Rechtliche Auseinandersetzung zwischen Fußballverein und Zweitmarktplattform: Hintergründe und Implikationen
Am Landgericht München I wurde im Juli 2024 ein Verfahren mit grundlegender Relevanz für den Vertrieb von Eintrittskarten im Profifußball geführt (Az.: 37 O 2100/22). Im Zentrum stand die Frage, inwieweit ein Profifußballclub erfolgreich gegen die Weiterveräußerung seiner Tickets über sogenannte Zweitmarktplattformen vorgehen kann. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf das Zusammenspiel von Ticketvertriebsbedingungen, Verbraucherschutzinteressen sowie dem Schutz legitimer Vereinsinteressen im Profi- und Veranstaltungsbereich.
Ausgangslage und Vertragsgestaltung
Viele Fußballunternehmen beschränken den Weiterverkauf von Eintrittskarten für Heimspiele in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Ziel solcher Regelungen ist, einen kontrollierten Weiterverkauf – typischerweise über vereinseigene Plattformen – sicherzustellen und einem Ticket-„Schwarzmarkt” entgegenzuwirken. Die Beklagte Plattform im Münchner Verfahren bot Eintrittskarten, die sie von verschiedenen Quellen, darunter auch von Clubmitgliedern oder Dauerkarteninhabern, ankaufte und an Dritte weitervermittelte.
Rechtliche Bewertung der Ticketweiterveräußerung
Geltung der AGB beim Dritterwerb
Das Landgericht prüfte, ob die AGB des Vereins auch gegenüber Dritten, die nicht unmittelbar Vertragspartner des Vereins, sondern Vertragspartner der Plattform werden, wirksam einbezogen werden können. Nach Ansicht des Gerichts ist dies jedenfalls dann der Fall, wenn die jeweiligen Erwerber durch den Kauf der Tickets in die originären Vertragsbeziehungen und deren Nebenbestimmungen – insbesondere die Vertriebs- und Weiterverkaufsklauseln – eingebunden werden. Entscheidend bleibe, inwieweit die Zweitmarktplattform selbst die Beschränkungen der Vereinsbedingungen kennt und systematisch unterläuft.
Zulässigkeit von Weiterverkaufsbeschränkungen
Das Gericht bekräftigte, dass Vereine grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran haben, den Vertrieb ihrer Tickets zu steuern. Hieraus kann sich eine wirksame Beschränkung des Weiterverkaufs ergeben. Allerdings dürfen solche Klauseln nicht pauschal jeglichen Weiterverkauf untersagen, sondern müssen nach ständiger Rechtsprechung interessengerechte, sachlich gerechtfertigte Ausnahmen zulassen (z.B. im Falle einer Verhinderung des Erstkäufers). Weiterhin findet eine Abwägung mit den Verbraucherschutzbelangen statt.
Unlautere Wettbewerbshandlung und Unterlassungsanspruch
Das Landgericht München I sah in der systematischen Umgehung der ticketbezogenen Weiterverkaufsverbote durch die Plattform einen Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG (Mitbewerberschutz) sowie einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klubs. Insbesondere die bewusste Förderung von Vertragsverletzungen im Rahmen eines kommerziellen Geschäftsmodells führe zu einem Unterlassungsanspruch des Fußballunternehmens.
Auswirkungen auf den gesamten Ticketvertrieb
Bedeutung für Veranstalter und Plattformbetreiber
Das Urteil hebt hervor, wie wichtig eine präzise Vertragspolitik und für alle Seiten verständliche, transparente Regelungen für den Vertrieb und die Weiterveräußerung von Eintrittskarten sind. Einseitig ausgestaltete Geschäftsmodelle, die auf die Umgehung von legitimen Weiterverkaufsrestriktionen setzen, stehen auf unsicherem rechtlichen Fundament und können zu erheblichen Unterlassungs- und Schadensersatzrisiken führen. Der Beschluss dürfte auf zahlreiche vergleichbare Konstellationen im Event- und Sportbereich übertragbar sein.
Verbraucherschutz und legitime Interessenabwägung
Die Interessen der Ticketkäufer spielen in diesem Spannungsfeld ebenfalls eine gewichtige Rolle. Gerichte verlangen von Veranstaltern, bei der Ausgestaltung ihrer AGB eine ausgewogene Balance zwischen Schutz des eigenen Vertriebssystems und Flexibilität für Privatnutzer zu wahren. Dabei bleibt es zulässig, Maßnahmen gegen einen kommerziellen, missbräuchlichen Handel mit Tickets zu ergreifen, solange individuelle und nicht kommerzielle Umstände (wie Krankheit oder Verhinderung) nicht über Gebühr eingeschränkt werden.
Ausblick und Empfehlung bei rechtlichen Unsicherheiten
Zu berücksichtigen ist, dass das Urteil des Landgerichts München I noch nicht rechtskräftig ist und – abhängig vom weiteren Instanzenzug, etwa vor dem Oberlandesgericht München – abschließende Grundsatzfragen zur Wirksamkeit von Weiterverkaufsbeschränkungen weiterhin offen bleiben können. Die Entscheidung ist jedoch ein deutlicher Hinweis auf die zunehmende Sensibilisierung der Gerichte in Bezug auf die (Miss-)Achtung von Ticketvertriebsregeln im professionellen Veranstaltungsumfeld.
Für Unternehmen aus der Veranstaltungswirtschaft, Betreiber von (Zweitmarkt-)Plattformen sowie Inhaber und Nutzer von Eintrittskarten ergibt sich daraus eine erhöhte Bedeutung der sorgfältigen Prüfung von AGB, Vertriebsklauseln und Geschäftsmodellen.
Sollten im Zusammenhang mit der Gestaltung, Durchsetzung oder Überprüfung von Vertriebsbedingungen im Eintrittskartenbereich rechtliche Fragestellungen auftreten, stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal mit ihrer starken Ausrichtung auf das Handels-, Gesellschafts-, Wettbewerbs- und Vertriebsrecht gern beratend zur Verfügung.