Berechnung fiktiven Einkommens bei Unterhaltsansprüchen ohne Mindestlohn

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Ausgangspunkt: Fiktive Einkommensbemessung im Unterhaltsrecht

Im Bereich des Unterhaltsrechts stellt sich regelmäßig die Frage, welche Maßstäbe bei der Festlegung eines fiktiven Einkommens eines Unterhaltspflichtigen anzulegen sind. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn nach Auffassung des Gerichts der Unterhaltsschuldner seiner Erwerbsobliegenheit nicht in ausreichendem Maße nachkommt und daher außer dem tatsächlich erzielten Einkommen ein hypothetisches, also fiktives, Einkommen bei der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt werden soll. Die konkrete Höhe dieses anzurechnenden Einkommens ist dabei von zentraler Bedeutung für sämtliche Beteiligte.

Keine Beschränkung auf einfachste Tätigkeiten und gesetzlichen Mindestlohn

Grundsatz der Erwerbsobliegenheit

Unterhaltspflichtige Personen sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen, um der eigenen Unterhaltsverpflichtung nachkommen zu können. Kommt der Unterhaltspflichtige dieser Obliegenheit nicht nach, kann das zuständige Gericht ein hypothetisches Einkommen zugrunde legen, das dem entspricht, was der Unterhaltspflichtige bei zumutbarer Ausnutzung seiner individuellen Fähigkeiten und Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt erzielen könnte.

Begrenzung durch individuelle Qualifikation und bisheriger Berufsweg

Eine entscheidende Aussage des Oberlandesgerichts Brandenburg (Az.: 10 UF 139/17, Entscheidung vom 31.10.2019, Quelle: www.urteile.news) besteht darin, dass die Bemessung eines fiktiven Einkommens nicht pauschal an die niedrigstmögliche Tätigkeit, also an eine Beschäftigung auf Mindestlohnbasis, geknüpft werden kann. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen Berufsqualifikationen, die bisherige berufliche Laufbahn sowie die Erwerbsbiografie der jeweiligen Person. Die Anknüpfung an den gesetzlichen Mindestlohn als Untergrenze ist daher nur dann zulässig, wenn dem Unterhaltspflichtigen objektiv keine Erwerbstätigkeit mit höherem Einkommen zuzumuten ist.

Zumutbarkeit und Arbeitsmarktsituation

Das Gericht prüft im Einzelfall, welche konkrete Tätigkeit realistisch erreichbar und dem Unterhaltsschuldner auch zumutbar ist. Dies bemisst sich beispielsweise nach Alter, Ausbildung, Berufserfahrung, bisherigen Einkünften und der regionalen Arbeitsmarktsituation. Ein Rückgriff auf einfachste, lediglich mit Mindestlohn vergütete Tätigkeiten, kann daher nur erfolgen, wenn der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner individuellen Situation keine angemessene Beschäftigung auf dem Niveau seiner Qualifikationen finden kann oder diese nicht mehr ausüben kann.

Praktische Folgen für die Unterhaltsberechnung

Gerichtliche Überprüfung der Erwerbsbemühungen

In der gerichtlichen Praxis ist häufig zu beobachten, dass die Darlegungslast für angemessene Erwerbsbemühungen beim Unterhaltspflichtigen liegt. Konkret bedeutet dies: Der Unterhaltsschuldner muss darlegen, dass er sich – gemessen an seiner Qualifikation – ernsthaft und ausreichend um eine adäquate Tätigkeit bemüht hat. Verbleibt das zuständige Gericht nach der Beweisaufnahme bei der Einschätzung, dass die Bemühungen nicht ausreichend waren, kann es ein fiktives Einkommen ansetzen, das sich nach einer dem Profil entsprechenden Tätigkeit bemisst.

Differenzierung nach branchenspezifischen und regionalen Kriterien

Die Ermittlung des fiktiven Einkommens erfolgt nicht generalisierend, sondern anhand valider und nachvollziehbarer Kriterien. Hierzu zählen insbesondere das Lohnniveau vergleichbarer Beschäftigter innerhalb der relevanten Branche sowie die in der betreffenden Region üblichen Vergütungen. Ziel des Verfahrens ist es, das hypothetisch erzielbare Einkommen möglichst realistisch und einzelfallgerecht zu bestimmen und so die Interessen beider Parteien – des Unterhaltsschuldners wie auch des Unterhaltsberechtigten – zu berücksichtigen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Entscheidung des OLG Brandenburg macht deutlich, dass die Bemessung eines fiktiven Einkommens im Unterhaltsrecht einer Einzelfallprüfung bedarf und keineswegs schematisch am gesetzlichen Mindestlohn ausgerichtet werden darf. Vielmehr sind sämtliche individuellen Gegebenheiten und arbeitsmarktbezogenen Faktoren zu berücksichtigen. Für Unterhaltsbeteiligte ist dies mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden. Da die Rechtslage durch eine Vielzahl von Urteilen und Einzelfallkonstellationen geprägt ist, können sich im Einzelfall komplexe Abgrenzungsfragen ergeben.

Für Fragen rund um die Berechnung von Unterhalt und die Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens stehen die Rechtsanwälte bei MTR Legal nach entsprechender Kontaktaufnahme gerne zur Verfügung.

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