GmbH-Geschäftsführer sind durch das AGG bei Altersdiskriminierung geschützt

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Grundsätzliche Einordnung: Gleichbehandlungsgrundsatz und Geschäftsführerstellung in der GmbH

Die Frage des Diskriminierungsschutzes im Rahmen von Geschäftsführeranstellungsverträgen einer GmbH ist seit Jahren Gegenstand der Rechtsdiskussion und war bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 163/10) nicht abschließend geklärt. Während der Diskriminierungsschutz bislang im Arbeitnehmerbereich fest etabliert ist, war unklar, ob auch Organmitglieder wie Geschäftsführer den Schutzmechanismen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) unterfallen. Die Entscheidung des BGH hat hier wesentliche neue Klarheit geschaffen und ist sowohl für die Praxis als auch für die Ausgestaltung von Organverträgen von erheblicher Bedeutung.

Anwendungsbereich des AGG und Besonderheiten bei Organmitgliedern

Das AGG dient nach § 1 AGG der Verhinderung und Beseitigung von Benachteiligungen aus Gründen u.a. der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, insbesondere im Erwerbsleben. Unstrittig ist die Anwendung des AGG im klassischen Arbeitsverhältnis, die Einbindung von Organmitgliedern – und damit insbesondere von Geschäftsführern einer GmbH – war aber bislang rechtlich umstritten.

Die Besonderheit ergibt sich daraus, dass Geschäftsführer in der GmbH keine Arbeitnehmer im eigentlichen Sinne sind. Sie nehmen vielmehr eine Doppelrolle ein: Einerseits sind sie als Gesellschaftervertreter Organe der Gesellschaft und mit umfangreicher Entscheidungsgewalt ausgestattet, andererseits unterliegen sie auch im Rahmen ihres Anstellungsvertrages ähnlichen Schutzbedürfnissen wie Arbeitnehmer – etwa im Hinblick auf Diskriminierungsverbote.

Urteil des BGH: Geschäftsführer erhält Schutz vor Altersdiskriminierung nach AGG

Mit seiner richtungsweisenden Entscheidung vom 23. April 2012 hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass auch GmbH-Geschäftsführer sich auf den Schutz des AGG berufen können, wenn sie im Rahmen ihres Anstellungsverhältnisses aufgrund ihres Alters benachteiligt werden. Dies stellt eine wichtige Weichenstellung für die Handhabung von Kündigungen, Vertragsverlängerungen und Neuausschreibungen der Geschäftsführerpositionen dar.

Rechtliche Begründung des Gerichts

Der BGH begründet seine Entscheidung insbesondere mit einem unionsrechtlichen Bezug: Die zugrundeliegende EU-Richtlinie 2000/78/EG sieht grundsätzlich einen umfassenden Diskriminierungsschutz im Kontext der Beschäftigung vor, der nicht auf klassische Arbeitsverhältnisse beschränkt ist. Das nationale Recht – in Form des AGG – habe unionsrechtskonform auszulegen. Auch das AGG selbst sieht gem. § 6 Abs. 3 AGG ausdrücklich die Anwendbarkeit auf Organmitglieder vor. Somit ist der Schutzbereich des Gesetzes nach Auffassung des Gerichts für Geschäftsführer eröffnet, sofern der Anlass der Benachteiligung im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Organmitglied und damit im Bereich der Vertragsbegründung, Durchführung oder Beendigung des Anstellungsvertrages steht.

Auswirkungen auf die Praxis

Für die gesellschaftsrechtliche Praxis bedeutet diese Rechtsprechung, dass sowohl sämtliche Beschlüsse der Gesellschafter als auch vertragliche Regelungen hinsichtlich der Bestellung, Abberufung und Nichtverlängerung von Geschäftsführeranstellungsverträgen auf ihre Vereinbarkeit mit dem AGG überprüft werden müssen. Altersbezogene Auswahlentscheidungen oder Vertragsbeendigungen sind kritisch zu hinterfragen, insbesondere dann, wenn sich objektiv Anhaltspunkte für eine Diskriminierung aus Altersgründen ergeben. Anderenfalls kann das betroffene Organmitglied Ansprüche auf Schadensersatz, Entschädigung oder gar auf Fortbestand des Anstellungsverhältnisses geltend machen.

Differenzierte Betrachtung: Grenzen und Reichweite des Diskriminierungsschutzes

Obgleich der BGH klarstellt, dass auch Geschäftsführer grundsätzlich in den Anwendungsbereich des AGG fallen, existieren für die konkrete Rechtsanwendung Grenzen und Abwägungstatbestände.

Vertragsgestaltung und Legitimation von Differenzierungen

Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nicht in jedem Fall unzulässig. § 10 Satz 1 AGG enthält die Möglichkeit, unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters zu rechtfertigen, wenn sie objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind. Für die Organbestellung bedeutet dies, dass eine altersabhängige Auswahl in Ausnahmefällen, beispielsweise zur Sicherstellung bestimmter Erfahrungsniveaus oder für eine Anpassung an gesellschaftsrechtliche Vorgaben, weiterhin zulässig sein kann – jedoch müssen die Anforderungen an die Rechtfertigung besonders streng beachtet werden.

Schnittstelle zum allgemeinen Gesellschaftsrecht

Der Diskriminierungsschutz nach AGG wirkt jedoch nicht unmittelbar auf die gesellschaftsrechtliche Ebene: Die Organschaft an sich unterliegt gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere der jederzeitigen Widerruflichkeit der Bestellung. Gleichwohl dürfen Maßnahmen der Gesellschafterversammlung nicht gegen das Diskriminierungsverbot aus dem AGG verstoßen, was auch auf Ebene der Satzung oder im Rahmen von Corporate-Governance-Richtlinien zu beachten ist.

Bedeutung für Unternehmen und Organmitglieder – Ausblick

Die Klarstellung durch den Bundesgerichtshof verleiht dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Binnenverhältnis der GmbH eine neue Qualität. Insbesondere für international tätige Unternehmensgruppen und bei komplexeren Holdingstrukturen stellt sich die Notwendigkeit, Geschäftsführerverträge und Bestellungsentscheidungen in Einklang mit den Vorgaben des AGG und den hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen auszugestalten. Dies gilt auch im Hinblick auf Haftungsrisiken für Geschäftsleiter und Gesellschafter sowie die damit verbundenen Compliance-Anforderungen.

Aus diesem Grund ist es ratsam, die Neugestaltung oder Modifikation von Verträgen und gesellschaftsrechtlichen Dokumenten im Lichte der aktuellen Rechtsprechung zu analysieren und auf Anpassungsbedarf zu überprüfen. Unternehmen, Investoren und geschäftsführende Organmitglieder befinden sich bei der Umsetzung in einem Spannungsfeld zwischen der Wahrnehmung unternehmerischer Interessen und der Vermeidung von Diskriminierungstatbeständen.

Sollten sich im Hinblick auf mögliche Diskriminierungssachverhalte im Zusammenhang mit der Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern Fragestellungen ergeben, kann es für Unternehmen und Organmitglieder vorteilhaft sein, die aktuelle Rechtslage eingehender zu würdigen. Die Rechtsanwälte von MTR Legal stehen für eine fundierte Prüfung und Erörterung in spezifischen Einzelfällen zur Verfügung.

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