Verpflichtung der Banken zur proaktiven Information über unwirksame AGB-Klauseln bei Verwahrentgelten
Mit Beschluss vom 27. Februar 2024 (Az.: 3 U 286/22) hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main für den Bankensektor klargestellt, dass Kreditinstitute betroffene Kundinnen und Kunden aktiv darüber informieren müssen, wenn sie sich auf eine Allgemeine Geschäftsbedingung – etwa zur Einführung eines Verwahrentgelts für Guthaben auf Giro- oder Tagesgeldkonten – nicht mehr berufen können, weil diese Klausel für unwirksam erklärt wurde. Die Entscheidung erlangt erhebliche Bedeutung für die gesamte Bankenbranche sowie für Verbraucher, die von sogenannten Verwahrentgelten beeinträchtigt waren.
Ausgangslage: Verwahrentgelte und AGB-Klauseln
Seit mehreren Jahren greifen Banken und Sparkassen zunehmend auf sogenannte Verwahrentgelte für hohe Guthaben auf Kundenkonten zurück. Grundlage hierfür waren vielfach formularmäßige Klauseln in den AGB der Institute, die ein solches Entgelt unabhängig von einer Individualvereinbarung einführen sollten. Die Rechtsprechung – zuletzt der Bundesgerichtshof – hat der Praxis jedoch mit der Feststellung Einhalt geboten, dass zahlreiche derartige Klauseln gegen §§ 305 ff. BGB verstoßen und somit für unwirksam zu erklären sind.
Pflichten der Banken nach erfolgter Unwirksamkeitserklärung
Notwendigkeit der Individualkommunikation
Mit der Unwirksamkeit einer Klausel gehen besondere Sorgfalts- und Informationspflichten der Kreditinstitute einher. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main verdeutlicht, dass es nicht ausreichend ist, lediglich einen Verweis auf die geänderte Rechtslage an einer zentralen Stelle – etwa auf der Internetseite des Instituts – bereitzuhalten. Vielmehr müssen betroffene Kundinnen und Kunden gezielt, durch proaktive Mitteilung, über die Unwirksamkeit der relevanten AGB-Bestimmung und die daraus folgenden Konsequenzen informiert werden.
Rechtsgrundlagen und Verbraucherschutz
Diese verbraucherschützende Verpflichtung ergibt sich aus den unions- und nationalrechtlichen Vorgaben zur Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG sowie § 307 BGB). Ein Institutsverhalten, das es Verbraucherinnen und Verbrauchern eigenständig überlässt, in Erfahrung zu bringen, ob eine Vertragsklausel noch gilt, widerspricht dem Schutzzweck dieser Regelungen. Die Banken müssen sicherstellen, dass Kunden nicht weiterhin von Klauseln beeinträchtigt werden, deren Unwirksamkeit gerichtlich festgestellt wurde.
Konsequenzen für Bankkunden in der Praxis
Rückabwicklung zu viel gezahlter Entgelte
Erfasst von dieser Informationspflicht sind insbesondere Konstellationen, in denen Kundinnen und Kunden aufgrund der unwirksamen Regelung bereits Verwahrentgelte entrichtet haben. Da eine unwirksame AGB-Klausel keine Rechtsgrundlage für Zahlungen begründen kann, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, zu Unrecht gezahlte Entgelte nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) zurückzufordern. Eine Nicht-Information durch das Kreditinstitut kann zu einer Hemmung der Verjährung führen, wenn Kundinnen und Kunden erst später Kenntnis über die Unwirksamkeit einer Klausel erlangen.
Bedeutung für Institutionen und Vertragspartner
Das Urteil stellt für Banken und andere Kreditinstitute eine klare Handlungsanweisung dar, im Zuge veränderter oder gerichtlich beanstandeter AGB-Inhalte ihre Informationspolitik nachzujustieren. Vertragspartner, insbesondere Anleger und Sparer, erhalten durch die Vorgaben eine Stärkung ihrer Rechtsposition im laufenden Vertragsverhältnis sowie im Hinblick auf eventuelle Erstattungsansprüche.
Beurteilung der Rechtslage und Implikationen für die Praxis
Transparenz- und Mitwirkungspflichten
Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht die zentrale Rolle der vertraglichen Transparenz im Massengeschäft der Kreditinstitute. Neben der Rechtsklarheit hinsichtlich der Wirksamkeit von Vertragsklauseln steht die Pflicht, bestehende Kundenbeziehungen in Einklang mit aktuellen rechtlichen Vorgaben zu bringen. Die Mitteilungspflicht betrifft nicht nur künftige Vertragsgestaltungen, sondern erstreckt sich ausdrücklich auch auf bestehende Vertragsverhältnisse.
Auswirkungen auf Risikomanagement und Compliance-Strukturen
Für Banken und andere am Kapitalmarkt agierende Unternehmen sind die Anforderungen an ein proaktives, kundenorientiertes Informationsmanagement weiter gestiegen. Hierdurch erhöht sich nicht nur die Relevanz einer ständigen rechtlichen Prüfung bestehender Geschäftsbedingungen, sondern auch die Notwendigkeit, Kommunikations- und Compliance-Prozesse entsprechend anzupassen.
Laufende Entwicklungen und Rechtsprechungslage
Es ist zu beachten, dass aktuell weitere Verfahren zu diesem Themenkomplex anhängig sind. Die Rechtsprechung befindet sich weiterhin in der Entwicklung. Resultierende Entscheidungen – insbesondere des Bundesgerichtshofs – werden voraussichtlich die Ausgestaltung der Informationspflichten weiter präzisieren und etwaige Handlungsspielräume für Kreditinstitute definieren. Eine abschließende Beurteilung bleibt daher dem Fortgang der Spruchpraxis vorbehalten.
Fazit und rechtlicher Ausblick
Das OLG Frankfurt am Main hat mit seinem Beschluss die Bedeutung der proaktiven Informationspflichten der Banken bei unwirksamen AGB-Klauseln erneut unterstrichen. Betroffene Vertragsparteien und insbesondere Kontoinhaber können gestärkt daraus hervorgehen, während Geldhäuser ihre interne und externe Kommunikation zwingend anpassen müssen, um rechtlichen Risiken vorzubeugen.
Für weitergehende Fragen zu Vertragsbedingungen, Erstattungsansprüchen oder aufsichtsrechtlichen Pflichten im Zusammenhang mit unwirksamen AGB-Klauseln stehen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von MTR Legal Rechtsanwälte gerne beratend zur Verfügung.