Begriff und Definition der Rauschgiftsucht
Unter dem Begriff Rauschgiftsucht (auch als Drogenabhängigkeit im engeren Sinne bezeichnet) wird im deutschen Recht die Abhängigkeit von illegalen Betäubungsmitteln verstanden. Die Definition und der rechtliche Umgang mit dem Thema ergeben sich insbesondere aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Rauschgiftsucht ist dabei kein eigenständiges Strafdelikt, sondern hat vor allem Bedeutung bei der Strafzumessung, der Strafvollstreckung sowie im Maßregelvollzug. Im medizinischen Sinne handelt es sich um eine chronische und rezidivierende Erkrankung, die durch den fortgesetzten Missbrauch von Rauschmitteln charakterisiert ist und erhebliche soziale wie gesundheitliche Folgen haben kann.
Gesetzliche Grundlagen der Rauschgiftsucht
Betäubungsmittelgesetz (BtMG)
Das Betäubungsmittelgesetz bildet die zentrale rechtliche Grundlage für alle Vorschriften im Umgang mit Rauschgiftsucht in Deutschland. Das BtMG unterscheidet dabei zwischen Besitz, Erwerb, Handel, Abgabe, Herstellung und dem Konsum von Betäubungsmitteln. Während reine Sucht als solche nicht strafbar ist, sind Handlungen im Zusammenhang mit illegalen Betäubungsmitteln umfassend geregelt.
Nichtstrafbarkeit des Konsums
Der Konsum von Betäubungsmitteln an sich ist in Deutschland grundsätzlich nicht strafbar (vgl. § 29 BtMG). Strafbar sind jedoch der Erwerb, Besitz und andere Handlungen im Umgang mit Betäubungsmitteln. Die Rauschgiftsucht als Zustand oder Erkrankung ist damit nicht kriminalisiert, wohl aber die typischen im Zusammenhang stehenden Handlungen.
Strafschärfende und strafmildernde Aspekte der Sucht
Im Rahmen der Strafzumessung können Suchterkrankungen sowohl strafschärfend als auch strafmildernd gewertet werden. Der Grad der Schuld, die Steuerungsfähigkeit sowie das Vorliegen von Therapie- und Behandlungswilligkeit sind zentrale Faktoren bei der rechtlichen Beurteilung.
Maßregelvollzug nach § 64 StGB
Für Personen, die infolge ihrer Sucht deliktisch auffällig werden, sieht das Strafgesetzbuch (§ 64 StGB) die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt als Maßregel der Besserung und Sicherung vor. Voraussetzung ist, dass die rechtswidrige Tat im Zusammenhang mit der Rauschgiftsucht steht und eine Entwöhnungsbehandlung Erfolg verspricht.
Voraussetzungen für die Unterbringung
- Suchtbedingte Tatbegehung: Die Anlasstat muss in Zusammenhang mit der Rauschgiftsucht stehen.
- Behandlungsprognose: Es muss Aussicht bestehen, dass die Behandlung zur Verminderung der Gefahr weiterer Straftaten führt.
Ablauf der Unterbringung
Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erfolgt regelmäßig parallel oder im Anschluss an eine Haftstrafe. Die Entscheidung über die Dauer und Beendigung der Maßregel trifft das zuständige Gericht.
Auswirkungen auf die Strafzumessung (§§ 20, 21 StGB)
Durch die Sucht kann die Fähigkeit zur Einsicht des Unrechts oder zum Handeln nach dieser Einsicht erheblich vermindert sein. Nach §§ 20, 21 StGB kann dies eine verminderte Schuldfähigkeit, selten auch Schuldunfähigkeit, begründen. Dies führt zu Anpassungen bei der Strafzumessung oder ggf. bis zum Absehen von Strafe.
Rauschgiftsucht im Rahmen prozessualer Entscheidungen
Einstellung des Verfahrens bei geringer Schuld (§ 31a BtMG)
Nach § 31a BtMG kann bei geringfügigen Schuldvorwürfen und Besitz geringer Mengen Rauschgifte das Ermittlungsverfahren eingestellt werden, wenn kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Dies gilt häufig bei suchtkranken Personen, wenn therapeutische Maßnahmen bereits eingeleitet wurden.
Diversion und therapeutische Auflagen
Staatsanwaltschaften und Gerichte können unter bestimmten Voraussetzungen von der Strafverfolgung absehen, wenn sich die betroffene Person etwa in Therapie begibt oder eine Drogenberatung wahrnimmt. Solche Bedingungen dienen ausdrücklich der Förderung einer nachhaltigen Entwöhnung und gesellschaftlichen Wiedereingliederung.
Sozialrechtliche und ordnungsrechtliche Aspekte der Rauschgiftsucht
Auswirkungen auf Fahrerlaubnis gemäß § 3 StVG und FeV
Rauschgiftsucht stellt im Sinne des Fahrerlaubnisrechts einen Eignungsmangel dar. Nach § 3 StVG und den Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) wird bei Feststellung einer Suchterkrankung im Regelfall die Fahrerlaubnis entzogen, da die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht gegeben ist.
Unterbringung und Zwangsmaßnahmen nach dem PsychKG
Bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung infolge von Rauschgiftsucht können landesrechtliche Vorschriften zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung greifen (Psychisch-Kranken-Gesetze – PsychKG). Zwangsmaßnahmen kommen jedoch nur unter engen Bedingungen und bei akuter Gefährdungslage in Betracht.
Rauschgiftsucht im Strafvollzug
Suchtkranke Personen im Strafvollzug erhalten spezifische Angebote zur Entwöhnung und Resozialisierung. Ziel ist die Verringerung der Rückfallgefahr und die gesellschaftliche Reintegration. Die Teilnahme an Entzugs- und Therapiemaßnahmen kann neben dem Maßregelvollzug auch die Vollzugsplanung im Rahmen regulärer Strafhaft beeinflussen.
Bedeutung der Rauschgiftsucht im Zusammenhang mit weiteren Rechtsgebieten
Kindschafts- und Familienrecht
Rauschgiftsucht eines Elternteils kann im Sorgerecht oder beim Umgangsrecht berücksichtigt werden. So können familiengerichtliche Maßnahmen zum Kindeswohl (z. B. Auflagen, Teilentzug oder Ausschluss des Umgangs) ergriffen werden, um das Wohl des Kindes zu schützen.
Arbeitsrechtliche Implikationen
Rauschgiftsucht kann im Arbeitsverhältnis erhebliche Auswirkungen haben. In bestimmten Berufen, insbesondere im Bereich des öffentlichen Dienstes oder im Personenverkehr, besteht eine besondere Treuepflicht und Verantwortung. Der Nachweis einer Sucht kann zu Maßnahmen des Arbeitgebers bis hin zur Kündigung führen, wobei der Sozialschutz suchtkranker Personen anhand des § 1 KSchG und des SGB IX im Rahmen des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements besonders geschützt ist.
Internationale Regelungen und europarechtliche Aspekte
Auf völkerrechtlicher und europäischer Ebene existieren zahlreiche Abkommen und Vorschriften, die den Umgang mit Sucht und Rauschgift regeln, etwa das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel von 1961. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt zudem die Pflicht zur Schaffung wirksamer Maßnahmen gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln sowie zur Förderung von Präventions- und Therapieprogrammen.
Zusammenfassung
Die rechtliche Behandlung der Rauschgiftsucht in Deutschland ist umfassend geregelt und verbindet Elemente aus Strafrecht, Maßregelvollzug, Ordnungsrecht, Sozialrecht, Familienrecht und Arbeitsrecht. Ziel ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen repressiver Strafverfolgung, therapeutischer Intervention und gesellschaftlicher Wiedereingliederung. Die Anforderungen an gerichtliche und behördliche Maßnahmen sind dabei stets am Einzelfall und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu beurteilen.
Häufig gestellte Fragen
Kann der Besitz von geringen Mengen Rauschgift straffrei bleiben?
Ob der Besitz von geringen Mengen von Rauschgift straffrei bleibt, ist in Deutschland abhängig von der jeweiligen Betäubungsmittelart, dem Bundesland und den genauen Umständen des Einzelfalls. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verbietet grundsätzlich den Besitz von Betäubungsmitteln jeglicher Menge. Allerdings sieht § 31a BtMG für Ersttäter und beim Besitz geringer Mengen zum Eigenverbrauch vor, dass von der Strafverfolgung abgesehen werden kann. Die Definition der „geringen Menge“ variiert je nach Substanz und Bundesland erheblich, und es existieren hierzu entsprechende Verwaltungsvorschriften. So liegt z. B. die Grenze für Cannabis in einigen Bundesländern bei 6 Gramm THC, in anderen bei 15 Gramm. Entscheidend ist zudem, dass keine Fremdgefährdung vorliegt und kein weiteres Strafinteresse besteht. Dennoch bedeutet ein solcher Verfahrenseinstellungsbeschluss keine Straffreiheit im Sinne einer Legalität, sondern lediglich die Aussetzung oder Einstellung des Verfahrens im Einzelfall. Die Polizei geht dem Besitz grundsätzlich nach; auch ein Eintrag ins Ermittlungsregister kann erfolgen, was später etwa bei Führerscheinangelegenheiten relevant wird.
Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei Weitergabe oder Verkauf von Rauschgift?
Die Weitergabe oder der Verkauf von Rauschgift ist nach § 29 BtMG strafbar und wird deutlich schärfer geahndet als der reine Besitz. Wer Betäubungsmittel abgibt, mit ihnen Handel treibt, sie anbaut, herstellt oder importiert, riskiert erhebliche Freiheitsstrafen. Bei sogenannten nicht geringen Mengen sieht das Gesetz sogar Mindestfreiheitsstrafen ab einem Jahr vor, was bereits bei vermeintlich kleinen Mengen hoch konzentrierter Drogen zutreffen kann. Eine Gewerbsmäßigkeit oder die Abgabe an Minderjährige führen zu weiteren Strafverschärfungen (§ 30, § 30a BtMG), sodass in diesen Fällen mit jahrelangen Haftstrafen zu rechnen ist. Auch das Handeltreiben umfasst schon die lediglich geplante Vermittlungsgeschäfte, ohne dass tatsächlich Drogen übergeben wurden.
Ist eine Therapie als Alternative zur Strafe möglich?
Das Betäubungsmittelgesetz ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine Therapie statt Strafe. Nach § 35 BtMG kann der Verurteilte, sofern keine Mindestfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt wurde, bei Abhängigkeitserkrankung beantragen, die verhängte Haft zugunsten einer Therapie aufzuschieben. Die Genehmigung setzt allerdings voraus, dass die Aussicht auf eine erfolgreiche Entwöhnungstherapie besteht und die Straftat im Zusammenhang mit der Sucht steht. Nach erfolgreichem Abschluss der stationären sowie einer abschließenden Nachsorge kann das Gericht von der weiteren Strafvollstreckung absehen oder die Reststrafe zur Bewährung aussetzen. Wird die Therapie jedoch abgebrochen oder unbegründet nicht angetreten, muss die Strafe regulär vollzogen werden.
Welche Auswirkungen hat eine Verurteilung auf den Führerschein?
Im Falle einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das BtMG drohen dem Betroffenen erhebliche Konsequenzen für die Fahrerlaubnis. Schon der Besitz oder Konsum von Betäubungsmitteln im Zusammenhang mit Verkehrsteilnahme kann zur Überprüfung der Fahreignung durch die Fahrerlaubnisbehörde führen. Es besteht weitgehende Meldepflicht seitens der Polizei und Gerichte. Die Behörde kann die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) verlangen oder bei festgestellter Konsumgewohnheit ohne Verkehrsbezug die Fahrerlaubnis entziehen, da Betäubungsmittelkonsumenten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gelten. Zudem werden Verurteilungen im Bundeszentralregister vermerkt und wirken sich negativ auf künftige Wiedererteilungsanträge aus.
Können Drogenkonsumenten zwangsweise zu einer Blutuntersuchung verpflichtet werden?
Im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen oder bei Verdacht auf Drogenkonsum im Straßenverkehr kann die Polizei eine Blutprobe anordnen. Nach § 81a StPO ist dies selbst gegen den Willen des Beschuldigten zulässig, wenn ein konkreter Verdacht auf eine Straftat im Zusammenhang mit Drogen besteht. Dabei genügt in der Regel ein Anfangsverdacht, beispielsweise durch Ausfallerscheinungen, Drogenfunde oder Geständnisse. Im Verkehrsbereich ist seit 2017 beim Verdacht auf Fahrten unter Betäubungsmitteleinfluss keine richterliche Anordnung mehr erforderlich; die Polizei kann eigenständig die Durchführung veranlassen.
Welche Eintragungen folgen bei einer Rauschgiftdeliktsverurteilung im Führungszeugnis?
Nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Vergehens gegen das BtMG erfolgt grundsätzlich ein Eintrag im Bundeszentralregister. Im polizeilichen Führungszeugnis erscheinen insbesondere Freiheitsstrafen ab drei Monaten oder Geldstrafen über neunzig Tagessätzen sowie einschlägige Wiederholungstaten. Ersttäter mit kleiner Geldstrafe können unter Umständen Verschonung finden. Diese Eintragungen können erhebliche Auswirkungen auf Bewerbungen, insbesondere in sensiblen Berufsgruppen (Gesundheitswesen, öffentlicher Dienst), sowie auf gewerbliche Erlaubnisse und Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer haben. Einträge werden frühestens nach drei bis fünf Jahren wieder gelöscht, in Einzelfällen auch erst nach zehn Jahren.
Was ist bei Minderjährigen und Rauschgiftdelikten zu beachten?
Im Jugendstrafrecht (§ 1 JGG) stehen erzieherische Maßnahmen und Hilfestellung im Vordergrund. Auch Delikte nach dem BtMG werden bei Jugendlichen und Heranwachsenden vorrangig nach dem Jugendstrafrecht behandelt. Es kommen sozialpädagogische Maßnahmen, Weisungen, Betreuungsweisung oder die Anordnung von Anti-Drogenkursen in Betracht. Freiheitsentzug ist nur das letzte Mittel und wird meist bei schweren oder wiederholten Verstößen verhängt. Allerdings hat auch beim Jugendstrafrecht die Einleitung eines Verfahrens Folgen, etwa für die Führerscheinakte oder beim Übergang ins Erwachsenenstrafrecht, wo eine gewisse Vorbelastung zu einer höheren Strafzumessung führen kann.