur Wirksamkeit der Gutscheinregelung
Sachverhalt: Theateraufführung abgesagt, Gutschein ausgestellt
Der Entscheidung des Amtsgerichts lag der Fall einer Besucherin zugrunde, die Eintrittskarten für einen Theaterabend in München erworben hatte. Aufgrund der behördlichen Untersagung konnte die Veranstaltung nicht stattfinden. Die Veranstalterin übergab der Karteninhaberin einen Gutschein. Diese bestand jedoch auf sofortiger Rückerstattung des bezahlten Entgelts und erhob Zahlungsklage.
Zentraler Streitpunkt: Rückzahlungsanspruch trotz Gutschein?
Kern der Auseinandersetzung war die Frage, ob ein unmittelbar fälliger Anspruch auf Rückzahlung des Eintrittsgeldes besteht oder ob der wegen der Gutscheinregelung ausgeschlossen ist. Das AG München entschied, dass die Rückzahlungspflicht in diesem Fall ausgesetzt ist. Der gesetzliche Vorrang des Gutscheins gegenüber sofortigen Geldansprüchen gelte auch dann, wenn die Karteninhaberin – wie im zugrundeliegenden Fall – die Gutscheineinlösung ausdrücklich ablehnt.
Verbraucherrechte bleiben gewahrt
Wesentlich ist, dass die Gutscheinlösung keinen vollständigen Ausschluss der Rückzahlungspflicht bedeutet. Verbraucher, die sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden oder den Gutschein bis Ende 2021 nicht eingelöst haben, können die Rückzahlung beanspruchen. Das Gericht betonte, dass gerade diese gesetzlichen Ausnahmen Bestandteil des Regelwerks sind und damit dem grundrechtlichen Schutz der Verbraucher Rechnung tragen.
Praxisfolgen und weitere Implikationen für Veranstalter und Ticketinhaber
Auswirkungen auf laufende Vertragsverhältnisse
Die Entscheidung bestätigt, dass Veranstalter unter den besonderen Gesetzesvorgaben berechtigt sind, für pandemiebedingt abgesagte Events Gutscheine auszustellen. Gleichzeitig stehen betroffenen Karteninhabern nach Fristablauf oder bei besonderer Härte im Einzelfall Rückforderungsansprüche offen.
Kontinuität im Vertragsrecht und befristeter Charakter der Regelung
Die Rechtsprechung verdeutlicht zudem, dass die Gutscheinlösung eine befristete, außergewöhnliche Maßnahme darstellt und außerhalb von pandemiebedingten Absagen keine Anwendung findet. Bestehende und künftige Veranstaltungsverträge bleiben somit – abseits der spezifischen Gesetzesregelung – dem allgemeinen Vertragsrecht unterworfen.
Keine Vorverlagerung der Veranstalterinsolvenz
Zum Schutz der Veranstalter verhindert die Gutscheinregelung eine sofortige Liquiditätsbelastung, ohne aber grundlegende Verbraucherrechte auszuschließen. Die Regelung trägt damit zur Balance wirtschaftlicher und privater Interessen in außergewöhnlichen Krisenzeiten bei, ohne die rechtliche Position beider Seiten einseitig zu benachteiligen.
Fazit und Ausblick
Mit seinem Urteil bietet das Amtsgericht München Rechtssicherheit für die Abwicklung pandemiebedingt nicht durchführbarer Veranstaltungen im Geltungsbereich der Gutscheinlösung. Veranstalter und Karteninhaber sollten die gesetzlichen Vorgaben und Fristen gleichermaßen beachten. Für Einzelfälle – insbesondere bei Unklarheiten über die Anwendbarkeit der Gutscheinregelung oder zu Rückzahlungsmodalitäten nach Ablauf – empfiehlt es sich, eine individuelle rechtliche Einordnung vornehmen zu lassen.
Für detaillierte Auskünfte und zur rechtssicheren Bewertung Ihrer individuellen Situation bei pandemiebedingten Veranstaltungsabsagen stehen Ihnen die Rechtsanwälte von MTR Legal gerne zur Verfügung.